Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Musik schon seit einer Weile wieder läuft. Max ist zwar nicht der beste DJ, aber der beste von uns und dafür ist es ganz gut. Er ist einer der Informanten und Musik ist nur sein Hobby. Ich stehe immer noch am Essenstisch und überfliege die ,,Speisekarte". Irgendwer hat alles was es zu Essen gibt Auf einen Zettel geschmiert. Es gibt echt viel. Popcorn! Super! Schnell finde ich den Karton und stecke mir eine Hand voll von dem klebrigen Zeug in den Mund. Nur um es dann gleich wieder in den Mülleimer, der zum Glück direkt neben mir steht zu spucken. Sie sind salzig! Salzige Popcorn! Wer hat das Zeug erfunden? Eigentlich liebe ich das klebrige Knabberzeug über alles, aber salzig schmeckt es einfach nicht!
Entnervt stelle ich den Karton wieder auf den Tisch. Was für eine Wahnsinns Jubiläumsparty! Ich hab schon vorher gewusst, dass das nicht gut gehen kann. Sinn dieser Party ist es ja vor allem mich zu feiern und vor allem mir soll es gefallen, aber egal wie toll diese Party organisiert wäre, eine Party zu feiern, weil ich schon zehn Mädchen verführt habe, die deswegen gestorben sind, ist einfach falsch! Es ist ja nicht so, als ob man darauf stolz sein könnte. Aber anscheinend bin ich mit dieser Meinung ziemlich allein hier. Viele aus der Gruppe feiern sich oder lassen sich feiern, weil sie schon eine bestimmte Anzahl von Mädchen um die Ecke gebracht haben. Ich finde so etwas echt gruselig, aber das hätte ich mir mal überlegen sollen, bevor ich hinter Aron durch das Fenster des Waisenhauses geklettert bin.
Zum Glück kommt jetzt niemand mehr und will mir gratulieren. Dafür, dass ich zum Mord von schon zehn Mädchen verholfen habe.
Da sehe ich Harry, der mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht auf mich zu kommt. Doch es verschwindet, als er mein Gesicht sieht. Anscheinend ist mir mein sonst so gutes Pokerface entglitten.
Traurig guckt er mich an und sagt niedergeschlagen : ,,Ich dachte du würdest Popcorn mögen! Ich hab sie extra gekauft! Ich hab auch ganz viel bei den restlichen Vorbereitungen geholfen. Gefällt dir die Party überhaupt?"
In Gedanken stöhne ich auf, aber ich will nicht, dass Harry noch enttäuschter ist, wo er sich doch so viel Mühe gegeben hat, also sage ich : ,,Doch, doch! Ist alles ganz super! Nur ich mag salzige Popcorn nur nicht so gerne, aber der Rest ist echt toll!" Schon ist das Lächeln wieder an seinem angestammten Platz. Mit einem ,,Supi!" ist Harry dann auch schon verschwunden und ich bin wieder alleine. Es ist immer schwer mich nicht in der Vergangenheit zu verlieren, wenn ich Harry sehe. Tommy müsste jetzt etwa so alt sein wie er... Egal!
Harry ist 11 und schon einer der besten Suchern, da die meisten ihm schneller wichtige Infos geben als Erwachsenen. Sein großer Bruder Luke Satchmore ist mein bester Freund. Auch er ist ein guter Sucher. Eigentlich wollte Luke natürlich nicht, dass Harry auch hierher mitkommt. Die beiden waren in dem gleichen Waisenhaus, da ihre Eltern bei einem Autounfall tödlich verunglückt waren. Jim war nachts ins Waisenhaus eingebrochen, um Luke für den Job zu animieren. Harry hatte ein Teil der Unterhaltung belauscht und Jim wurde total wütend. Er meinte, da Harry jetzt sowieso alles wissen würde, müsse er entweder sterben oder mitkommen. Da Luke natürlich nicht wollte, dass sein acht Jahre jüngerer Bruder erschossen wird, nahm er ihn mit. Harry arbeitet jetzt schon hier, seit er neun ist. Trotzdem hat Luke es geschafft, dass Harry noch nicht mitbekommen hat, was genau wir hier machen. Luke hat Harry erzählt, wir würden hier Aufträge bekommen anderen Leuten Streiche zu spielen. Wir dürfen auch niemals in Harrys Gegenwart darüber reden.
Langsam bekomme ich Hunger. Ich glaube ich habe eben auf der Karte gelesen, dass es Kotletten gibt. Auf der Suche nach den Kotletten entdeckt mich Luke. Er pfeift unseren Pfiff und jetzt sehe ich ihn. Er steht in einer kleinen Gruppe aus Suchern. Neben ihm steht sein kleiner Bruder. Beide winken mich zu ihnen. Mein Blick wandert zu den gerade entdeckten Kotletten. Dann wieder zu Luke und Harry. Stöhnend mache ich mich auf den Weg zu meinem besten Freund. Auch in seinem Gesicht erkenne ich etwas von Harrys strahlendem Lächeln. Wir umarmen uns und ich strubbele Harry durch seinen blonden Wuschelkopf. Er quiekt auf und versteckt sich lachend hinter dem Rücken seines Bruders. Mir gelingt es, den Stich in meiner Brust, den ich immer bei Harrys Anblick spüre zu ignorieren. Auch Luke lacht. Dieses Lachen klingt so lustig zusammen, dass ich auch anfange. Wir lachen so lange bis uns die Tränen kommen und die anderen schon ganz komisch gucken.
Plötzlich wird Luke wieder ernst und fragt : ,,Alter, hast du Jim nach der Besprechung gesehen?" Verwundert antworte ich : ,,Nein, ich habe nur mit Aron gesprochen."
,,Sei froh, der hat sich total über was gefreut und immer total abwertende Blicke zu dir und Aron geworfen."
,, Aber du weist doch, dass er mich einfach hasst. Das war schon immer so und es wird sich anscheinend auch nicht mehr ändern, aber mittlerweile ist mir das ziemlich egal" , erkläre ich.
Luke nickt. ,, Ich weiß, ich weiß! Daraus hat Jim ja kein Geheimnis gemacht, aber irgendwie glaube ich, dass es hierbei um etwas anderes geht. Irgendwie habe ich das Gefühl da ist was im Gange. Egal! Konzentrieren wir uns auf etwas anderes"
Und an Harry gewand sagt er : ,,Willst du nicht mal in der Küche gucken, ob man dich braucht? Ich glaub ich habe eben Sepp nach dir rufen hören.."
Mehr muss er nicht sagen. Schon ist Harry in Richtung Küche gepest und wir können über alles reden.
Besorgt sieht mich Luke an. ,,Das wollte ich dich schon die ganze Zeit fragen. Wie lief es so?"
,,Ging alles glatt!", witzele ich. Zu meinen Schauspielerischen Talenten gehört auch, dass ich andere Stimmen ziemlich echt nachmachen kann. Doch Luke bleibt ernst.
,,Komm schon Lenny! Tu nicht so, als wäre es dir egal. Ich kenn dich doch!"
Auffordernd schaut er mir in die Augen. Ich gebe nach.
,,Okay, okay! Ich weiß was du meinst. Diesmal war es nicht so schlimm, wie sonst, was auch daran lag, dass Joe diesmal eine echte Nervensäge ausgesucht hat. Ich hab dir ja erzählt : Schnuckibär hier, Schnuckibär da! Aber toll war es trotzdem nicht. Und das wäre ja alles noch auszuhalten, wenn wir nicht diese bescheuerte Party feiern würden!"
Wieder nickt Luke und meint : ,,Ich verstehe dich. Was ist schon bewundernswert daran für zehn Morde verantwortlich zu sein. Ich bin echt froh, dass bei Suchern keiner auf die Idee kommt irgendwelche Jubiläumspartys zu feiern."
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. ,,Dann könnte Joe ja gar keine Aufträge mehr geben, weil alle durchgehend von Partys besoffen wären." Auch Luke grinst. Er ist echt mein bester Kumpel.