Jim und die anderen kommen aus dem Haus. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht Jim mich an.
,,Na, hat unser kleiner Lennyputz Schiss?" Entnervt stößt Aron ihn in die Seite. ,, Lass ihn in Ruhe, klar!" Dankbar sehe ich ihn an. Er ist der einzige außer Joe von dem Jim sich was sagen lässt. Außerdem habe ich im Moment echt besseres zu tun als mir Jims Sticheleien anzuhören.
Lächelnd klopft Aron mir auf die Schulter und sagt : ,, Alter Jubiläum! Das war deine 10. !" Jetzt kommen auch die anderen zu mir.
,, Geil Mann, das muss gefeiert werden!" Ich stöhne. Ich finde nun wirklich nicht, dass das ein Grund zum feiern ist.
Zum Glück kommt da schon Tom mit dem Ford angefahren. Drinnen ist es zwar ziemlich eng, aber was muss, das muss. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde. Am Anfang haben sie mir immer die Augen verbunden, als wir ins Nest - so nennen wir unser Quartier - gefahren sind. Jetzt bin ich ein vollständiges Mitglied und ich weiß wo das Nest ist. Es liegt ziemlich weit draußen. Eine alte Fabrik in der Nähe vom Benjamin Franklin Hwy. Joe hat das ganze Gelände aufgekauft. Ich habe keine Ahnung woher er das ganze Geld hat.
Alles ist perfekt abgesichert. Nur Joe, Aron und Jim kennen den PIN. Langsam öffnet sich das große Stahltor, das den elektrisch geladenen Drahtzaun unterbricht, der das Fabrikgelände umgibt. Wir fahren noch etwa fünf Minuten auf einem Schotterweg bis wie die Fabrik erreichen. Es gibt drei Haupthallen zwischen denen kurze, schmale Verbindungsgänge sind. In der Mitte ist die kleinste Halle. Die ganzen Maschinen sind abgebaut und es wurden Trennwände aufgestellt. Im vorderen Teil ist der ,,Empfangsbereich", wo die ganzen Fahrzeuge stehen. Dann führt eine Tür in die große Mensa wo lange Tische stehen und hinter der die Küche ist. Wir haben sogar ein richtiges Küchenteam, was ziemlich gut kochen kann. Neben der Mensa sind ein paar Aufenthaltsräume die mit Sofas, Fernsehern, verschiedenen Konsolen und PCs ausgestattet sind. Von den Aufenthaltsräumen führen zwei Gänge in die etwas größere linke Halle. Hier wird gearbeitet. In verschiedenen Räumen wird hier koordiniert, geplant und entschieden.
Hinten in der Halle gibt es einen großen Raum, in dem ein paar Webdesigner sitzen.. Das ist unsere Tarnung. Eine Firma. Ich glaube die Leute, die da Arbeiten wissen nichtmal, dass das Alles hier eigentlich etwas ganz anderes ist. Wenigstens kommt so etwas Kohle rein. Obwohl Joe anscheinend echt schon zu viel davon hat!
Am vorderen Ende der Halle befindet sich das Archiv. Das ist eine Sammlung von Akten über alle infrage kommenden Opfer in der Umgebung. Sie werden von den Informanten - wie wir sie nennen - zusammengesucht. Dort stehen aber nur die allerwichtigsten Daten und ein Foto der Person. Die Akten der fünf Opfer, die am meisten Joes Kriterien entsprechen werden ihm nach einem beendeten Auftrag dann vorgelegt und er bestimmt dann das nächste Opfer. Wenn es soweit ist bekommen Aron und Jim jeweils eine Kopie dieser Akten und geben eine davon mir, damit ich das Opfer schon etwas kennenlernen kann. Die andere Kopie bekommen die ,,Sucher". Die beginnen dann noch viel mehr Informationen über das Opfer zusammen zu suchen. Zum Beispiel auf welchen Typ Junge sie steht oder ob sie einen festen Freund hat. Das alles bekomme ich dann. Danach wird ein ,,zufälliges" Treffen arrangiert wo ich mich an sie ranmache. Sobald ich mit ihr zusammen bin, versuche ich einen Tag zu finden, wo wir bei ihr alleine sind. Wenn der Termin steht werden alle Vorbereitungen und Absprachen getroffen. Was dann kommt ist ja klar.
Warum ich das mach ist eine lange Geschichte. Joe hat mich, wie ein paar andere hier aus einem Waisenhaus geholt. Meine Eltern haben Scheiße gebaut, ich glaube sie haben mit ein paar anderen irgendeine Bank ausgeraubt. Die sitzen jetzt noch eine Weile im Knast.
Ich wurde von meinem Bruder getrennt und in ein total heruntergekommenes Waisenhaus gesteckt. Da war ich erst elf. Dort habe ich es nur drei Jahre ausgehalten. In der Nacht vor meinem 14. Geburtstag bin ich durch ein Fenster unbemerkt abgehauen. Dann habe ich etwa ein Jahr auf der Straße gelebt bis ich wieder in ein anderes Waisenhaus gesteckt wurde. Dort begegnete ich Maya. Egal.
Auf jeden Fall hat mich Joe als ich etwa 17 war da rausgeholt und mich mit Geld, Essen und Rache gelockt. Und mit etwas anderem.
Er meinte jetzt könne ich mich an der Welt dafür rächen, dass ich meine Eltern verloren hätte. Mich hat eher etwas anderes dazu gebracht mich dieser Gruppe anzuschließen. Mittlerweile sehe ich das anders und würde gerne wieder aussteigen, aber was soll man machen. Wer einmal drin ist kommt nicht wieder raus.
Mit einem Ruck bleibt der Wagen stehen. Wir sind da.