Immer noch händchenhaltend kommen wir in den Keller. Baileys Freunde, die gerade dabei sind einen kleinen Stuhlkreis vor dem Sofa mit Sofaisch aufzubauen, halten in ihrem Tun inne und sehen uns an, alle in etwa den gleichen glücklichen und erleichterten Lächeln auf dem Gesicht.
Man erkennt, dass sie sich über die Entwicklung freuen, vor allem da sich, wie mir Niklas beim Eislaufen eröffnet hat, Baileys Freunde nach der für sie wirklich schmerzhaften Trennung von Zac, große Sorgen darüber gemacht haben, wie sie damit wohl klarkommt.
Luke hat mir auch erzählt, dass sie noch mehrere Wochen nachdem sie Zac mit ihrer ehemaligen Freundin im Bett erwischt hat, an leichten Depressionen litt und kaum das Haus verließ. Beim dem Gedanken daran, dass Bailey wegen diesem Mistschwein so leiden musste, zieht sich mein Magen schmerzhaft zusammen und ich bekomme das Bedürfnis auf irgendetwas einzuschlagen, vorzugsweise auf Zac´s Kopf.
Nur ungern lässt Bailey meine Hand los, um den anderen zu helfen. Auch ich nehme Stella einen Stuhl ab, den sie nur mit Mühe über den Boden geschliffen hat.
,,Was genau wird das hier eigentlich?”, frage ich sie, doch noch bevor sie meine Frage beantworten kann, sagt Jonas schon: ,,Nach dem großen Feuerwerk spielen wir immer eine Runde Wahrheit oder Pflicht und dafür müssen wir uns in einen Kreis setzten, deswegen die Stühle. Auf den Sofatisch kommt eine Flasche, sodass wir sowohl auf dem Sofa, als auch auf den Stühlen sitzen können”
,,Nein, nein, nein, Jonas!”, kreischt Stella. ,,Du erzähltst das komplett falsch! Also Lenny, vergiss, was dieser Verleumder gesagt hat und höre mich an.
Vor einer langen Zeit, ich glaube es trug sich vor sieben Wintern zu, fand sich diese Gruppe fünf junger, tapferer Jünglinge und Mädchen am Silversterabend zusammen, um um punkt Mitternacht zur Geisterstunde bereit zu sein, das große Feuerwerk über den prachtvollen Stadtmauern Indianas zu bestaunen. Nach dem großen Spektakel wanderten die Helden zurück in ihre Festung”, dabei machte sie eine umfassende Handbewegung ,,um den Abend noch gebürend zu feiern. Da hatte meine Wenigkeit die Idee, man könnte sich doch zur Feier des Tages dem allseitsbekannten und geliebten Spiel ,Wahrheit oder Pflicht´ zuwenden, um zur Jahreswende all seine tiefsten Geheimnisse kundzugeben und sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Dies war der Beginn einer ruhmreicher Ära volller ergründeter Tiefen und bewältigten Aufgaben. Du, mein tapfrer Freund, hast heute die Ehre an dieser Tradition teilzuhaben und deinen Mut unter Beweis zu stellen!”, schließt sie ihre Rede.
,,Ich fühle mich geehrt, Gnädigste”, sage ich lachend, wärend ich eine kleine Verbeugung andeute.
Kichernd deutet Stella einen kleinen Knicks an und wir setzen uns zu den anderen.
Leider besetzen Jonas, Cleo und Bailey schon das Sofa, weswegen ich mich auf einen der Stühle setze. Das letzte Mal, dass ich Wahrheit oder Pflicht gespielt habe, ist schon Jahre her. Im Waisenhaus wurde uns das immer verboten, da Mrs Schuster der Meinung war, dieses Spiel würde uns Kinder zu kleinen, ungezogenen Teufelchen erziehenwürde und so stand das Spielen unter hoher Strafe.
Da wir uns natürlich nichts von ihr sagen ließen, haben wir uns immer nachts in einer kleinen Ecke in einer Gruppe von sieben Jungs und Mädchen getroffen und uns wie die Obergangster gefühlt, als wir es entgegen der Regeln doch gespielt haben. Erwischt wurden wir natürlich nie.
,,Ich will anfangen!”, reißen mich Stellas Worte aus meinen Erinnerungen.
Voller Eifer legt sie die leere Glasflasche auf den Tisch und gibt ihr genügend Schwung, dass sie sich mehrmals dreht.
Mit Hoffnung darauf nicht den Anfang machen zu müssen, eigentlich überhaupt nicht dran zu kommen, starre ich auf die rotierende Flasche. Langsam kommt sie zum stehen.
Ihr Hals zeigt direkt auf Jessie. Für diese Runde nochmal Glück gehabt.
Stellas Gesichtsausdruck zeigt sich sichtlich enttäuscht, über diesen Ausgang, doch sie hat sich schnell gefangen. Vielleicht hatte sie gehofft, sie bekäme die Chance den neuen Freund ihrer besten Freunden über seinen Vergangenheit auszuquetschen. Gut, dass ich da nochmal drum rum gekommen bin.
,,Also Jessie, Wahrheit oder Pflicht?”, fragt Stella mit mysteriöser Stimme.
,,Pflicht”, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. Stella scheint vorbereitet und muss so nicht lange überlegen.
,,Okay, also fangen wir mit etwas einfachem an. Du wähltst jetzt eine x-beliebige Nummer, allerdings darfst du den Angerufenen nicht kennen und dann musst du so tun, als hättest du sein oder ihr Portmornaille gefunden und dich in das Passfoto verliebt”
Alle mi Außnahme von Jessie die einen entsetzten Blick hat, müssen laut loslachen. Die Idee ist wirklich witzig! Auf so etwas wäre ich nie gekommen.
Murrend greift Jessie zu ihrem Handy und tippt ein paar Mal darauf herum wärend sie nölt : ,,Wieso bekomme ich eigentlich immer die doofen Sachen? Das klappt doch sowieso nie, ich würde viel lieber”, doch sie wird unterbrochen, den jemand ist rangegangen.
,,Ja, hallo hier Luke, was gibts?”, fragtmir eine mir wohlbekannte Stimme etwas gelangweilt.
Vor Schreck fahre ich kurz zusammen und lasse beinahe mein Bier fallen. Schnell blicke ich mich um, doch alle Augen sind auf Jessie gerichtet.
Sie räuspert sich kurz und sagt: ,,Hi, hier ist Rose!”
,,Hallo Rose, kennen wir uns?”, fragt er etwas verwundert.
So langsam habe ich mich von meinem Schreck erholt. Eigentlich muss ich gar keine Angst haben. Vielleicht wird das ja auch ganz lustig.
,,Naja”, zögert Jessie. ,,Ich glaube ich habe Ihren Ausweis gefunden. Sie heißen doch Luke, ähm” stottert sie. Anscheinend fällt ihr kein Nachname ein. Suchend blickt sie sich um.
,,Miller”, zische ich ihr zu, sodass Luke es nicht mitbekommt.
,,Luke, ähm, Miller, oder?”
Man hört, wie Luke am anderen Ende des Telefons scharf die Luft einzieht.
Miller ist einer seiner Decknamen und er hat auch einen passenden Ausweis dazu. Hoffentlich hat er ihn nicht dabei. Ich denke daran, wie ich ihm nachher erzählen werde, wie wir ihn veräppelt haben und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
,,So heiße ich, ja? Was ist mit meinem Ausweis?”, fragt er forsch.
,,Ich habe ihn eben gefunden und im Internet deine Nummer rausgesucht. Es ist doch in Ordnung, wenn wir uns dutzen oder?”, Fragt sie, doch lässt ihn nicht einmal die Frage beantworten.
,,Ich habe dich auf dem Bild gesehen und nur gedacht, Das Zuckerschnäuzchen muss ich mir angeln!”
Stella muss sich die Hand vor den Mund drücken, um nicht laut loszulachen und auch Bailey presst mit hochrotem Gesicht fest die Lippen aufeinander.
,,Das ist nett, aber meinen Uasweis bräuchte ich natürlich wieder”, antwortet Luke.
,,Oh, du bist ja genauso scharf darauf mich zu treffen, wie ich! Na da freue ich mich aber!”, ruft Jessie nun voll in ihrem Element. Am anderen Ende scheint Luke etwas zu verzweifeln. Nun muss auch ich mit dem Lahen kämpfen. Ich kann mir wirklich bildlich vorstellen, wie er krampfhaft nach einer Möglichkeit sucht dieses Gespräch zu beenden und trotzdem seinen gefälschten Ausweis nicht zu verliern.
,,Es ist wirklich wichtig, dass ich meine Papiere wiederbekomme!”
,,Hui, du hast es ja wirklich eilig! Wollen wir doch mal hoffen, dass du immer noch so schnuckelig aussiehst, wie auf dem Foto. Ich bin nämlich zurzeit auf der Suche und du siehst ja wirklich zum anbeißen aus!”
,,Das ist ja wirklich schmeichelhaft das von einer Wildfremden zu hören, aber ich bin leider momentan an niemandem interressiert”
,,Nicht? Dass ist ja so schade Schnuckelchen!”, schluchzt Jessie theatralisch.
Jetzt kann sich Stella nicht mehr halten. Laut fängt sie an zu prusten und kriegt sich einfach nicht mehr ein. Schon bald fällt auch Bailey in das Lachen ein und die beiden halten sich die Bäuche. Sogar der sonst so ruhige Jonas fällt mit ein. Und anscheinend hat Luke es endlich geschnallt.
,,Beinahe wäre ich drauf reingefallen, ihr Genies!”, lacht Luke
laut und legt auf.
Es dauert eine Weile, bis sich alle wieder eingekriegt haben, doch dann nimmt Jessie entschlossen die Flasche in die Hand und ruft: ,,Der Nächste kann sich auf eine Abreibung gefasst machen!”
Sie gibt der Flasche einen ordentlichen Schubs und sie dreht sich eine gefühlte Unendlichkeit, bis sie endlich zum Stehen kommt, den Hals dirket auf mich gerichtet.
,,Also Lenny, Wahrheit oder Pflicht?”, fragt mich Jessie.
Jetzt muss ich aufpassen. Wenn ich Wahrheit nehme, laufe ich Gefahr mich zu verplappern, wie als ich Bailey kennengelernt hab. Sie bringt mich einfach immer wieder aus der Fassung. Alleine schon bei dem unschuldigen Grinsen auf ihrem Gesicht vergesse ich meinen Namen. Allerdings glaube ich, dass ich mich zuzeit besser unter Kontrolle habe.
Oder ich entscheide mich für Pflicht, aber dann werden alle denken, ich hätte etwas zu verbergen, da das gerade erst dran war.
,,Ich nehme Wahrheit!”, sage ich entschlossen.
Jessie grinst gewinnend. Es scheint, als habe sie es genau darauf abgesehen und sich schon eine würzige Frage überlegt.
Sie räuspert sich.
,,Mit wievielen Mädchen warst du schon im Bett?”
Niklas zieht scharf die Luft ein und Cleo verschluckt sich an ihrer Cola.
Alle Augen sind jetzt auf mich gerichtet, um uns rum eine knisternde Stille. In diesem Moment könnte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören.
Ich hatte ja eine brenzlige Frage erwartet, aber diese trifft mich völlig unvorbereitet. Auf die anderen hätte ich wenigstens eine coole Lüge antworten können, aber hier bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich Lügen soll.
Die Wahrheit wäre vier. Aber das ist eigentlich zu viel für einen Jungen in meinem Alter und da bin ich auch nicht besonders stolz drauf. Auf der anderen Seite will ich Bailey nicht mehr Lügen las unbedingt nötig auftischen.
Doch diese muss sein! Wenn ich die Wahrheit sage, würde sie mir nicht mehr vertrauen und das könnte ich nicht ertragen!
Jonas räuspert sich verlegen.
,,Lenny, wenn du nicht willst, musst du die Frage nicht beantworten! Das ist schon in Ordnung, wir kennen uns ja kaum”
Doch ich schüttel den Kopf.
,,Nein, nein, schon in Okay. Ich beantworte die Frage, ist ja nichts dabei. Jessie hat den Anruf ja auch ohne Wiederworte gemacht”
Ich mache eine Pause, umd tief Luft zu holen und sehe Bailey fest in die Augen. Ich darf ihre Reaktion auf gar keinen Fall verpassen.
,,Zwei”, sage ich. ,,Ich war bis jetzt mit zwei Frauen im Bett”
Erwartungsvoll studiere ich ihre Mimik, doch wenn es sie überrascht oder verletzt, lässt sie es sich nicht anmerken, sondern ihr Gesichtsausdruck ist ganz normal.
Alle sind etwas ereichtert, dass die kurzen Spannungen vorrüber sind.
,,Dann würde ich sagen, bin ich dran mit drehen!”