P.o.V.: Aeryn Engel
Mit einem Schauer zog ich meinen Mantel enger um mich und wünschte mir nicht zum ersten Mal meinen Bändiger abnehmen zu können. Der kalte, feuchte Wind riss an meiner Kleidung, ließ meinen Schal hinter mir her tanzen und entriss den Wellen Ihre schaumigen Kronen. Zu meiner Linken verschmolzen das sturmgraue Meer und der Himmel am Horizont fast nahtlos und kündigten weiteren Regen an.
„Warum sind wir noch mal hier und nicht irgendwo, wo es warm und trocken ist?" Fragte ich Mystras der ein paar Meter weiter im Wasser lief. Im Gegensatz zu mir schien ihm die Kälte nichts auszumachen. Im Gegenteil: die Ärmel seiner Jacke tropften, weil er sich immer wieder bückte und Muscheln aus der Brandung sammelte, und er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht seine Hosenbeine hoch zu krempeln.
Ich durchbrach damit das Schweigen, dass uns begleitet hatte seit Kai und Michael sich am Fuß der Treppe, die hier herunter führte, verwandelt hatten.
„Um die frische Luft und das Wetter zu genießen?" Antwortete er mit einem schelmischen Grinsen. „Ausserdem-" Er warf einen Kritischen Blick auf die dunkle Wolkenfront über dem Meer „-brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es wird noch nicht regnen."
Skeptisch beobachtete ich wie er die Muschel, die er eben aufgehoben hatte, hinaus aufs Meer schleuderte. „Aha. Du bist jetzt also auch ein Wetterfisch."
Er lachte nur und sah auf seine Füße wo sich das Wasser gerade zurückzog und größere Steine und Muscheln umher rollen ließ.
Mystras lachte viel seit Alaric zurück war. Zugegebener Massen war sein Leben auch um ein Vielfaches leichter geworden. Er durfte nun das Grundstück verlassen und so oft hier herunterkommen, wie er wollte. Er war am Anfang der Woche zusammen mit Alaric und fast allen meinen Halbbrüdern aus dem Rudelhaus ausgezogen. Fremde Rudelmitglieder hatten die verlassenen Zimmer bezogen und lediglich die Zwillinge hatten Ihre Zimmer behalten. Und wenn ich es richtig mitbekommen hatte, dann hatte Mystras so etwas wie eine beratende Funktion für Alaric, allerdings hatte er noch mehr als genug Freizeit und ich hatte das Gefühl, dass er diese Zeit ausgesprochen gerne dafür benutzte, um mir auf den Keks zu gehen.
Anfangs dachte ich nach dem Auszug von Alaric würde es leichter werden ihm aus dem Weg zu gehen, doch ich hatte meinen Irrtum bald einsehen müssen. Alaric kam oft vor dem Klingeln meines Weckers und wenn die meisten Lichter im Rudelhaus erloschen waren, sah ich ihn manchmal noch im Wohnzimmer über einen Stapel Papier brüten.
Und seine Bemühungen machten sich schnell bemerkbar. Schon bald hatte sich die düstere Atmosphäre aus dem Rudelhaus verzogen. Denn er lausche geduldig jedem noch so kleinem Problem und versuchte mit Richard und den Zwillingen für jeden eine Lösung zu finden.
Es gab keinen Zweifel, dass er von seinem Rudel geschätzt und respektiert wurde und dass er seinen Aufgaben als Anführer mehr als gerecht wurde. Ich konnte nicht umhin ihn dafür zu bewundern.
Es wäre mir wohl unmöglich gewesen ein aufeinander treffen zu vermeiden, wenn Meggie nicht ein Alaric-Radar entwickelt hätte. Sie konnte genau sagen, wo genau er war, wenn er sich in einem gewissen Radius aufhielt. Und zu unserem Glück war der Radarkreis groß genug, um das Rudelhaus und seine direkte umgebung fast vollständig zu erfassen. Und in den wenigen Stunden, in dem sich Alaric nicht in diesem Radius aufhielt – also ein paar Stunden jede Nacht und während der Schulzeit - war sie unruhig und reizbar.
Doch heute Morgen war er nicht zurückgekehrt. Meggies Unruhe legte sich nicht gegen halb sechs wie sonst und auch später nicht. Als wir es schließlich kaum mehr aushielten beschlossen wir hinunterzugehen und die Zwillinge oder irgendeinen der üblichen Truppe auszuhorchen. Doch wir hatten kein Glück. Alexander, der Werwolf, der neuerdings für die Küche zuständig war, erzählte mir das auch er sich nicht erklären konnte warum noch keiner von Ihnen aufgetaucht war.
Ich benutzte meine Hausaufgaben als Vorwand um den ganzen Vormittag am Esstisch zu verbringen und auf die Zwillinge zu warten. Und durch die Aufmerksame Fürsorge Alexanders musste ich nicht fürchten, dass mir die Snacks ausgingen.
Zum Mittag waren schließlich die Zwillinge doch aufgetaucht: gähnend und mit verwuschelten Haaren. Doch bevor ich auch nur eine Kleinigkeit über Alarics verbleib aus den beiden herausbekommen hatte, war Mystras mit der fabulösen Idee hereingeplatzt hier her, an den Strand zu kommen.
Widerwillig war ich mitgekommen. Ich hatte die Zwillinge unauffällig ausquetschen wollen, doch unter Mystras aufmerksamer Nase war das unmöglich. Ich hoffte also auf eine Gelegenheit bei diesem Spaziergang: doch auch von der Idee hatte ich mich verabschieden müssen: kaum hatten unsere Füße den feuchten Sand berühret; hatten die beiden um Erlaubnis gebeten sich verwandeln zu dürfen.
„Ich finde das Meer an solchen Tagen immer noch am allerschönsten." Beendete Mystras meine eigene Antwort darauf, warum ich nicht irgendwo im warmen saß. „Vielleicht nicht unbedingt zum Schwimmen, zumindest nicht so nahe an der Küste, aber sehr wohl, um an Stränden spazieren zu gehen." Er hob eine weitere Muschel auf und musterte sie. „Ausserdem werden Unmengen an Muscheln und leerer Schneckenhäuser angespült." Dann warf er sie in einem weiten Bogen aufs Meer hinaus.
„Und dir scheint es ein besonderes Vergnügen zu sein sie wieder ins Meer zu werfen." Sagte ich, während er eine weitere Muschel aus dem Wasser fischte.
Er grinste mich amüsiert an, bevor er einen Prüfenden Blick auf das Gehäuse in seiner Hand warf. „Das mag dir so erscheinen. Tatsächlich suche ich nach etwas bestimmten. Schau; dass hier –" er drehte ein stacheliges, hellbraunes Schneckenhaus vor mir an dessen langen Ende hin und her. „- dass hier ist eine Meereschnecke, eine Herkuleskeule, um genau zu sein." Er kam nun zu mir, um sie mir näher zu zeigen.
„Und?" fragte ich neugierig als er sie weiter gedankenverloren hin und her drehte.
Er sah auf und lächelte wieder. „Meerschnecken stehen bei uns Meermenschen für Perfektion und Ewigkeit. Sie eignen sich Perfekt dazu, um Magie in ihnen zu speichern. Wenn wir unseren Partner finden, tauschen wir deshalb solche Schnecken als Anhänger aus. Allerdings ist natürlich nicht jedes Schneckenhaus Perfekt, manche Spiralen sind nicht gleichmäßig oder die Farben sind zu verwaschen, außerdem wählen wir nur solche die unbewohnt sind." Er ließ das Schneckenhaus auf seine Handfläche rollen. „Aber die hier ist zum Beispiel nicht unbewohnt, siehst du?"
Einen Moment schien nichts zu passieren, dann streckte ein Einsiedlerkrebs seine Beinchen aus der Muschel und huschte schnell wieder zurück als Mystras die Muschel abermals über seine Handfläche rollen ließ. Mit einer ausholenden Bewegung warf er sie ins Meer zurück.
„Sie werden bei so einem Wetter schnell mal angespült."
Ich schwieg und dachte einen Moment darüber nach. In einiger Entfernung sah ich wie Kai und Michael – nun in Menschengestalt sich mit Algen abwarfen.
„Dann hast du deine... Mate... schon gefunden? Und wäre es nicht schlauer in den Tiefen des Ozeans nach einer solchen Muschel zu suchen?" Ich wusste nicht mehr was Alaric zu diesem Thema gesagt hatte, aber es schien so als ob alle mit Magischen Blut einen vorherbestimmten Partner hatten.
„Gefunden schon, aber noch nicht viel mit ihm zu tun gehabt, um ehrlich zu sein. Trotzdem schadet es ja nicht schon mal etwas passendes zu finden, oder?"
„Moment – Er? Gibt es das bei diesem Mate ding? Ich bin davon ausgegangen, dass es etwas mit der Genetik zu tun hat."
Wieder lachte Mystras. „Naja die Göttin teilt keine Körper einander zu, sondern Essenzen, oder Seelen oder wie du es nennen willst. Ich schätze da ist Genetik ganz gleich. Bei uns gibt es dazu eine Maere. Eine Art Legende, willst du sie hören?"
Ich nickte und lauschte gespannt. Und selbst Meggie die die ganze Zeit irgendwo in meinem Hinterkopf gequengelt hatte, dass wir zurück gehen sollten, falls Alaric doch kam, verstummte, um zuzuhören.
Hallo Liebe Leser,
kaum zu glauben dass ihr immer noch da seid. Ich hoffe ich enttäusche euch nicht und ich kann euch versprechen das dieses und die beiden folgenden Kapitel der auftakt zum Ende sind :)
Ich habe das Kapitel in drei Teile geteilt, es ist unglaublich lang. Das sind in meinem Worddokument neun Seiten mit Schrittgröße zwölf ^^"
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Die Mate des Alphas
WerewolfAeryn Engel zieht nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrem Vater. Was sie nicht weiss ist das dieser der Beta eines Werwolfsrudels ist. Neben den üblichen Probleme eines normalen 17-Jährigen Mädchens, muss sich Aeryn also auch mit ihrem "Mate" und der Wa...