Wahre Liebe

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Warme Luft stößt mir entgegen. Es richt nach Zimt. Ich hatte schon fast vergessen, dass bald Weihnachten ist. Es liegt zwar kein Schnee, aber das ist normal. Im Hintergrund läuft ,,Angels" von Robbie Williams. Irgendwie passt es.
Während ich zum Tresen gehe, sehe ich Bailey und Stella. Sie sitzen an einem kleinen Tisch an der großen Glaswand und reden. Irgendwie habe ich das Gefühl beobachtet zu werden, aber vielleicht ist es nur Luke. Sein Motorrad steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich schaue wieder zu Bailey und gehe noch einmal meinen Plan durch. Ich werde sie anrempeln, ihr den Kaffe über den Pulli schütten und mich entschuldigen. Dadurch komme ich dann mit ihr ins Gespräch und die Sache ist geritzt.
Ich nehme mir meinen Kaffe und mache mich auf den Weg zu dem Tisch hinter Bailey und ihrer Freundin. Hoch konzentriert sehe ich auf. Doch an dem Tisch sitzt nur noch Stella. Ich schaue nach hinten, während ich weiterlaufe, um den Raum nach Bailey abzusuchen. Ich entdecke sie nicht und wende meinen Blick wieder nach vorne. Jetzt sehe ich sie. Direkt vor mir. Ich versuche noch auszuweichen, doch zu spät.
Mit einem lauten Krachen stoßen wir gegeneinander und mein Kaffe ergießt sich über mein Pullover und ich finde mich auf dem Boden wieder. Auch Bailey liegt auf dem Boden. Unsere Beine sind miteinander verknotet und hektisch versuchen wir aufzustehen, doch ohne Erfolg. Neben uns kriegt sich Stella nicht mehr ein vor Lachen. Auch Bailey grinst und weil ich so überrumpelt bin, muss auch ich anfangen zu lachen. Doch schon bald fangen wir uns einige strafenden Blicke der anderen Gäste ein. Immer noch kichernd sagt Stella : ,,Ich glaube es würde sehr helfen, wenn ihr es etwas langsamer versuchen würdet!"
Verlegen befolgen wir ihren Rat und stehen auf. ,,Sorry" ,,Tut mir Leid", bricht es gleichzeitig aus uns hervor und wir müssen uns beherrschen nicht wieder los zu lachen. Entschuldigend sieht Bailey mich an.
,,Sorry, jetzt habe ich dir dein Pulli versaut!", entschuldigt sich Bailey.
,,Sieht doch ganz nett aus!", kichert Stella. Ich grinse. ,,Wenn man so von oben guckt, erinnert der Fleck an ein Einhorn.", lache ich.
Auch Bailey grinst und sagt : ,,Aber wenn man den Kopf ein bisschen dreht sieht es aus wie ein Panda! Trotzdem sollte ich dich wenigstens auf einen neuen Kaffe einladen. Ich wollte mir auch grad einen holen."
,,Das solltest du wirklich, denn dann kann ich dir deinen Kaffe bezahlen, da meiner deine Hose ruiniert hat!"
Verwirrt schaut sie auf ihre Hose, doch sie kann keinen Fleck entdecken. Sie will etwas erwidern, aber Stella stößt sie in die Seite und verdreht die Augen.
Ich habe schon die Kellnerin herangewinkt und bestelle zwei Kaffe, da ich sehe das Stella noch einen in der Hand hält.
,,Wie heißt ihr zwei eigentlich?", frage ich mit Unschuldsmiene, obwohl ich die antwort ja schon kenne.
,,Ich bin Bailey und das ist meine beste Freundin Stella. Und mit wem haben wir die Ehre?", fragt mich Bailey.
,,Lenny", rutscht es mir raus. Mist! Eigentlich wollte ich wieder einen Decknamen benutzen, aber dazu ist es jetzt zu spät.
,,Echt? Lustig mein Hamster heißt Lenny!", erwidert Stella lachend. Ich habe schnell begriffen, dass Bailey eher schüchtern ist, während Stella laut und quirlig ist.
Da kommt schon unser Kaffe. Wir reden über Gott und die Welt wobei Stella am meisten redet. Doch irgendwann muss Stella weg. Jetzt sitzen Bailey und ich alleine hier und ich bringe kein Wort raus! Was ist nur los mit mir? Liegt das am wenigen Schlaf? Oder an Bailey? Wir drucksen ein bisschen herum. Aber keiner von uns traut sich etwas zu sagen. ,,Ähm...", fange ich an.
,,Tja, also..", stottert sie.
Mist! Was ist denn nur los mit mir? Das passiert mir doch sonst nicht! Verdammt Lenny reiß dich zusammen, sage ich mir.
,,Tja, Stella hat mir ja viel erzählt, aber über dich weiß ich kaum etwas...", beginne ich zögernd ein Gespräch. Sie lächelt.
,,Wir machen es abwechselnd. Ich frage dich was und danach bist du dran.", antwortet sie und ich nicke. Immer noch lächelt sie und fragt : ,,Wie alt bist du eigentlich?"
,,18", antworte ich prompt.
Das ist sogar die Wahrheit. ,,Jetzt bin ich dran. Selbe Frage?"
Fragend sehe ich sie an. Sie lächelt. ,,16. Aber in einem Monat bin ich 17!"
Obwohl ich das natürlich schon wusste, tue ich überrascht.
So geht das eine Weile hin und her, wobei ich nichts neues erfahre. Doch bald sitzen wir nur noch da und gucken uns an. Ich könnte ewig so sitzen bleiben, sie nur angucken, ihr dabei zusehen, wie sie vergeblich versucht ihre Haare zu bändigen oder wie ihre Augen... Stopp! Was denke ich da überhaupt! Ich bin doch sonst nicht so! Wie kann ich nur so egoistisch sein! Ich werde mich nicht verlieben! Nicht noch mal!
Sie muss eine Veränderung bemerkt haben. Besorgt sieht sie mich an. ,,Ist alles klar bei dir?"
Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Weg! Ich muss einfach nur weg! Ich nicke und versuche mir einen Vorwand zu überlegen, damit ich ihr meine Handynummer geben kann. Natürlich nicht meine echt. Ich habe ein Prepaid-Handy, was von Joe's Leuten abgehört wird.
,,Ähm", stottere ich.,,Tja, also ähm." Wieso stottere ich denn so?
,,Ich geb dir mal meine Nummer" sagt sie grinsend ,, dann kannst du anrufen, wenn dir wieder eingefallen ist, was du mir sagen wolltest."
Wir tauschen Nummern aus, verabschieden uns und ich verlasse das Café. Obwohl ich heute morgen so früh aufgestanden bin, verspüre ich nicht den Hauch von Müdigkeit. Summend gehe ich zu meiner Vespa und winke Bailey noch mal durch das Fenster.
Wie abgesprochen, schiebe ich meine Vespa hinter die übernächste Straßenecke. Sobald ich außer Sichtweite bin kommt auch schon Luke. Erst lächelt er, doch als er mein Grinsen sieht, verschwindet das Lächeln.
,,Lenny, ist alles in Ordnung?" Doch ich grinse nur blöd vor mich hin. Nun macht sich Entsetzen auf Lukes Gesicht breit. Seine Lippen bewegen sich, doch seine Worte dringen nicht zu mir durch. Fragend sieht er mich an. Doch ich beachte ihn nicht.
,,I'm loving angels instead. And through it aaaaaaall" , singe ich, doch ich treffe den Ton nicht und höre deshalb auf.
,,Hast du mich gehört, Luke? Ich glaube ich sollte Sänger werden"
Ich muss über meinen eigenen Witz lachen. Erst jetzt sehe ich, dass Luke todernst bleibt.
,,War wohl nich so lustig", nuschel ich und ich bemerke, was für eine peinliche Show ich gerade abziehe. So kenne ich mich gar nicht. Entschuldigend sehe ich Luke an. Der guckt immer noch ernst, anstatt, sich wie ich erwartet hätte, über meine Peinlichkeit lustig zu machen. ,,Ich hatte dich was gefragt!"
Ich grinse wieder und antworte : ,,Ja, sorry, ich hab das irgendwie nicht mitbekommen..."
" Hab ich schon gemerkt! Ich hab dich gefragt, ob du etwa so blöd bist und dich in das nächste Opfer verliebt hast!"
Zack! Schon hat mich Luke wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Nein! Das kann doch nicht sein! Ich wollte doch nur so tun, als ob! Ich will Luke antworten, will sagen, dass ich niemals -wirklich niemals- noch einmal so egoistisch sein könnte, dass ich mich verliebe.
Doch in diesem Moment kommen die anderen Sucher und nachdem ich das Ok -Zeichen gegeben habe, fahren wir zurück zum Lager.

Ich liebe lieber EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt