Chapter 12

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Nachdem Herbst, der dieses Jahr doch ungewöhnlich spät gekommen war, kam der Winter  Und wie er kam. Es lagen mindestens vierzig Zentimeter Schnee und es wollte einfach nicht aufhören. In dicken Flocken fiel er von dem strahlend blauen Himmel und die blassgelbe Wintersonne ließ den weißen Schnee glitzern und funkeln. 

Während Jago meisten eher mäßig gut gelaunt war, war ich so fröhlich wie schon lange nicht mehr. Pfeifend sprang ich die Treppe nach unten und ignorierte seine entsetzten Blick, als ich die Terrassentür öffnete und barfuß in den Schnee sprang. Wie ein kleines Kind rannte ich los, warf den Schnee hoch in die Abluft und ließ ihn auf mich herunter fallen, rollte mich darin herum und vergaß für diesen Augenblick alle meine Sorgen und Ängste. Ich dachte weder  an die Regierung noch an Kepler22. Ich dachte nicht daran, das jeden Tag Leute vor unserer Tür stehen  konnten, die Fiona und Marcus mitnahmen. 

Ich war einfach glücklich! 

Als ich klatschnass zurück ins Wohnzimmer kam, rückte Jago so weit von mir weg, wie es nur möglich war. Er saß, in mehrere Decken gehüllt, vor dem prasselnden Kaminfeuer und trank einen noch dampfenden, und bestimmt brühend heißen, Kakao.

„Wieso bist du nicht erfroren?", bibberte er, als ich die Tür wieder schloss. 

„Du weißt doch, mir wird nicht kalt." Ich grinste. Mir war bewusst, das normale Menschen, oder Mutanten, die lieber Hitze als Kälte mochten, bei diesem Wetter eher nicht im T-Shirt, kurzer Hose und barfuß im Schnee herum tollten. Doch es war nun mal einfach ein Teil von mir.

Fiona kam herein und blieb wie erstarrte stehen, als sie mich sah. Dann schüttelte sie den Kopf und ging in die Küche, wo sie sich eine Tee kochte und wieder nach oben in ihre Arbeitszimmer verschwand. Ich ging ebenfalls hoch und zog mir etwas trockenes an. Aus Jago's Zimmer hörte ich Musik. 

Mir war langweilig. Stöhnend ging ich in das große Zimmer. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, schoss ich ein paar Eisstrahlen ab. Dann ließ ich es schneien und bildete auf dem Boden eine Spiegelglatte Eisfläche. Begeistert schlitterte ich darauf herum, flog zwar ein paar mal hin aber ich verletzte mich nicht. Wenn Jago jetzt hier rein kommen würde, würde er garantiert an einem Kälteschock sterben. Ich wollte nicht wissen, bei welchen Temperaturen sein Zimmer gerade lag. Ich würde zu einer Pfütze werden, die einfach verdampfen würde. 

Irgendjemand klopfte. „Moment!", rief ich. Schnell regulierte ich die Temperatur wieder und öffnete dann die Tür. Draußen stand Jago. „Hast du Lust zu kämpfen?" Er grinste mich herausfordernd an. 

„Denkst du, du hast eine Chance gegen mich?" Ich lachte. Wir hatten in letzter Zeit oft gekämpft, mal mit, und mal ohne unsere Fähigkeiten. 

„Mit oder ohne?"

„Mit!"

Wir stellten uns auf. Ich wartete. Jago wartete. Wir starrten uns an. Keiner sagte ein Wort. Dann schoss ich eine Schneekugel auf ihn ab, der er jedoch noch ausweichen konnte. Seine kleine Flamme traf mich jedoch. Ich zischte. Katzenartig sprang dann auf ihn zu, schlitterte wischen seinen Beinen hindurch und eher er sich umdrehen konnte, hatte ich ihm  mit einem „Surprise!" die Beine weggezogen. 

„Hey, das war unfair!", beschwerte Jago sich. 

„Garnicht!" Ich lachte. 

„Oh doch!" Er rappelte sich wieder auf und im nächsten Moment war ich es, die auf dem Boden lag. 

Das war unfair!" Ich verschränkte die Arme. Jago zog eine Grimasse und so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nicht ernst bleiben. 

„Du schaust aus, als hättest du gerade auf eine Zitrone gebissen...", japste ich, als ich wieder sprechen konnte. Da rief Fiona von unten: „Essen ist fertig."

Auf meinem Gesicht machte sich ein schelmisches Grinsen breit. „Wer als erstes unten ist hat gewonnen!", schrie ich. Im nächsten Moment polterten wir die Treppe nach unten und Marcus blickte uns verwundert entgegen. „Da ist aber gute Laune im Anmarsch.", bemerkte er.

„Jago hat verloren, Jago hat verloren...", sang ich. Jago streckte mir die Zunge raus und setzte sich auf seinen Platz. „Das war nicht fair. Wenn du Eis auf den Boden machst und ich deswegen hinfliege, war das schummeln!"

Ich kicherte nur. Den bösen Blick, den er mir noch zuwarf, ignorierte ich und begann zu essen. Während die Teller der anderen dampften, war meiner Suppe eisgekühlt. 

Plötzlich klingelte es an der Tür. Fiona stand auf und öffnete. Es war der Postbote. Zum Glück konnte man von der Haustür aus nicht ins Esszimmer schauen, sonst hätten wir jetzt ein Problem gehabt. 

„357, bring das Paket nach oben. Aber ein bisschen plötzlich!", schrie Fiona. Ich grinste. Jago stand auf und ging in den Flur. Kurze Zeit später saßen wir alle wieder am Tisch und Fiona entschuldigte sich bei Jago. Das tat sie immer, wenn sie uns bei unseren Nummern genannt hatte, um das Image der Mutanten-Feinde zu bewahren.

Jago winkte ab. Er wusste ja, dass Fiona es nicht getan hatte, weil sie ihn auf einmal nicht mehr mochte. 

Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster. Dicke Schneeflocken fielen von Himmel. Es wirkte wie auf einer Winterlandschaft Postkarte. Ein trauriges Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich glaubte nicht mehr daran, das wir jemals akzeptiert werden würden. Kepler22 hatte den Menschen zu viele Lügen über uns erzählt, die Menschen hatten unglaubliche Angst vor uns und auch, wenn Jago und ich zurzeit ein ziemlich schönes Leben führten, wusste ich, dass wir irgendwann auffliegen würden.

Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt