Die letzten Stunden im Auto

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Als wir dann bezahlt haben und die anderen ihre Sachen zusammengepackt haben, gehen wir gemeinsam zum Auto. Luke ist eigentlich dran mit fahren, aber Lenny setzt sich ungefragt ans Steuer und Luke kann ihn nicht umstimmen. Wie immer mache ich mich auf den Weg einmal um den Wagen, um mich dann auf die Rückbank neben den kichernden Harry zu setzen, aber Luke hält mich davon ab. ,,Ich kann mich neben ihn setzen und du gehst nach vorne. Das habt ihr beide verdient"
Dankbar sehe ich ihn an und will etwas erwiedern, doch er steigt schon mit einem wissenden Lächeln ins Auto. Gut gelaut lasse ich mich in den bequemen Sitz neben Lenny fallen, der sich noch suchend nach mir umdreht und mich neben sich gar nicht bemerkt. Erst als ich meine Hand in seine lege, dreht er sich verwundert um und sieht, dass ich neben ihm sitze. Ohne sich um die anderen Mitfahrer zu kümmern, beugt er sich mit verscchmitztem Lächeln zu mir und küsst mich, als wären wir alleine und nicht von Zuschauern umzingelt. Natürlich werde ich wieder rot, als er sich grinsend wieder von mir löst und vergewissere mich, ob die anderen das mitbekommen haben. Harry spielt mit seinem Plastikauto auf dem Festerrand und hat anscheinend nichts bemerkt. Luke schaut unbeteiligt aus dem Fenster, allerdings erkenne ich von hier vorne, das seine Lippen ein verschmitztes Lächeln umspielt. Gott, ist das peinlich! Ich versuche so tief wie möglich in meinem Sitz zu versinken. Lenny neben mir ist natürlich die Selbstsicherheit in Person und seine Hand wandert, nachdem wir langsam aus der Einfahrt gerollt sind, suchend über meinen Bauch. Schnell nehme ich sie in meine und er drückt sie fest. Wieder bin ich erstaunt, wie viel eine so kleine Bewegung ausachen kann, denn sofort fühle ich mich sicherer, stärker und fast schon unbesiegbar.
Bald schon sind wir wieder auf dem Highway und die Landschaft rauscht nur so an uns vorbei. Doch obwohl es ziemlich früh ist - 6:47h - , ich letzte Nacht nur wenig zum schlafen gekommen bin und heute morgen recht ffrüh wach war, um ihn neben mir unbemerkt anzuschmachten, bin ich nicht müde, sondern sprühe nur so vor Energie. Anders als Luke und Harry, die auf der Rückbank aneinander gekuschelt dösen.
Weil ich sonst ncihts zu tun habe, betrachte ich Lenny, was eigentlich eine recht schöne Beschäftigung ist. Er sieht so verändert aus. Dieser Lenny, der mit einem Lächlen und strahlenden Augen fährt, die Schultern gelassen an den Sitz gelehnt und leise eine unbestimmte Meldodie pfeifend, ist nicht mit der Person zu vergleichen, die gestern noch mit hängenden Schultern und leeren Augen am Steuer saß. Dass ich für diesen Wandel verantwortlich sein soll, kann ich immer noch nicht glauben. Seine blauen Augen sind stetig aufmerksam auf die Fahrbahn gerichtet, um uns zwischen den paar Autos sicher hindurchzuschleusen. Ich könnte das nicht. Also davon abgesehen, dass ich noch überhaupt nicht Autofahren kann, kann ich mich selbst gar nicht davon abhalten ihn nicht alle drei Millisekunden anzusehen und mich zu fragen, womit ich ihn verdient habe. Ich könnte nicht die ganze Zeit aufmerksam den Verkehr im Auge behalten, wenn er direkt neben mir sitzen würde, ohne ihn nicht andauernd anzuschmachten. Aber ich bin nnmal nicht er und er hält ruhig meine Hand und drückt sie alle paar Sekunden, wie um sich zu vergewissern, ob das echt ist. Allerdings ist er da nicht der Einzige. Ich musste mich auch schon einige Male kneifen und befürchtete aus diesem wunderbaren Traum aufzuwachen, weil ich einfach nicht glauben kann, dass dieser gutaussehende, witzige, unglaubliche Typ mich ausgesucht haben soll hier neben ihm zu sitzen und seine Hand halten zu dürfen. Wenn ich daran denke, wie ich noch vor ein paar Monaten diesen gegelten Hochstapler Zac angeschmachtet habe, kann ich mich selbst nicht verstehen. Zwei Jahre habe ich mich heimlich nach ihm verzehrt, bis er sich dann endlich dazu herabgelassen hat mich zu daten und dass auch nur nach einem Umstyling von Jessie. Ich war sogar kurz davor ihm, aus Gründen, die ich jetzt wirklich nicht mehr nachvollziehen kann, meine Jungfräuligkeit zu schenken, aber dann - man kann schon fast sagen, zum Glück - habe ich ihn mit meiner damaligen guten Freundin Amber im Bett erwischt. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass unsere Freundschaft damit erloschen war.
Wenn ich an diesse Zeit zurückdenke, kann ich einfach nur über mich lachen. Was bitte genau fand ich an Zac Conroy nochmal so toll? Seine hochgegelten, schwarzgefärbten Haare? Seinen kindlichen unraifen Humor? Wenn man ihn so mit Lenny vergleicht, kommt er einem einfach nur vor wie eine Witzfigur. Lenny ist einfach so anders. So viel ruhiger, so viel interesanter, so viel einfühlsamer, so viel reifer, ich könnte diese Liste ewig so weiterführen.
Ich sehe ihn wieder an und betrachte seine ruhige Hand auf dem Lenkrad, seine hübschen, vollen Haare, die Muskeln, die sich leicht unter seinem dünnen, schwarzen Shirt abzeichnen und könnte mich sofort wieder in ihn verlieben. Er hat wohl aus den Augenwinkeln mitbekommen, dass ich ihn wiedereinmal betrachte, denn seine Mundwinkel heben sich zu einem unwiederstehlichen Lächeln und er drückt sanft meine Hand. Wie gerne würde ich mich jetzt an ihn schmiegen, mich in die Kuhle an seinem Hals kuscheln und seinen Duft einatmen. Gerne würde ich diesen unglaublichen Geruch - eine Mischung aus wenig Deo und Aftershave und seinem Eigengeruch - beschreiben, aber ich kann einfach nicht sagen, was es ist. Nur, was es für mich bedeutet. Nämlich Sicherheit, Geborgenheit und Liebe. Ich weiß, dass klingt unglaublich kitschig und ich hätte auch nicht gedacht, dass ich so etwas mal denke, aber es ist die Wahrheit.
Gerade ist es ganz still im Auto und ich überlege, wie schön es jetzt wäre, wenn Lenny und ich richtig zusammen wären, vielleicht auf dem Weg zu einem Date oder zu einer Party und nicht auf der Suche nach einem 12-jährigen Jungen und auf der Flucht vor einer Killer-Organisation, die von einem Psychopathen angeführt wird. Wenn ich mir so überlege, wie fremde Leute mich beobachtet und meine Vorlieben und Hobbies herausgefunden haben, mit der Absicht mich mit diesen Informationen dazu zu bringen mich in jemanden zu verlieben, der mich dann umbringen soll, läuft mir immer wieder ein eiskalter Schauer über den Rücken. Alleine schon, wenn ich an den Abend im Wald denke, wo ich diese Schritte hinter mir gehört habe, bricht mir kalter Schweiß aus.
,,Kann ich euch mal was fragen?"
,,Alles", antwortet Lenny mir, wie aus der Pistole geschossen. Im Rückspiegel erkenne ich, wie sich Luke neugierig aufrichtet.
,,An dem Tag, als ich mich mit Lenny zum zweiten Mal am See getroffen habe, wo auch die Anderen dabei waren, ich weiß nicht mehr genau, welcher Tag das war" ,,Einundzwanzigster Dezember", murmelt Lenny leise.
,,An dem Tag waren wir beide am Ende noch alleine und später ist Lenny einfach so gegangen"
,,Es tut mir Leid", unterbricht mich Lenny wieder, und drückt meine Hand ,,in dem Moment auf dem Eis ist mir klar geworden, dass ich ziemlich in der Scheiße stecke, wenn ich mich weiter in dich verliebe und ich habe ein wenig Panik bekommen, vor allem um dich. Ich dachte, wenn ich nicht zu viel Zeit mit dir verbringe, kann ich da noch irgendwie raus und klar im Kopf werden, aber später ist mir dann klar geworden, dass ich schon vom ersten augenblick an in dem Café verloren war"
Sofort werde ich wieder rot und ich höre, wie Luke hinter uns belustigt schnaubt.
,,Ihr seid vielleicht zwei Nervensägen mit eurem geschmachte!", meckert er lächelnd, ,,uns Singles hier hinten geht das vielleicht auf den Geist. Müsst ihr den euer Glück gleich mit der ganzen Welt teilen? Ich meine ich freue mich ja, dass sich die beiden Trauerklöße sich in zwitschernde Turteltäubchen verwandelt haben, das macht die ganze Atmosphäre besser, aber irgendwann muss auch Schluss sein! Bailey, du wolltest doch was fragen?"
Kurz muss ich überlegen, bis mir die Frage wieder einfällt, so sehr war ich von Lenny's Worten abgelengt. ,,Tja also", stottere ich rum, ,,an dem Abend bin ich zu Fuß nach Hause gelaufen, weil ich ein wenig alleine sein wollte und da musste ich durch den Wald, es war schon ein wenig dunkel und plötzlich war ich mir sicher Schritte hinter mir gehört zu haben. Ich bin gerannt wie ein Weltmeister und als ich angekommen war, habe ich auch nichts mehr gehört, aber das hat mir schon einen Schrecken eingejagt. War das jemand von euch?" Während ich erzählt habe, hat Lenny's Gesichtausdruck von belustigt, über entschuldigend zu entsetzt gewechselt und jetzt drückt er fest meine Hand und muss sich anstrengen weiterhin auf die Fahrbahn, anstatt in mein Gesicht zu gucken, als er sagt: ,,Das muss ja schrecklich gewesen sein! Ich hätte nicht einfach so gehen dürfen"
Anstatt einer beschwichtigenden Antwort, führe ich seine Finger an meine Lippen und gebe ihnen einen federleichten Kuss, woraufhin sich ein Lächeln auf sein hübsches Gesicht schleicht.
,,Um deine Frage zu beantworten", beginnt Luke mit übertrieben lauter Stimme, ,,also meines Wissens nach, war da niemand unterwegs, aber ich bin da ja meist nicht informiert. Obwohl, moment mal, wenn ich genauer nachdenke", er überlegt kurz, ,,ich glaube an dem Tag, andem Lenny so mies gelaunt von eurem Date zurückkam, war Jim nicht da. Ich hatte mich gewundert, weil er zu einer eher unwichtigen Besprechung nicht erschienen war, wo er doch sonst immer zu allem kommt, wo er sich ein bisschen aufspielen kann. Je länger ich darüber nachdenke, desdo sicherer bin ich mir. Bei ihm könnte ich mir das richtig gut vorstellen, dass der dir nachts durch den Wald hinterherschleicht, der es echt ein Arsch"
Gerade will ich weiter nachhaken, da schaltet sich Harry in unser Gespräch ein. ,,Was sind Turteltäubchen?"
,,Siehst du die beiden Nervensägen da vorne?", fragt Luke und weist mit dem Finger auf uns, ,,genau das sind Turteltäubchen.

Ich liebe lieber EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt