Chapter 39

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Es war stockduster. Da es keine Fenster gab, gab es keine Lichtquelle. Trotzdem konnte ich hier relativ gut sehen. Schemenhaft erkannte ich die Umrisse der Liegen, Rollwägen, Regalen, Arius Röhre und Arius selbst. Er schien zu schlafen, zumindest lag er auf dem Boden und atmete regelmäßig. Eigentlich sollte ich das auch tun, doch Brown war nicht zu trauen. Zu keiner Zeit. Es reichte schon, dass er Foltermetoden anwandte, um zu zeigen, wie skrupellos er war. Wenn ich jetzt einschlief, würde ich es ihm durchaus zutrauen, das er sich heimlich an mich heranschlich und seine Experimente zu machen während ich schlief. Doch so sehr ich auch dagegen ankämpfte, ich konnte wirklich nicht mehr lange wachbleiben. Mein Kopf fühlte sich schwer an und meine Augen fielen immer wieder zu. Schließlich glitt ich in einen leichten Halbschlaf, den ich jedoch nicht als erholsam bezeichnen würde. Ich bekam alles mit, was um mich herum geschah, und das war vermutlich auch besser so. Nach ein paar Stunden wurde ich von einem Scheppern geweckt. Jemand fluchte leise und ich entzieht mich alarmiert auf. 

„Wer ist da?", fragte ich. Als Antwort erhielt ich ein „Schhhhh..."

Eine Stimme flüsterte: „Seid ihr Dreihundertsiebenundneunzig und Dreihundertvierundzwanzig?"

Ich musste nicht, was ich davon halten sollte. Arius richtete sich gerade auf, anscheinend war auch er von dem Scheppern aufgewacht, und antwortete nun: „Wer will das wissen?"

„Wenn ihr es seid, dann werden wir euch jetzt befreien!" Der Eigentümer der Stimme blieb im dunkeln verborgen. Ich wusste nicht, wie viele hier waren, ob es Menschen oder Mutanten waren und ob sie uns nicht gerade hereinlegen wollten. 

„Wieso wollt ihr das tun?" Ich stand auf. „Wisst ihr, wir sind zum zweiten mal in unserem Leben in einem Labor eingesperrt und da fällt es einem schwer anderen einfach so zu vertrauen!"

„Ich weiß! Aber Johnson schickt uns. Sie hat uns die Codes für eure Zellen gegeben und gemeint, wir sollen schnell mit euch verschwinden." Die Stimme klang ungeduldig und nervös. 

„Johnson? Franziska Johnson? Sie arbeitet mit Doktor Brown zusammen, da wird sie doch wohl kaum wollen, dass und jemand befreit!" Arius verschränkte die Arme. Die ganze Sache war wirklich verwirrend. Johnson, ein Mensch, arbeitete mit Doktor Brown, ebenfalls einem Menschen, zusammen und sie erforschen Mutanten. Doch dann schickt Johnson weitere Mutanten, um die zwei Gefangenen zu befreien. Das ergab doch keinen Sinn!

„Naja, zusammen arbeiten kann man das nicht wirklich nennen. Sie tut zwar so, doch sie manipuliert die Ergebnisse des Doktors, sobald er ein Serum fast fertiggestellt hat, so raffiniert, dass er es nicht mitbekommt, sie aber sicher sein kann, das den Mutanten nicht noch einmal ein Serum gespritzt wird." Die Stimme wurde drängender. 

„Aber... Johnson ist doch-", setzte ich an, wurde aber unterbrochen: „Nein, Johnson ist kein Mensch, sie ist Mutant Nummer Einhundertzwei. Sei dem Ausbruch sucht sie sich Arbeit bei Wissenschaftlern, die hinter dem Rücken der Regierung weiter forschen und experimentieren."

„Moment..." Ich brauchte einen Moment, um diese neuen Informationen zu verdauen. „Johnson ist ein Mutant, sie hat die Ergebnisse des Doktors schon die ganze Zeit manipuliert und ihm was vorgespielt, von wegen sie wäre eine menschliche Mutantenhasserin, und jetzt hintergeht sie ihn, indem sie euch aufträgt, uns zu befreien?!"

„Richtig..." 

„Na, worauf wartet ihr dann noch?"

Zwei der Mutanten kamen auf uns zu. Das groß gewachsene Mädchen trug ihre rostroten Locken offen und ihr Gesicht wurde von einer schmalen weißen Narbe geziert, die knapp unter dem linken Augen begann und etwa drei Zentimeter darunter aufhörte. Sie hatte einen neutralen Gesichtsausdruck aufgelegt, sodass man nicht erkennen konnte, ob sie es gut fand, das sie uns befreiten, oder das sie eher dagegen war. Sie tippte ein paar Zahlen in das winzige Tastenfeld ein und die Tür sprang mit einem leisen 'Klick' auf. 

"Danke!" Ich nickte ihr knapp zu, sie erwiderte das Nicken und ich sah rüber zu Arius, der gerade ebenfalls aus seiner Zelle stieg. 

"Und jetzt seid leise! Wenn Brown uns bemerkt sind wir Tod!" Die Stimme, die gerade auch schon gesprochen hatte und offensichtlich der Anführer der Gruppe war, trat aus der Dunkelheit. Es war einer dieser Trommelwirbelmomente, in denen man felsenfest davon überzeugt ist, zu wissen, was gleich passieren würde, es dann aber überraschender weise ganz anders kam. 

Der Anführer war nicht, wie ich eigentlich erwartet hatte, ein Junge, sondern ein groß gewachsenes, schlankes Mädchen, das aussah, als wäre sie aus einem Märchen davon gelaufen. Die sandfarbeben Haare passten perfekt zu ihren braungrünen Augen, ihre Haut war leicht gebräunt und ebenmäßig und sie bewegte sie lautlos und so grazil, dass es aussah, als hätte sie dies jahrelang geübt. Die vier anderen stellten sich hinter sie. Ich schätzte das Mädchen auf etwa 20 Jahre, doch genau konnte ich es nicht sagen.

"Wir haben einen Plan. Und an den werdet ihr euch halten, solange ihr nicht wollt, dass der Doktor euch umbringt oder wir euch doch hier lassen!" Sie sah uns nacheinander in die Augen. Ich hasste es, wenn mir jemand sagte, was ich zu tun uns zu lassen hatte, weshalb mir auch schon eine freche Antwort auf der Zunge lang, die ich jedoch schnell runterschluckte, da ich hier wirklich gerne raus wollte.

"Cara? Mio? Seid ihr soweit?" Das Mädchen drehte sich zu dem Mädchen, welches mich befreit hatte, und einem Jungen um. Die beiden nickten und schlichen lautlos in Richtung Tür. Diese öffneten sie und verschwanden im Gang. "Finn?" Ein weiterer Junge löste sich aus der Gruppe und verschwand ebenfalls. Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch und schaute zu Arius, der das ganze ebenso wenig zu verstehen schien wie ich. "Traust du denen?", flüsterte ich leise. Arius schüttelte den Kopf und zischte ein "Eher nicht..." zurück. Das Mädchen fuhr zu uns herum. Ihre Augen waren verengt. "Glaubt ihr, wir trauen euch?"

Ich war kurz davor einen Schritt zurück zu machen. Wie hatte sie uns hören können, sie stand vier Meter von uns entfernt, und Arius und ich hatten schon Probleme gehabt uns zu verstehen, obwohl wir nicht weiter als einen halben Meter auseinander standen.  

"Ach übrigens...", wie beiläufig drehte sie sich erneut zu uns um, "wir haben so zwei Freunden von euch bescheid gesagt, dass sie schleunigst hier her kommen sollen!"

Ich verengte die Augenbrauen. "Freunde?"

"Ein dunkelhaariger Junge und ein dunkelhaariges Mädchen? Sie geben sich als Geschwister aus?" Scheinbar genervt drehte sie sich wieder zur Tür. Sie schien auf etwas zu warten, während die mir und Arius gleichzeitig der Groschen fiel. 

"Jago und Hope?", fragte ich hoffnungsvoll. Sie reagierte nicht, sondern schien zu lauschen. Dann erstarrte sie und sie wurde schlagartig kreidebleich. "Der Doktor ist hier!", flüsterte sie angsterfüllt. 

Im selben Moment trat er in den Raum, mit einem siegessicheren Lächeln auf dem Lippen, das mir einen Schauer über den Rücken trieb.

Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt