Wieder von vorne

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Am nächsten Tag klingelt der Wecker zwar wie immer um halb sieben, doch heute kommt es mir vor wie um halb vier. Stöhnend quäle ich mich aus meinem Bett und unter die Dusche. Um endlich wach zu werden, drehe ich das Wasser eiskalt. Mit einem quieken bin ich wach. Ein Handtuch um den Bauch gebunden stapfe ich wieder in mein Zimmer. Eigentlich ist es nicht allein mein Zimmer. Ich teile mir das Zimmer mit Luke und seinem Bruder. Als ,,Hauptperson" - so wird meine Rolle genannt - könnte ich theoretisch auch ein eigenes Zimmer haben, doch das wäre mir zu langweilig. Ich mag den ganzen Trubel, den die beiden Geschwister bedeuten. Wenigstens haben wir, was nicht alle von ihrem Zimmer behaupten können, ein eigenes Bad.
Da komme ich grade raus um mir meine Klamotten zu holen, als ich bemerke, dass Luke und sein Bruder schon weg sind. Das wundert mich, da ich eigentlich immer der Erste bin der aufsteht. Plötzlich fällt es mir wieder ein. Der neue Auftrag! Das heißt alles geht wieder zum elften mal von vorne los. Immer wenn es einen neuen Auftrag gibt, müssen die Sucher von früh bis spät arbeiten. In diesen Zeiten sehe ich meinen besten Freund und Harry nur selten.
Ich hab da nur wenig zutun. Meine größte Aufgabe besteht dann immer darin Dinge auswendig zu lernen. Zum Beispiel mir irgendwelche kitschigen Filme wieder und wieder ansehen, weil das Opfer ganz versessen von diesen Filmen ist und ich ihr natürlich gefallen soll.
Nachdem ich mir die Haare trocken gerubbelt und mich angezogen habe, gehe ich in die Arbeitshalle. Dort ist es ganz leise und mein hört nur das Brummen der Computer und leises Geflüster. Ein paar Arbeitsplätze sind leer. So auch die von Luke und Harry. Sie sind wahrscheinlich auf Tour um Informationen aus erster Hand zu bekommen. Ich schaue mich um und setzte mich auf mein Sofa.
Es nicht mein Sofa, aber eigentlich sitzt außer mir niemand drauf. Ich liebe dieses giftgrüne Lacksofa, das irgendwer mal hier hingestellt hat. Ich sitze hier Oft und warte auf Sucher, die mit irgendwelchen Zetteln oder Filmen kommen.
Ich muss nicht lange warten. Schon nach zehn Minuten, in denen ich versucht habe etwas Schlaf nachzuholen, kommt Dennis angewatschelt. Er ist ziemlich dick und ziemlich gut im Umgang mit Computern. Er hat einen Stapel Zettel in der Hand, mit denen er unter meiner Nase hin - und herwedelt. Dabei näselt er : ,,Lern die hier so schnell du kannst auswendig! Die hat sie geschrieben. Sie hat so einen anonymen Block indem sie selbst geschriebene Gedichte veröffentlicht. Viel Spaß!"
Lachend geht Dennis wieder an seinen Arbeitsplatz. Es sind vier eng bedruckte Seiten mit Gedichten. Entnervt stehe ich von meinem Sofa auf und suche einen abgelegenen Aufenthaltsraum. Erst hinter der vierten Tür ist keiner. Ich setze mich auf einen Ohrensessel und lese mir das erste Gedicht durch. Es ist gut. Ich meine ich verstehe nicht viel von Gedichten, aber diese gefallen mir. Als ich mir alle durchgelesen habe, bin ich begeistert. Das Mädchen kann echt tolle Gedichte schreiben! Es geht nicht wie in den meisten Mädchengedichten um Pferde, Liebe oder Jungs, sondern um die Schönheit der Natur und der Welt, die noch nicht zerstört wurde.
Ich schaue auf meine Uhr und zucke zusammen. Seit drei Stunden bin ich in diesem Raum und habe die Zeit völlig aus den Augen gelassen. Mein Magen grummelt. Da fällt mir ein, dass ich heute noch gar nichts gegessen habe. Hoffentlich ist die Küche um zehn noch nicht zu. Ich sprinte in die Küche und erwische Sepp grade wie er die Küche zuschließt. Ich stöhne auf. Da bemerkt mich Sepp. ,,Hey Lenny, hab dich heut gar nicht beim Frühstück gesehen", begrüßt er mich.
Ich lächle verlegen und sage : ,,Tja, das ist ja gerade das blöde ... irgendwie habe ich bei der Arbeit total die Zeit vergessen und ..."
,,Und jetzt willst du noch was essen, oder?" Ich nicke. Sepp lächelt und schließt die Tür wieder auf. ,,Warte kurz!"
Und schon ist Sepp zwischen den ganzen Küchengeräten, Tischen und Essensvorräten verschwunden. Bei dem vielen Essen grummelt mein Magen schon wieder. Doch bald hat Sepp gefunden was er sucht. Ein Ei. Fragend guckt er zu mir. Ich nicke. Ei esse ich ziemlich gerne zum Frühstück. Nach quälenden fünf Minuten habe ich ein lecker riechendes Spiegelei mit Speck. ,,Danke Sepp, du bist echt der Beste!"
Sepp lacht nur. ,,Immer gerne, Lenny!"
Dann ist er weg und ich gehe wieder auf das grüne Monster. So hat Harry das giftgrünen Sofa getauft und dieser Name ist irgendwie daran hängengeblieben.
Endlich ist mein Hunger gestillt und ich kann mich wieder ganz dem Auswendiglernen widmen. Nach nur dreimal durchlesen, kann ich die Gedichte auswendig. Doch in meinem Fach, dass ist eine Box, die neben dem grünen Monster steht , ist noch was drin. Dort können die Sucher Informationen für mich reinlegen, wenn ich nicht in der Nähe bin. Jetzt liegt dort ein Film. Ich stöhne auf. Ich hatte gehofft, dass ich diesmal um kitschige Liebes oder Vampierfilme drum rum komme. Ich gehe wieder in den Raum und schiebe die Disc in den Recorder. Ich habe mich geirrt. Diesmal muss ich keine kitschige Liebesstory auswendig lernen. Auf der Disc sind alle vier Folgen von ,,Fluch der Karibik". Die kann ich zwar schon mitsprechen doch die Erste schau ich, mir noch an.
Wieder knurrt mein Magen. Kein Wunder, es ist ja auch schon halb zwei. Ich stehe auf, schalte den Fernseher aus und gehe zum Mittagessen. Ich blicke mich um doch Luke und Harry sind nirgends zu finden. Gelangweilt schiebe ich mir die Spagetti in den Mund.
Ich mag diese Zeit nicht wo alles wieder von vorne los geht. Aber danach wird's besser. Mit vollem Magen gehe ich zum grünen Monster um in meine Box zu schauen. Ich finde noch ein paar Gedichte und ein paar Rezepte für Lasange.
Am Abend falle ich todmüde ins Bett. Ich wusste nicht, dass kochen so anstrengend ist.

Ich liebe lieber EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt