Chapter 35 - Special

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„Jago!" Marcus Stimme erklang irgendwo hinter mir. Suchend drehte ich mich um und entdeckte seine schwarzen Haare schließlich hinter dem Auto. Wir hatten den kleinen Wagen einem verdutzten Wärter abgenommen, als dieser nach Hause fahren wollte. Gerade standen wir auf dem Parkplatz einer großen Einkaufszentrums, in dem wir ordentliche Klamotten für Markus, Hope und mich gekauft hatten. Man konnte sagen, dass wir jetzt wie eine durch und durch normale Familie aussahen. Niemandem würde etwas auffallen.

Hoffentlich!

Vor zwei Tagen waren wir aus dem Gefängnis ausgebrochen, beziehungsweise wir hatten Marcus geholfen auszubrechen, und waren seit gestern in Old Reslin. Marcus hatte schnell herausfinden können wo sich die Arena befand, sodass wir nun auf dem Weg nach Saka Thana waren. Savantra hatten wir noch vorgestern erreicht, waren aber erst gestern weitergefahren. Wenn wir Glück hatten, könnten wir heute noch in Dantomir ankommen. Ein alter Studienfreund und ehemaliger Arbeitskollege von Marcus wohnte dort, der sofort zugesagt hatte, nachdem Marcus ihm per Telefon erklärt hatte, dass er mit seinem Neffen und seiner kleinen Nichte das Wochenende verbringen wollte, doch da Fiona sich genau an dem selben Wochenende einen schönen Abend mit ihren Freundinnen machen wollte, suchte er nun nach einer Unterkunft. 

„Können wir endlich weiterfahren?" Hope's Stimme ertönte aus dem Auto. 

„Ja... klar..." Marcus hatte sich inzwischen an ihre direkte Art gewöhnt, musste aber immer mal wieder schmunzeln. Ich öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Marcus drehte den Zündschlüssel herum und wir fuhren in Richtung Autobahn. Ich schaltete das Radio ein und eine weile hörten wir schweigend dem Moderator zu, der das Wetter der nächsten Tage und anschließen den Verkehr ankündigte. Als es hieß, dass uns ein halbstündiger Stau bevorstand, stöhnten wir gleichzeitig auf.

„Das ist doch unfair!" Hope brach sich einen Riegel der Schokolade ab, die wir gerade eben auch noch gekauft hatten, und schon ihn sich in den Mund. Schmatzend sprach sie weiter: „Wir müssen Alaska doch helfen. Ich mein, wenn sie vor und da ist... glaubt ehrlich, sie würde warten bis wir auch da sind?"

Nein, das glaubte ich nicht! Und deswegen mussten wir auch so schnell wie möglich zur Arena. 

„Ich glaube nicht dass sie schon da ist", warf Marcus ein, „denn sie ist zu Fuß unterwegs. Ihr habt gesagt ihr wart in Crovinia als ihr euch getrennt habt? Sie braucht mindestens vier, wenn nicht sogar fünf Tage."

„Stimmt..." Ich überlegte. Dann müsste sie eigentlich morgen ankommen. Allerdings würde ich ihr auch zutrauen, dass sie Tag und Nacht durchgerannt ist. Dann wäre sie jetzt schon da!"

Marcus lachte. „Ja, dass würde zu ihr passen. Aber selbst Mutanten brauchen irgendwann mal schlaf!"

„Gib mir mal die Schokolade...", ich drehte mich nach hinten. Hope gab mir das gewünschte und ich brach Marcus und mir jeweils einen Riegel ab. Dann gab ich ihr die Packung zurück. Das Lied, welches gerade im Radio gesendet wurde, war zu Ende und der Moderator sagte: „Noch eine kurze Zwischenmeldung: Aus dem Maingefängnis in Kuvin Sin ist einer der Gefangenen geflohen. Sträfling 739, namentlich Marcus Young, wurde am achten Januar von einem etwa dreizehn jährigen Mädchen und einem etwa  achtzehn jährigen Jungen zur Flucht verholfen. Die beiden gaben sich als Verwandte des Gefangenen aus. Wenn Sie Hinweise haben, geben sie diese bitte an die Polizei weiter."

Ein paar Sekunden herrschte Stille. Dann redeten wir alle auf einmal los. 

„Das darf doch nicht wahr sein! Aber irgendwie war es auch vorauszusehen..."

„Oh nee, jetzt müssen wir uns schon wieder verstecken! Ich habe es langsam satt! Klar, dass das in die Nachrichten gebracht wird, aber..."

„Ich habe mich schon gewundert, wieso noch nichts gemeldet wurde. Aber jetzt ist das natürlich wirklich ungünstig..."

Die Rest der fünfstündigen Autofahrt redeten wir nicht weiter darüber. Wir beschlossen lediglich, dass wir und nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen sollten und dass wir Marcus Freund erzählen würden, dass es sich um eine Verwechslung handelte. Marcus versicherte uns, dass dieser Freund, der, wie wir inzwischen wussten, Phillip Anderson hieß, ziemlich entspannt war und Marcus blind vertraute. Sollte es doch Probleme geben, würden wir schon eine Lösung finden.

Ich wusste, dass es an Marcus Gewissen nagte, Phillip anzulügen und ihn in Gefahr zu bringen, doch als Hope und ich ihm vorgeschlagen hatten aus diesem Grund woanders hinzufahren, hatte er abgewunken. 

„Nochmal kurz die Regeln..." Marcus setzte den Blinker und wir fuhren die Autobahn runter in Richtung Innenstadt. „Ihr seid höflich! Ich denke zwar, dass Phil kein Problem mit schmatzenden Kindern hat, aber da wir bei ihm übernachten dürfen und wir in anlügen und in Gefahr bringen, ist das das mindeste, was wir tun können!" Dabei warf er Hope einen Blick zu, den sie mit einem Augenrollen quittierte. 

„Außerdem erzählt ihr am besten nichts „privates" über euch, sonst verplappert ihr euch am Ende noch. Phil hat einen einen spanischen Wasserhund, der Zeit Chico, sieht süß aus, ist aber ein kleiner Teufel. Er liebt es, sich in allem was sich schnell bewegt zu verbeißen, aber Phil liebt ihn über alles, deshalb seid so lieb und beschwert euch nicht über ihn." Eine rote Ampel verhinderte die weiterfahrt. Marcus drehte sich mit ernstem Gesichtsausdruck zu uns um. „Und etwas ganz wichtiges: Auf der Fensterbank im Wohnzimmer steht ein Bild. Zumindest stand es die letzten male immer da. Darauf ist seine Tochter zu sehen, als sie etwa fünf Jahre alt war. Sprecht ihn nicht drauf an!"

Hope und ich sahen uns ratlos an. „Er hat eine Tochter?"

„Nein, hatte!" Marcus seufzte. „Es ist eine traurige Geschichte. Vor acht Jahren heirateten Phil und Olivia. Ein Jahr später kam Isaly auf die Welt, bei der Geburt starb Liv. Phil hat damals seine Arbeit gekündigt und sich selbstständig gemacht, um sich ganz um seine kleine Tochter kümmern zu können. Er hat sie geliebt wie nichts anderes auf der Welt, doch fünf Jahre später ist Isaly einfach nicht mehr aufgewacht. Sie hatte einen Herzfehler..."

Wir schwiegen betroffen. Das tat mir ehrlich leid! Es war immer schrecklich wenn ein Kind starb und ich hasste es, wenn Menschen litten. 

„Es ist ein ganz wunder Punkt von ihm, also ist dieses Thema tabu!" Marcus sah uns streng an und wir nickte gehorsam. Wir fuhren gerade durch eine schmale Straße und hielten schließlich vor einem Wohnblock. Er war riesig. Marcus ging vor zur Haustür und klingelte bei dem Klingelschild, auf dem P. ANDERSON stand. Kurz darauf ertönte der Summer. Wir fuhren mit dem Aufzug in den fünften Stock und als sich die Türen öffneten, standen wir einem grimmig dreinschauendem, groß gewachsenen Mann entgegen. 


Alaska︱✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt