Chapter 6

80 5 0
                                    

Wieder waren drei Jahre vergangen. Mittlerweile wusste ich, dass wir das Jahr 2049 hatten, also war ich 17 Jahre alt. 

Kurz nachdem wir den Zeitungsartikel an dem Kiosk gelesen hatten, waren wir enttarnt worden. Ich war drei Tage später Versteigert worden und bei einem reichen, eingebildeten, arroganten und einflussreichen Ehepaar gelandet: Harry und Alicia Embrass.

Jago hatte ich seit der Versteigerung nicht mehr gesehen. Ich vermisste ihn und hoffte, dass ich ihn irgendwann wieder sehen würden und dass nicht auf seiner oder meiner Beerdigung. Wobei, das war sowieso unwahrscheinlich, denn Mutanten wurden nicht beerdigt. Sie wurden in Container geschmissen und in den Ozean geworfen. 

Nichts mit letzte Ehre und so!

Ich vermisste ihn jeden Tag. Er war der wichtigste Mensch in meinem jämmerlichen leben gewesen und es machte mich regelrecht verrückt, nicht zu wissen, wie es ihm ging. Das Leben bei den Embrass war die Hölle. Sie behandelten mich wie Abfall und schlugen mich, doch das schlimmste war, dass sie mich innerlich zerbrechen ließen. 

Seufzend nahm ich mir einen neuen Lappen aus der kleinen Besenkammer, in der ich auch schlief, und begann, den Boden trocken zu wischen. Es hatte ewig gedauert ihn zu schrubben, denn die Eingangshalle war unnormal groß. 

Da öffnete sich die große Doppeltür, die ihn die Bibliothek führte, und heraus kam Harry. Ich verkniff mir ein Stöhnen und hielt den Kopf gesenkt. Ich sagte auch nichts, als Harry, ganz ausersehen natürlich, an den großen Eimer mit dem Seifenwasser stieß, und es sich erneut über den Boden verteilte. 

„Oh, dass ist aber ärgerlich...", er grinste mich hämisch an und ich biss die Zähne zusammen. Im nächsten Moment zuckte ich zusammen, denn er brüllte mich an: "Wieso tust du nichts? Ich füttere dich hier durch und du? Du bist ein Faulpelz!"

Du fütterst mich durch? Das, was du mir gibts, ist Katzenfutter!

Harry spukte mir vor die Füße, sagte noch etwas von wegen Abschaum und Drecksbande und verschwand dann in das riesige Wohnzimmer.

Ich biss die Zähne zusammen. Ich durfte ihn auf keinen Fall noch mehr verärgern, denn ich durfte es nicht riskieren, von ihm zur Armee geschickt zu werden. Das wäre mein sicherer Tod!

Nachdem ich das Putzwasser zum zweiten mal aufgewischt hatte, brachte ich den Müll nach draußen, und bügelte dann Alicia's roséfarbenes Kleid, welches sie gleich anziehen würde, wenn sie mit Harry zu dieser komischen Veranstaltung ging. Danach bügelte ich auch noch Harry's schwarzen Smoking, den er sich vor zwei Tagen extra für dieses Event gekauft hatte. 

"Beeil dich!" Alicia stand auf einmal hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um und gab ihr das Kleid. Zufrieden musterte sie es, dann nahm sich auch noch den Anzug ihres Mannes und verschwand wieder. 

Als sie eine Dreiviertelstunde später endlich die große Haustür hinter sich zuzogen, und das Motorgeräusch ihres Wagen verklingen war, lehnte ich mich erschöpft gegen die Wand und schloss die Augen. Ich war müde, mir taten alle Knochen weh und es war so stickig, dass mir ziemlich schwindelig war. Ich hasste Hitze fast so sehr wie Kepler22, die Regierung, die Menschen dazu aufforderten Mutanten zu töten und die Embrass' .

Schließlich fiel mir der Zettel ein, den Alicia mir geschrieben und auf dem Küchentisch hinterlassen hatte. Die Punkte, die darauf standen, waren: 

        -Betten machen

        -Müll raus bringen

        -Kakteen gießen

        -Rasen mähen

Ich stöhnte nur, machte mich aber daran, es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, damit ich heute vielleicht mal etwas mehr schlaf bekam, denn den hatte ich dringend nötig.

Den Müll brachte ich als erstes raus, denn ich stand direkt daneben. Danach ging ich in den Garten und mähte den Rasen, denn wir hatten bereits 19:41 Uhr und langsam wurde es spät. Ich wollte schließlich vermeiden, dass sich die Nachbarn über mich beschwerten. 

Zwei Punkte waren auf meiner Liste bereits abgehakt. Sehr gut!

Zu meinem Glück standen die Kakteen auf der Fensterbank in Schlafzimmer von Harry und Alicia, sodass ich schnell die kleine Gießkanne mit Wasser auffüllte und nach oben rannte. Nachdem ich die Planzen gegossen, hatte, stellte ich die Kanne auf das kleine Schränkchen neben der Tür. Dann schnappte ich mir die erste Bettdecke und schüttelte sie aus. 

Ich kam mir vor wie die fleißige Tochter bei Frau Holle!

Nachdem ich auch den Rest gemacht hatte, war ich fertig. Erleichtert griff ich nach der Gießkanne und sprang die Marmortreppe herunter. Dabei rutschte ich aus, die Kanne flog in hohem Bogen durch die Luft und landete mit einem unangenehmen Scheppern auf dem Stein, während ich mich ein paar mal überschlug, bevor ich meinen Sturz schließlich am Fuß der Treppe anfing. Mein Kopf tat ziemlich weh und ich fauchte die Gießkanne wütend an. Dann erschrak ich, denn dort, wie sie aufgeschlagen war, war ein kleines Stück des Marmors herausgebrochen. 

Ich überlegte. Was konnte ich tun? Alicia, und erst recht Harry,  durften es nicht mit bekommen! 

Schnell goss ich die letzten Tropfen, die bei dem Flug der Kanne durch dir Luft nicht raus geflossen waren, und den winzigen Spalt und suchte nach dem Stück, das heraus gebrochen war. Dann fror ich das Wasser ein. Es hielt.

Erleichtert atmete ich auf. Zu meinem Glück taute das Eis, das ich gefroren hatte, nicht von alleine auf, wenn es wärmer wurde. Das konnte nur ein anderer Mutant. Einer, der das Feuer kontrollieren konnte: Jago!

Doch da er nicht hier war, würde es Eis bleiben und die Embrass würden hoffentlich nichts merken. Ich hatte meine Fähigkeiten noch nie in ihrer Gegenwart angewandt, deshalb ging ich stark davon aus, dass sie nicht genau wussten, wie mächtig ich war.

Nachdem ich die Gießkanne zurück an ihren Platz gebracht, und das Wasser auf der Treppe weggewischt hatte, schlurfte ich gähnend in die winzige Besenkammer und rollte mich in der hintersten Ecke zusammen.

Ich hatte nicht mal ein Tuch als Unterlage und die vielen Spinnweben über mir kitzelten mich in der Nase. Manchmal seilte sich auch eine Spinne auf mich ab, und einmal hätte ich sogar fast eine verschluckt. Aber nur fast!

Der Steinboden war hart, doch in diesem Augenblick war ich froh, das Stein kalt ist!

Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt