Ich wurde von einem Donner geweckt. Der Regen trommelte auf das Dach des Jägerturms und ich sprang auf. Schnell packte ich die letzten beiden Äpfel und die kleine Wasserflasche in die Bauchtasche des großen Kapuzenpulli's und kletterte die Leiter herunter. Das Moos war glitschig und ich musste löschen aufpassen, nicht abzurutschen. Etwas anderthalb Meter über dem Boden knackste etwas. Mit einem erschrockenen Schrei stützte ich in das hohe Gras. Die Sprosse, auf der ich gestanden hatte, war gebrochen. Ich hatte ziemlich Glück gehabt.
Ich rappelte mich wieder auf und lief los. Zwischen den Feldern hindurch in Richtung der Stadt. Bei diesem Wetter ging garantiert niemand vor die Tür, deshalb konnte ich mich vielleicht irgendwo unterstellen.
Es blitzte. Der Blitz schlug in den Jägerturm ein und dieser begann zu brennen. Der starke Regen verhinderte zwar schlimmere Schäden, doch trotzdem war ich froh, mich nicht mehr dort drinnen zu befinden.
Der Regen peitschte mir ins Gesicht, während ich inzwischen neben der Straße auf die Stadt zu lief. Ich konnte etwa drei Meter weit sehen, dann wurde alles unscharf. Das war nicht gut, denn die Autos erkannte ich nur an den hellen Lichtpunkten, die sich rasend schnell auf mich zubewegten. Da ich dunkle Klamotten trug, war ich quasi unsichtbar und ich wusste, dass das hier ziemlich gefährlich war.
Ich stöhnte erleichtert auf, als ich die ersten Häuser sah, obwohl ich mich hier alles andere als wohl fühlte. Flink schlängelte ich mich durch ein paar Gassen und fand schließlich einen Unterstand, in dem man normalerweise Holz aufschichtete.
Seufzend ließ ich mich auf den Boden fallen und fluchte dann: „Ach scheiße!"
(Entschuldigung für dieses und die folgenden Schimpfwörter, das musste jetzt mal sein ; )!)
Knurrend schüttelte ich meine Hand, denn ich hatte mich auf einem Holzsplitter abgestützt, der mir nun auf schmerzhafte weise mehrere Splitter zugefügt hatte. Ich zog mir den ersten mit den Zähnen heraus und jaulte dann auf.
Es tat höllisch weh!
„Verdammter, verfluchter, verhexter... Mist!" Ich zog mir noch die die vier anderen Splitter raus und wisch meine Hand dann mit Hilfe des Wassers in der Regentonne. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Doch wieder einmal wurde mir bewusst, wie gefährlich das Leben auf der Straße war. Wenn man ein Dach über dem Kopf hatte, das löchrige Dach eines Bretterverschlags ausgeschlossen, konnte man sich kaum vorstellen, wie es war, wenn eine kleine Wunde zur Gefahr werden konnte. Eigentlich war es ganz einfach: Man hatte kein Desinfektionsmittel und kein Pflaster, es gelangte Dreck in die Wunde und sie entzündet sich.
Mies gelaufen! Aber Wasser war besser als nichts, also war ich auf einmal doch ganz froh, dass es regnete!
Nach ungefähr vier Stunden, irgendwann verliert man das Zeitgefühl, denn es fühlte sich mehr wie eine ganze Ewigkeit an, hörte es auf zu regnen und die Sonne kam zum Vorschein. Wie ein kleines scheues Rehkitz schob sie sich langsam hinter einer Wolke hervor, so als wollte sie fragen, ob es okay sei, dass sie den Regen vertrieben hatte. Ich stand auf und huschte durch die Gassen, immer darauf bedacht, dass mich niemand sah. Ich war so damit beschäftigt nicht gesehen zu werden, dass ich nicht bemerkte, dass ich in die falsche Richtung lief.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Ich war hin und her gerissen. Einerseits wollte ich so schnell wie möglich aus der Stadt raus und von den Menschen weg, andererseits hatte ich keine Lust, den ganzen langen Weg zurück zu laufen, unter anderem, weil man schon ziemlich Lebensmüde sein musste, wenn man die Jägerhütte betrat. Und auch wenn mein Leben ziemlich mies war, hatte ich nicht vor, bereits mit 17 Jahren an meiner eigenen Dummheit zu sterben. Das würde vermutlich eh passieren, von daher genoss ich mein Leben, soweit das möglich war, und brachte mich nicht unnötig in Gefahr.
(-räusper-räusper-)
Da erst fiel mir auf, dass ich mich in einem ziemlich Luxuriösen Stadtviertel befand. Die riesigen, fasst immer weißen, Villen waren von Park ähnlichen Garten und hohen Hecken, oder Zäunen in Gold oder Silbern, umgeben, in denen ich meistens noch Sees oder Springbrunnen oder etwas dieser Art erkennen konnte.
Mein Blick fiel auf ein vielleicht vierzehn jähriges Mädchen. Ihre blonden Locken und die meerblauen Augen ließen sie wie einen kleinen Engel erscheinen, doch dann stutzte ich. Auf einmal waren ihre Haare blau.
Wie ging das denn?
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Mädchen war ein Mutant. Und sie lebte bei den Leuten, denen diese Villa gehörte. Im nächsten Moment schrie eine Frauenstimme: „474! Was soll der Staubsauger im Flur?"
Das Mädchen zuckte zusammen. Sie änderte ihr Aussehen erneut, diesmal aber wohl eher vor Schreck, und hatte nun Blattgrüne Haare, dunkelbraune Augen und braun gebrannte Haut.
Irgendwie fand ich es lustig, doch dann fiel mir ein, dass es für sie vermutlich alles andere als lustig war. Sie war noch so jung. In ihrem Alter war ich zusammen mit Jago aus dem Labor ausgebrochen. Beim Gedanken an Jago kam mir eine Idee: Vielleicht war er ja auch hier!
Okay, dass wäre ein ziemlicher Zufall. Einfach viel zu schön, um wahr zu sein! Aber wie hieß es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die Haustür fiel hinter dem Mädchen ins Schloss, ich sah nur noch, wie sie auf einmal lilafarbene Haare und schmutzige Arbeitsklamotten trug. Sie tat mir leid, vielleicht würde ich ja mal mit ihr sprechen können, denn ich würde gerne ihren richtigen Namen erfahren. Sie für immer 474 zu nennen kam für mich nicht in Frage. Immerhin hasste ich es auch, wenn man mich nicht in Frage, immerhin wollte ich ja auch nicht 394 genannt werden.
Es begann langsam zu dämmern. Ich hatte mich ein wenig in diesem Viertel umgesehen und festgestellt, dass es hier ziemlich fiele Mutanten gab. Eigentlich war das ja kein Wunder, immerhin wurden wir wie Ware an reiche Heinis verkauft, denen wir dann mehr oder weniger als Sklaven dienen mussten.
Ich gähnte einmal herzhaft und überlegte, wo ich heute Nacht schlafen konnte. Mein Blick fiel auf einen Pavillon in einem der Gärten und ich überlegte nicht lange.
Da kam sie wieder zum Vorschein: Meine Dummheit!
Ohne zu zögern sprang ich hoch und landete geschickt auf dem etwa zwei Meter hohen Zaun, der die zusätzliche Hecke umgab. Wie eine Katze landete ich lautlos und elegant auf der anderen Seite und schlich mich im Schutz der Dunkelheit rüber zu dem Pavillon. Dort standen ein Sofa und zwei Sessel und ich musste Grinsen.
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Alaska︱✓
Science Fiction[SciFi-Roman, beendet ✓] „Der Feind deines Feindes ist noch lange nicht dein Freund, merk dir das!" Laut Kepler22b sollten Mutanten die neue Zukunft bedeuten. Bei der genetischen Veränderung der Kinder, unterlief den Wissenschaftlern jedoch ein Feh...