Nachdem wir etwas zu Stärkung gegessen haben, geht es uns allen schon um einiges besser und die Fahrt geht weiter. Harry ist glücklich und zufrieden und vergnügt sich mit seiner kleinen Plastikfigur, die er gratis zu seinem Essen dazubekommen hat. Es ist eine kleine Puppe, die irgendjemanden aus einer Kinderserie darstellen soll, die Harry anscheinend gut kennt und zusätzlich zu seinem ,,detaillreichem" Äußeren hat es auch noch eine wunderbare Zusatzfunktion. Harry hat herausgefunden, dass einen merkwürdigen Ton von sich gibt, wenn er an enem kleinen Knopf an der Rückseite drückt. Nach dem er ihn das dritte Mal gedrückt hatte, verstand ich endlich, dass diese Puppe ein krächzendes ,,Ay, Karamba!" von sich gibt. Nach dem siebten Mal, erkannte ich, dass ich die Stimme schonmal irgendwo gehört hatte, doch auch jetzt nach dem bestimmt dreiunddreißigsten Mal will mr immernoch nicht einfallen, woher. Obwohl die Puppe sich seit der Abfahrt von der Raststätte in keinster Weise verändert hat, wird Harry einfach nicht üde sich noch eine knappe Stunde später mit ihr zu befassen und so leise glucksend auch immer wieder den Ay-Karamba-Knopf zu drücken, der bestimmt nicht nur mir so langsam gehörig auf die nerven geht. Trotzdem hat bis jetzt noch niemand von uns ihn in seinem Tun unterbrochen, denn wir alle wissen, wenn das krächzende ,,Ay Karamba" gefolgt von Harrys Kichern nicht mir duchs Auto schallt, wird nur wieder diese erdrückende Stille zurückkehren und da stehen wir das lieber duch. Außerdem lengt mich das Ay-Karambas-Zählen so sehr ab, dass ich bestimmt nur jede sechste Sekunde an Lenny denken muss.
Endlich setzt Luke dem Drama ein Ende, als er sich nach dem einhundertsiebenundzwanzigsten ,,Ay Karamba" endlich zu uns umdreht und Harry darum bittet aufzuhören.
,,Es tut mir Leid", beteuert er, als der Kleine eine Schnute zieht, ,,aber ich müsste noch einmal Bailey bitten, ob ich ihr Handy benutzen darf, um Aron anzurufen und da wären diese Geräusche nur störend"
Ich streke ihm ohne zu Murren mein Handy hin und noch bevor Luke mit dem Telefonat begonnen hat, hat Harry sein neues Spielzeug schon vergessen und spielt mit den anderen Autofahrern und -mitfahrern ,,Grimassenschneidden",, was ihn sehr beschäftigt. So kann ich jedem Wort des Gesprächs zwischen Luke und Aron aufmerksam folgen, schließlich weiß ich jetzt einigermaßen, worum es dabei geht.
,,Hey Aron, schön dass ich dich kurz sprechen kann, ich wollte dich auch gar nicht lange belästigen, sondern nur wisse, wie weit ihr da drüben seid", begrüßt Luke ihn.
,,Hey ihr. Es tut mir Leid, wenn ihr mich nicht richtig versteht, aber ich muss leise sprechen. Die Suche nach euch und Bailey ist jetzt vor", eine Pause entsteht, als müsse er erst noch auf die Uhr gucken - es ist 13:34h - und er redet weiter, ,,vor etwa einer halben Stunde eingestellt worden und hier laufen alle Vorbereitungen, um nach Seattle aufzubrechen. Entgegen unseren Erwartungen werden wohl eigentlich so gut wie alle mit Rang und Namen mitkommen, dass heißt aber auch, dass wir wohl etwas langsamer vorrankommen werden, vor allem, da Joe keinen Schimmer hat, dass ihr wisst, wo ihr hinmüsst. Wir werden dann also in c.a. einer halben Stunde hier aufbrechen und dann kann ich euch über unseren Standort per SMS auf dem Laufenden halten"
Dann bedankt sich Luke noch ein paar Mal für Arons Hilfe und schnell ist das Gespräch auch wieder beendet. So langsam erkenne ich, was für ein Glück wir doch haben, dass Aron so ein netter Kerl ist, denn sonst wären wir ja komplett aufgeschmissen. Luke reicht mit mein Handy wieder zurück nach hinten und ich erkenne jetzt schon zehn Anrufe in Abwesenheit und drei verzweifelte SMS. Stöhnend beginne ich auf die Meldungen von Stella und den Autoritäten und Stella zu Antworten. Ich schreibe einfach eine weitere SMS in der ich beteuere, dass es mir gut geht, dass ich bald wieder nach hausen komme und dass ich ihnen dann alles erklären könnte. Das muss jetzt einfach reichen.
Obwohl ich Stel um ehrlich zu sein schon sehr vermisse. Ich brauche jetzt einfach meine Beste Freundin so sehr, wie noch nie und sie ist echt die Einzige, die mir helfen kann. Sie hat mir immer geholfen, schon seit ich denken kann und ich brauche ihre tröstenden Worte und gut gemeinten Rarschläge wirklich dringend. Aber ich kann sie ja auch nicht einfach anrufen. Oder etwa doch? Schließlich ist sie meine Beste Freundin, seit ich auf der Welt bin und ich hatte noch nie ein Geheimnis vor ihr. Ich kann ihr doch vertrauen. Außerdem kommt sie höchstwahrscheinlich gerade um vor Sorge, s wie ich sie kenne. Je mehr ich darüber nachdenke, desdo entschlossener werde ich. Ich muss mit ihr telefoniern!
Ich räuspere mich kurz und sofort dreht sich Luke zu mir um und sieht mich fragend an.
,,Ich würde gerne später Stella anrufen und ihr alles erklären. Joe ist ja jetzt mit den meisten von seinen Leuten da weg und ich vertraue ihr wirklich. Außerdem will ich wirklich nicht, dass sie sich zu viele Sorgen um mich macht. Es würde mir viel bedeuten"
Luke lächelt zuversichtlich, dreht sich kurz zu Lenny und als dieser nur kurz und abgehackt nickt, schaut er mich freundlich an und meint, er könne mich verstehen und es sei ja jetzt alles sicher.
Sobald ich diesen Entschluss gefasst habe, geht es mir sofort etwas besser und die Trauer, die seit dem gestriegen Abend auf meinen Schultern liegt, fühlt sich schon nicht mehr ganz so schwer an. Zufrieden lasse ich mich in den Sitz zurückfallen und schaue mit einem klitzekleinen Lächeln in die Landschaft.
Die weitere Fahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Wir machen gegen vier noch eine Essenspause und ich versuche weiterhin Lennys Blicken konstant auszuweichen. Ansonsten kommen wir gut vorran und Luke und Lenny sind sehr zuversichtlich, dass wir Seattle noch vor Joe und seinen Leuten erreichen und genug Zeit haben Tommy irgendwie in Sicherheit zu bingen.
Mittlerweile wird es langsam dunkel, obwohl es erst halb sieben ist Lenny und Luke haben entschieden, dass wir noch eine kurze Pause machen, in der wir die Möglichkeit haben uns einige Decken und Kissen auf die Rückbank holen, sodass wir bequem schlafen können, während die beiden sich mit dem Nachtfahren abwechseln. Für Essen müssen wir nicht mehr sorgen, da wir in der letzten Raststätte kleine Sandwiches gekauft haben, die wir zwischendurch essen können.
Der kleine Harry hat zwischendurch kurz geschlafen und springt jetzt kichernd aus dem Auto, sobald es auf der Raststätte zu stehen kommt. Er läuft sofort an die Kofferraumklappe und bginnt aufgeregt einen Koffer hinauszuziehen. Lachend steigt sein großer bruder aus und hilft ihm die Decken zusammenzusuchen. Mit schweren schritten und einem aufgesetztem Lächeln hlft auch Lenny den beiden.
Ich hingegen schnappe mir mein Handy und entferne mich etwas von dem Auto, bis ich mich auf eine kleine Bank hinte ein paar Bäumen setze. Aufgeregt wähle ich Stel's Nummer und drücke nervös auf ,,anrufen".
Schon nach nur zwei Mal Klingeln, hebt jemand ab und ich höre die vertraute Stimme, bei der es mir schon sofort besser geht.
,,Baby", fragt sie zögerlich, ,,bist du das?"
Vor Erleichterung endlich mit ihr zu sprechen, kommen mir die Tränen, aber ich beachte sie gar nicht.
,,Ja", keuche ich, ,,ja, ja, ich bin es und es geht mir gut"
,,Oh Gott, Bailey, du glaubst ja gar nicht, wie sich hier alle Sorgen machen! Naja, zumindest WIR alle. Ist mit dir alles okay? Wo bist du? Bist du verletzt? Entführt? Durchgebrannt?"
Bei diesen Worten muss ich ein bisschen kichern. Wie gut, dass ich sie angerufen habe.
,,Nein, nein, mit mir ist alles in Ordnung, keine Angst. Ich bin auf dem Weg nach Seattle und ich"
,,Seattle?", unterbricht mich Stel verwundert, ,,was zur Hölle willst du denn in Seattle?"
,,Das ist eine längere Geschichte. Ich hab auch nicht ungaublich viel Zeit, wir müssen bald weiter, ich wollte bloß, dass du dir keine Sorgen mehr machst"
,,Also so viel zeit muss ja wohl noch sein, dass du mir kurz erklärst, was passiert ist und vor allem, wann du wiederkommst!"
Ich stöhne leise und hole tief Luft. Und dann fließt es nur so aus mir heraus. Die ganze Geschichte. Wie glücklich ich war, wie erschrocken, als Lenny auf einmal kam, wie er mich mitgenommen hat, alles über Luke und Harry, wie Lenny mir alles erzählt hat, die ganze schreckliche Wahrheit über die Died Beuty Morde, über Joe und warum wir jetzt zu Tommy müssen.
Als ich geendet habe, ist mein Gesicht tränenüberströhmt und Stella auf der anderen Seite der Leitung total still. Ich höre wie sie leise atmet, während sie versucht das Gesagte zu verstehen und zu verarbeiten.
,,Okay", sagt sie leise, ,,das ist ja mal ein Hammer. Du tust mir Leid, aber ich kann jetzt verstehen, warum du weg mussteset. Ich werde der Polizei sagen, du hättest dich gemeldet und dir ginge es super, du machst gerade einen rebellischen Kurztrip ist das in Ordnung?"
Ich nicke nur, ich kann jetzt meiner Stimme nicht vertrauen. Da fällt mir ein, dass sie auf der anderen Seite von der Leitung gar nicht sieht, dass ich zustimme, also antworte ich mit einem kurzen Ja.
Dann schweigen wir uns noch ein wenig an, es gibt einfach keine Worte für solche Momente. Und doch, obwohl wir so still sind, merke ich schon jetzt wie viel besser es mir geht und wie erleichtert ich bin.
Nach einem kurzen Räuspern sagt Stel: ,,Du Bailey, ich kenne dich jetzt schon ziemlich lange und habe dich in letzter Zeit genau beobachtet, deshalb glaub jetzt ja nicht, du könntest mich anlügen! Dieser Lenny, du hast erzählt, du hättest sofort mit ihm Schluss gemacht, weil du es nicht ertragen konntest, aber jetztz ist er immer noch dabei, richtig? Und er sieht dich immer noch so an, richtig?"
Bei diesen Worten muss ich leise schluchzen, doch Stel hört es natürlich sofort. ,,Baby, nein, nicht weinen! Wein doch nicht, ich bn doch jetzt hier. Alles wird gut, du findest schon eine Lösung. Sei einfach nicht zu streng mit dir selbst und vor Allem nicht streng mit ihm. Du empfindest doch noch etwas für ihn, hab ich recht?"
Wieder muss ich schluchzen, aber ich versuche gar nicht mehr es zu unterdrücken. ,,Genau das ist ja das Schlimmste. Dass ich genau weiß, was er getan hat und wie sie alle mich manipuliert haben und das es nichts ändert. Verstehst du, ich habe mir die ganze Zeit versucht einzureden diese Gefühle würden wieder verschwinden und es wäre mir alles nur so vorgekommen, weil es ja genau so arrangiert war, aber jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, wenn ich die Trauer in seinem Blick sehe, weiß ich, dass ich mir etwas vormache. Ich kann mich einfach zu gut an das Gefühl erinnern in seinen Armen zu liegen, wie richtig es sich angefühlt hat. Ich brauche eigentlich Abstand von ihm, aber er zieht mich wie ein Magnet an sich", bricht es aus mir raus und erst, als ich die Worte laut ausspreche, erkenne ich, wie wahr sie sind.
,,Arme Maus, ich wünschte ich könnte dich jetzt in den Arm nehmen, aber das geht leider nicht und so musst du dich mit meinen Ratschlägen begnügen. Ich will natürlich, dass du glücklich bist, also kann es so wie es jetzt ist nicht weitergehen. Ich hab euch beide doch zusammen gesehen. Glaub mir ich erkenne Liebe, wenn ich sie sehe und das zwischen euch war Liebe. Das war was besonderes. Ist was besonderes. Und natürich verstehe ich auch, warum du so traurig bist und so wütend und verletzt, aber du solltest das nicht so einfach aufgegeben, denn das war etwas Besonderes.
Du hast mir doch erzählt, er wurde dazu gezwungen oder? Was hätte er denn sonst machen sollen? Ich sage nicht, dass du vergeben und vergessen sollst, keineswegs, ich weiß nicht, o ich das an deiner Stelle könnte. Aber gib euch nicht einfach auf, ohne dir genau darüber klar zu sein, was du willst und was passiert ist. Dazu war es einfach zu wertvoll"
Es ist lange her, dass ich die witzige Stella so ernste Worte habe sprechen hören und sie berühren mich, treffen mich ins Herz. Ich bin ihr für diese Worte so dankbar, denn sie hat recht.. Ich bin so nicht glücklich und werde es so wohl auch nicht sein. Ich bedanke mich mehrmals bei ihr und nehme ihr noch einmal das Versprechen ab, dass sie den anderen nicht sagt, wo ich bin, sondern nur, dass es mir gut geht.
Plötzlich berührt mich etwas an der Schulter und ich fahre erschrocken zusammen und drehe um. Neben mir steht Lenny.
Schnell drehe ich mich von ihm weg und fahre mir mit den Händen durchs Gesicht, um dort und in den Haaren wieder ein bisschen Ordnung zu schaffen. Wenn ich richtig heule, sehe ich immer total daneben aus. Nichts mit dramatischem Filmheulen, sondern mein Gesicht wird rot, meine Nase läuft, eben das ganze Programm.
Wütend darüber, dass er mich hier so gesehen hat, aber auc über mcih, weil ich schon wieder habe heulen müssen, fahre ich ihn an: ,,Was willst du?"
,,Wir wollen jetzt weiter, ich wollte dich nur holen"
,,Gut. Ich verabschiede mich noch kurz von Stella"
Nachdem ich aufgelegt habe, stecke ich mein Handy wieder ein und gehe mit festem Schritt neben Lenny her, wobei ich darauf achte, dass meine Haare den Großteil meines Gesichts verstecken. Ich muss noch einmal leise schniefen und sehe, wie Lenny in seiner Hosentasche kramt. Wortlos und ohne mir dabei ins Gesicht zu gucken, hält er mir eine Packung Taschentücher hin, die ich ihm mit einem leisen ,,Danke" abnehme.
Wieder beim Auto angekommen, erkenne ich, dass Harry und Luke schon wieder an ihren Plätzen sitzen - Luke sitzt jetzt am Steuer- und auf unser Rückbank ein kleines Kissen und Decken Depot aufgebaut haben. Lächelnd setze ich mich neben den grinsenden Wuschelkopf und bringe mithilfe des Taschentuchs mein Gesicht wieder einigermaßen in Ordnung. Lenny wirft sich ans Steuer, wirft mir durch den Rückspiegel einen traurigen Blick zu und wir rollen weiter.