Chapter 16

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Am nächsten Morgen wachte ich ausgeschlafen und ausgesprochen gut gelaunt auf. Gestern war wirklich der beste Tag meines Lebens gewesen. Ich trug die kleine Kette mit dem Medaillon um den Hals und das glatte Silber fühlte sich angenehm auf meiner kalten Hautan. Als ich damit herum spielte, erinnerte ich mich daran, das ich Jago etwas fragen wollte. Vor seiner Tür blieb ich jedoch stehen. Nein, heute würde ich ihn mal ausschlafen lassen. 

Ungeduldig wartete ich in der Küche, wo ich mir als allererstes ein Wassereis stibitzte, dann ging ich ins Wohnzimmer, die kleine, aber sehr gemütliche Bibliothek und schließlich landete ich wieder in der Küche. 

Eine Weile sah ich den Zeigern der Uhr bei ihren Rundwegen zu, dann stand ich auf und ging in den Garten. Als ich mich auf die Couch fallen ließ, spürte ich etwas merkwürdiges. Jemand beobachtete mich. Das selbe Gefühl hatte ich auch gestern Abend gespürt, als ich am Fenster meines Zimmer gestanden hatte. 

Komisch...!

Ich strengte all meine Sinne an, dann sprang ich auf. Meine Sinne waren nicht mehr da. Ich hörte nicht mehr wie ein Tiger, ich sah nicht mehr wie ein Tiger.

„Heiliger Blitz aus heiterem Himmel!", keuchte ich entsetzt. Panisch rannte ich zurück zum Haus, stürmte in Jago's Zimmer und schleuderte ihm eine Ladung Schnee ins Gesicht. 

„Alaska! Bist du irre?", fuhr er mich an, doch ich ignorierte sein Gemeckere und begann, hektisch zu reden. 

„Ich weiß nicht ob dass bei dir auch mal so war, aber irgendwie hab ich seit gestern Abend das Gefühl, das mich jemand beobachtet. gerade eben war es wieder so und als ich lauschen wollte, habe ich nicht gehört! Also klar, ich hab schon was gehört, aber nicht so wie sonst, sondern wie... ein Mensch und-"

„Halt mal die Luft an!", unterbrach Jago meinen Redeschwall. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und schien nachzudenken. „Du meinst, du fühlst dich beobachtet und... wie ein Mensch?"

„Naja, nicht direkt wie ein Mensch.", erwiderte ich schnell. „Aber ich habe nicht mehr so gesehen und gehört wie vorher."

Wie schwiegen und jeder hing seinen Gedanken nach, bis Jago plötzlich etwas einzufallen schien. „Hey, ich glaube, so etwas war gestern Abend auch bei mir..."

Ich schaute auf. "Ja?"

„Ja. Ich habe mich beobachtet gefühlt." Er fuhr sich durch die dunklen Haare. Stöhnend ließ ich mich auf sein Bett fallen und versuchte, diese Hitze so gut es ging zu ignorieren. „Was sollen wir tun?", fragte ich ihn ratlos. „Ich habe absolut keine Ahnung. Wir wissen ja noch nicht mal, ob wir uns das nicht eingebildet haben." 

Jago nickte langsam, als würde er gerade über eine wichtige Sache nachdenken. Dann warf er sich ohne Vorwarnung zu mir aufs Bett und begann, mich durch zu kitzeln.

  „Jago...", japste ich, zu mehr war ich nicht in der Lage. 

„Was ist? Gibt das jemand einfach so kampflos auf?" Ärgerte er mich. Im nächsten Moment landeten ihr zusammen auf dem Boden. 

„Autsch!", fluchte ich. Jago sah mich an und zog die Hand weg, die ich mir vor die Nase hielt. „Du blutest.", stellte er fest. 

„Ach nee, weißt du? Das habe ich noch nicht bemerkt!", fuhr ich ihn an.

Jago zog mich hoch und scheuchte mich in die Küche, wo er mir ein Handtuch in die Hand drückte und mich auf einen Stuhl schubste. 

„Beeil dich! Wenn Fiona das sieht, flippt sie aus!", zischte er, während er zur Tür hinaus späte. Doch so viel Glück hatten wir leider nicht. Kurze Zeit später kam sie aus dem kleinen Zimmer hinter der Küche. Einer Art Vorratskammer. „Wieso hältst du  dir ein Handtuch vor die Nase? Wenn du Schnupfen hast, es gibt auch Taschentücher." Sie zog mir das Handtuch weg und stieß einen kleinen Schrei aus, als sie das Blut sah. Allerdings eher wegen ihrem Handtuch, als wegen mir. „Fea, was hast du nur wieder getan?", fragte sie mich kopfschüttelnd. 

„Ich habe garnicht getan, Jago hat mich auf den Boden geschubst!", meckerte ich. 

Neben mir sah ich Jago triumphierend grinsen. Dieses Grinsen wurde noch breiter, als Fiona sagte: „So etwas tut unser kleiner Bobby doch nicht..."

„Hallo?", empört stemmte ich meine Hände in die Hüften. „Der da ist nicht mehr klein und süß. Und doch, er tut so etwas sehr wohl!"

Da begann Fiona zu lachen und zog mich in ihre Arme. „Nimm doch nicht gleich alles so ernst.", sagte sie in einem mütterlichen Tonfall, der mich sofort zum Lächeln brachte. Sie strich mir eine Strähne meines Haares hinters Ohr und verließ dann die Küche.

Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und sprang im nächsten Moment wieder auf. „Oh mannoman, das hab ich ja voll vergessen!"

Schnell wusch ich mir das Blut von der Nase und den Händen, andernfalls währe ich noch immer wie ein Mörder aus. Dann drehte ich mich zu Jago um, der immer noch breit grinsend dastand. 

„Was ist denn bitte so lustig?", fragte ich ihn spitz. Meine Laune war etwas gesunken und ich hatte keine Lust auf gar nichts. Irgendwie nervte mich gerade alles.

„Ich hab's dir ja gesagt, Fea...", erwiderte er mit einem schelmischen Glitzern in den Augen. 

„Nee... nee... einfach nee!" Ich ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher einschaltete und mir die Nachrichten ansah. Ich war gerne informiert über das, was da draußen in der Welt geschah. Außerdem konnte ich so auch etwas anderes als das Haus und den Garten der Youngs sehen. Nicht das es mir hier nicht gefiel, doch ich wollte neues sehen. Die Welt bereisen. Kulturen und Menschen kennenlernen. Außergewöhnliches Essen probieren. All das war jedoch unmöglich, solange Mutanten Objekte waren. Ohne Rechte und ohne ein normales Leben. 

Nachdenklich sah ich aus dem großen Panoramafenster auf den Teich. Der Moderator erzählte gerade etwas vom Wetter der nächsten Tage und begrüßte eine neue Moderatorin, die nun über die Verkehrslage informieren sollte. Ich hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu, denn meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Ich dachte an Dinge, die ich am liebsten vergessen und ungeschehen machen wollte. 

Nachdem ich mich selbst mehrfach verflucht hatte, schaltete ich auf eine Kinderserie, in der es um Rose Plüscheinhörner ging, die mich meine Sorgen für zehn Minuten vergessen ließen.

Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt