Nr.10

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,,Ich liebe dich", flüstere ich Ashley ins Ohr.
Gespielt verlegen streicht sie sich ihre hellblond gefärbten Haare hinters Ohr. Eine Parfümwolke kommt mir entgegen, als sie sich vorbeugt, um mich zu küssen. Ihr Lipgloss schmeckt viel zu süß. Außerdem schmeckt er nach Kirsche. Ich hasse Kirsche. Fast muss ich würgen, doch ich kann mich noch beherrschen.
,,Ist mein Schnuckibär heute schlecht gelaunt?", neckt mich Ashley.
Schnuckibär, wie ich diese schleimigen Kosenamen hasse! Doch Schnuckibär ist noch harmlos. Bei anderen hatte ich schon schlimmere Namen wie Unterhosencowboy, Erdbeertiger und Kuscheläffchen.
,,Nein mein Schatz, ich bin doch bei dir! Wie könnte ich schlecht gelaunt sein; wenn ich bei dir bin...", antworte ich schnuckibärig.
Sie nimmt es mir ab. Wieder ein Kirschkuss. Ich gucke auf die Uhr.
21:53 Uhr.
Nur noch sieben Minuten muss ich den falschen Rosengestank aushalten. Dann habe ich es endlich geschafft!
,,Hey Schnuckibär, findest du, ich sehe in diesem Kleid fett aus?".
Nicht schon wieder diese Frage! Ich hasse es, wie sie nach Bestätigung lechzt! Als würde sie nicht sowieso schon so alles bekommen, was sie will. Ihre reichen Eltern schieben ihr alles vorne und hinten rein. Ihr rotes teueres Markenkleid passt wie angegossen und bestimmt gibt es eine Menge Jungs, die sie echt hübsch oder attraktiv fänden, nur ich gehöre ganz bestimmt nicht dazu! Es ist mir einfach alles viel zu aufgesetzt!Als ich nicht sofort antworte, zieht sie eine Schnute.
,,Natürlich siehst du nicht fett aus! Du bist die Allerhübscheste!"
Kotz, würg, röchel. Dieses ganze Geschleime geht mir schon lange auf die Nerven. Mich wundert es echt, dass sie mir das alles glaubt, aber anscheinend bin ich ein echt guter Lügner. 21:57 Uhr.
Die Zeit schleicht.
,,Ach mein Schnuckibär... liebst du mich wirklich?"
,, Mehr als je ein Mensch einen anderen geliebt hat!", beteuere ich.
So schlimm war es wirklich noch bei keiner!
22:00 Uhr! Endlich!
Durch das vorher von mir geöffnete Fenster klettert ein Schatten. Die Tür springt mit einem leisen Knall auf. In nur drei Sekunden stehen fünf Leute im Raum. Sie alle sind schwarz gekleidet und haben schwarze Farbe im Gesicht. Eigentlich würde es witzig aussehen, doch es sieht einfach nur angsteinflößend aus.
Der eine zückt ein langes Messer. Es ist Jim. Der hohe Schrei aus Ashleys Mund tut in meinen Ohren weh.
Belustigt sagt Jim: ,, Schreien nützt dir gar nichts mehr, du kleines Biest!".
Ihr Blick wandert erst zu mir, dann wieder zu Jim und wieder zu mir. Auffordernd und ängstlich zu gleich sagt sie: ,, Los, du hast gesagt, du würdest mich lieben! Worauf wartest du noch? Rette mich!"
Endlich sind diese Lügen vorbei!
,,Nö, keinen Bock." Verdattert sieht Ashley mich an. Jim geht einen Schritt auf sie zu. Ängstlich weicht sie zurück, doch hinter ihr ist schon die Wand. Fragend sieht Jim mich an.
,,Soll ich es erledigen?"
,,Ne, lass es doch Lenny machen, der ist doch ganz scharf drauf", ruft jemand von hinten.
Ich kann die Stimme nicht zuordnen. Es könnte David sein.
,,Äh... ich hab keine Waffe", versuche ich mich rauszureden.
,,Waffe? Wer soll was erledigen? Was läuft hier eigentlich?" Ashley wird richtig hysterisch.
,,Naja, eigentlich bringen wir dich gleich um" , sagt Jim lässig. Entsetzt weitet Ashley die Augen.
,,Das ist n Scherz, ne? Ein mieser, kleiner, unlustiger Scherz." Unsicher dreht Ashley sich zu mir.
,,Tja... ich habe dich von vorn bis hinten verarscht!", versuche ich es ihr zu erklären.
,,Eigentlich finde ich dich potthässlich, dumm und arrogant . Und lieben tue ich dich erst recht nicht!" Verzweifelt sieht sie mich an. Ich hätte es nicht erwartet, aber sie tut mir, trotz allem echt Leid.
,,Aber Nico du...". ,,Nein", unterbreche ich sie. ,,Noch eine Lüge. Ich heiße nicht Nico! Und auch nicht Schnuckibär! Ich bin Lenny Hudson."
Jim wird langsam ungeduldig. ,,Wenn du zu feige dazu bist, dann geh doch raus! Ich mach es jetzt!"
Erste Tränen laufen Ashley über die Wangen und verwischen ihr sonst so perfektes Make-up. Ich beeile mich, doch ich bin nicht schnell genug draußen.
,,Warum?", formen ihre Lippen noch, doch ich kann ihr die Frage nicht mehr beantworten. Jim ist schneller. Er rammt ihr das Messer in den Bauch. Überall verteilt sich ihr Blut. Mir wird übel. Würgend renne ich die Treppe runter, um mich hinter der Hecke zu übergeben.
Denk daran, rede ich mir ein, sie oder Tommy! Denk an Tommy! Wie ein Manrtra sage ich diese Worte und langsam geht es mir besser.
Ich hasse es, dass wir es nicht mit der Pistole machen können. "Zu laut", sagt Joe. Was er sagt, ist Gesetz, also wird es mit dem Messer gemacht.
,,Warum?", hat Ashley mich gefragt. Doch selbst, wenn Jim nicht so schnell gewesen wäre, hätte ich es ihr nicht erklären können. Joe Ryler gibt uns ein Dach über dem Kopf, Essen und richtig viel Kohle. Und die Aufträge.
Ich bin noch relativ neu in der Gruppe. Was mit meinem Vorgänger passiert ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich Gefängnis oder Tod. Aussteigen ist nicht. Es gibt klare Regeln. Wenn du erst mal drin bist, kommst du nicht mehr raus. Ich bin die Hauptrolle. Ich bringe die Opfer dazu, mir zu vertrauen, mir Geheimnisse zu verraten und mich zu lieben. Offenbar kann ich das ziemlich gut. Ich weiß nicht, wieso, aber ich bin wohl ein ziemlich guter Lügner und Schauspieler. Außerdem sehe ich ziemlich gut aus. Sagen zumindest die Opfer. Im Moment habe ich blonde Haare, aber die sind nur gefärbt, weil Ashley auf blonde Haare steht. Stand.
Eigentlich habe ich braune Haare und hellblaue Augen. Ich bin 1,90 groß und trainiere viel für meine Figur.
Die anderen aus der Gruppe haben verschiedene Aufgaben. Manche beschaffen Essen, andere helfen mir das Opfer kennen zu lernen und es zu verführen. Wieder andere müssen das alles koordinieren. Die haben auch die Verantwortung. Sie sind bloß zu zweit. Jim ist einer von den beiden. Er teilt sich den Job mit Aron. Die entscheiden dann auch wer dem Opfer endgültig das Licht ausblähst.
Der Vorgarten der Millers ist so perfekt wie ihr Leben. Der viel zu süße Duft der bunten Blumen vermischt sich mit dem Des Erbrochenem. Oben sollten sie so langsam fertig sein. Nach Jims Anweisungen, die er von Joe erhalten hat, wird das Opfer verunstaltet und in die Leiche wird ,,db" geritzt.
Für ,, died beauty" , also ,, gestorbene Schönheit".

Ich liebe lieber EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt