Chapter 29

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Grimmig starrte ich einen Baum an. Meine schlechte Laune kam daher, dass ich seit zwei Wochen allein war. Jago und Hope waren vermutlich schon beim Gefängnis angekommen. Sollte man ihnen die Geschichte, dass sie die Kinder der Youngs waren, geglaubt und sie in den Besucherraum gelassen haben, was hatten sie dann getan? Hatten sie es geschafft, die beiden zu befreien, oder saßen sie jetzt ebenfalls in einer Zelle?

Verwirrt und nervös stöhnte ich auf und und ließ mich auf den Boden fallen. Ich mochte es zwar eigentlich allein zu sein, doch im Moment störte es mich einfach nur. Gähnend ließ ich mich nach hinten ins Laub fallen, um im gleichen Moment wieder hochzufahren und mich erschrocken umzuschauen. Ich wurde beobachtet. Schon wieder.

Allmählich war ich es satt!

Wütend aber vorsichtig schlich ich in die Richtung, in der ich diesen Unbekannte vermutete. Und wieder einmal lag ich richtig: aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Irgendjemand in einem dunkeln Kapuzenpulli rannte vor mir weg. So wie ich eben war rannte ich einfach hinterher. Es ging über umgestürzte Bäume, zwischen stacheligen Büschen hindurch immer tiefer in den Wald. Ich hatte mich bisher immer am Rand aufgehalten, damit ich mich nicht verlief, doch diesen Gedanken schob ich schnell beiseite, als ich die schwarze Kapuze wieder entdeckte. Eine Dornenranke riss mir die Hose kaputt auf, doch ich achtete nicht darauf, weil die Kapuze in diesem Moment wieder verschwand. 

„Mann, jetzt bleib doch stehen!", schrie ich. Natürlich bekam ich keine Antwort. Stattdessen rannte dieser Unbekannte immer weiter. Anscheinend hatte er keine große Lust meine Bekanntschaft zu machen. Entnervt verdrehte ich die Augen. So schlimm war ich doch garnicht!

„Sag mal, weißt du überhaupt wo du hinrennst? Ich nämlich nicht!", versuchte ich es erneut. Schnell duckte ich mich unter einem niedrigen Ast hindurch und sprang dann über eine schlammige Matschpütze. Mittlerweile waren wie so tief im Wald, dass kaum noch Sonnenstrahlen zu uns durchdrangen. Ich stolperte mehrere male, konnte mich aber immer wieder auffangen, bevor ich fiel. Dann tauchte die Kapuze erneut ab. So sehr ich auch suchte, ich fand sie nicht. Frustriert setzte ich mich auf einen Baumstamm und ignorierte das Stechen in meiner Seite.

„Kannst du mir vielleicht helfen?", rief ich mehr oder weniger auf gut Glück. „Ich habe nämlich keine Ahnung wo ich bin, aber ich muss ziemlich dringend zu so einer Arena..."

Keine Antwort.

„Jetzt stell dich nicht so an, oder glaubst du, ich beiße?"

Keine Antowrt.

„Man, ich weiß doch das du da bist! Ich bin ja nicht blöd!"

Keine Antwort. 

„Das ist echt nicht nett, weißt du das?"

Im nächsten Moment machte es Platsch! Irgendjemand schrie erschrocken auf, während ich in die Richtung rannte, aus der die Geräusche gekommen waren. Nachdem ich mich durch eine dichte Hecke gekämpft hatte, lichtete sich der Wald etwas und ich bemerkte, dass ich auf einem kleinen Felsplateau stand. Etwa fünf Meter unter mir lag ein schlammig brauner See. Etwa 10x10 Meter im Durchmesser. Und in ihm schwamm jemand. Ich kniff die Augen zusammen. Das war doch...

„Hey!", rief ich. Er schaute zu mir hoch und ärgerte sich offensichtlich, das ich ihn nur doch erwischt hatte. 

„Wieso verfolgst du mich? Spinnst du irgendwie?"

„Kannst du vielleicht aufhören zu schimpfen und mir stattdessen irgendwie helfen hier raus zu kommen?"

Ich verschränkte die Arme, beugte mich dann aber etwas weiter vor. „Wieso sollte ich das tun?"

Er schien zu überlegen. „Weil... weil... weil du nett bist?"

„Bin ich das?" Mein spöttischer Unterton war nicht zu überhören.

„Naja, manchmal. Aber diese Suppe ist echt ekelhaft. Ich will hier raus!" Im nächsten Moment rief er: „Pass auf, da ist es rutschig!"

Leider zu spät!

Ich rutschte nach vorne und fiel. Ich sah das Wasser auf mich zukommen. Der Aufprall war hart. Es war, als würde ich in vollem Lauf gegen eine Tür rennen. Doch im nächsten Moment öffnete sich die Tür und ließ mich ein. Als ich wieder auftauchte und nach Luft schnappte, sagte mein Gegenüber trocken: „Gratuliere!"

„Du bist zu erst reingefallen!", gab ich bissig zurück und schwamm dann in Richtung des Schilfufers. Es stank entsetzlich und ich hielt mir die Nase zu. 

„Das kannst du vergessen!", rief mir der Junge hinterher. Ich drehte mich um und erwiderte mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen: „Bist du etwa schon einmal in diese Brühe gefallen? Oder woher weißt du, dass man das vergessen kann?"

„Dieses Schilf ist nicht nur Schilf, das ist Sägegras. Wenn du da hier rein gehst, dann kommst du in Scheiben geschnitten wieder raus." Er verzog das Gesicht.

Ich verlor die Geduld. „Wenn du hier vermodern willst, dann bitte. Ich bin die letzte, die dich daran hindert. Aber ich habe schon schlimmeres als Sägegras erlebt und deshalb gehe ich jetzt da durch!"

Mit diesem Worten bahnte ich mir vorsichtig meinen Weg durch das Sägegras. Das Wasser ging mir zwar hier nur noch bis zu den Knien, doch dieser Junge hatte recht gehabt: Das Gras schnitt dir die Haut auf und es brannte entsetzlich. Mit zusammengekniffenen Zähnen ging ich weiter und kam schließlich auf der anderen Seite wieder heraus. Es waren etwa sieben Meter durch das Schilf gewesen und die hatte ich überlebt. Auch wenn ich jetzt von Kratzer, Schnittwunden und anderweitigen Verletzungen nur so übersäht war. 

„Ich bin draußen!", schrie ich in Richtung des Sees. Als Antwort erhielt ich ein: „Du Lebst noch? Das freut mich aber!"

Ich verkniff mir ein schadenfrohes Lachen und rief: „Tschüss! Viel Spaß beim Seepferdchen!"

Im nächsten Moment sah ich hin aus dem Schilf kommen. Auch er hatte einiges einstecken müssen, doch er lebte noch. „Du brauchst garnicht so enttäuscht aussehen, ich lebe auch noch."

„Ja, leider!", murmelte ich nur, während ich schweigend loslief und dann feststellte, dass ich in einer ganz anderen Umgebung war, als noch vor einer halben Stunde. Abrupt drehte ich mich um und lief zurück. Ohne ein Wort der Erklärung baute ich mich vor ihm auf, ignorierte den Größenunterschied, und sagte entschlossen: „Du bringst mich jetzt dahin zurück, von wo aus wie diese irre und absolut katastrophale Verfolgungsjagd gestartet haben!"

Er machte verwirrt einen Schritt zurück. „Warum das denn?"

„Weil du in gewisser Weise Schuld daran bist, dass ich keine Ahnung habe wo ich bin?"

„Wieso? Du bist mir hinterher gelaufen, obwohl du auch einfach dort hättest bleiben können, wo du warst."

„Nee, sowas kann ich nicht." Ich rümpfte die Nase und es huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht. „Dann bring ich dich dahin zurück wo du hinwillst, und dann verschwinde ich."

Ich nickte zufrieden. Tropfnass machte wir uns auf den Weg zurück.

Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt