Keinen Bären aufbinden

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Zuhause angekommen verarztet sich Felicitas erst einmal selbst und zischt immer wieder auf. Desinfektionsmittel bei offenen Wunden brennt eben wie sie Sau. Aber zumindest sind die Schürf- und Kratzwunden versorgt und da morgen eh Wochenende ist und sie keinen Dienst hat, ist alles in bester Ordnung. Aber was für eine Scheiße war das heute wieder? Langweiliges Leben ade, so wie es aussieht! In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten sammelt sie alles was ihr irgendwie an Information nützlich erscheint. Seien es komische Vorfälle die sie aus den Medien hat, Infos aus dem Internet oder selbst komische Gefühle oder Emotionen. Sie führt schon fast penibel ein kleines Buch darüber, welches sie immer bei sich hat. Naomi versteht zwar das urplötzliche Interesse an diesen Kreaturen nicht, aber wenn Lizzy ihrer Fantasie freien Lauf lassen will, dann soll sie es tun. Sie unterstützt ihre beste Freundin dahingehend nur und schickt ihr selbst hin und wieder etwas, wenn sie etwas finden sollte. Felicitas achtet nun sehr auf ihre Umgebung und die Leute. Ihre Reaktionen. Sie hat einen extremen Selbstbewusstseins-Schub bekommen und lässt die Narbe ohne irgendwelche Bedeckung. Dadurch zieht sie die Blicke auf sich und merkt, dass ein paar Menschen die Narbe mit mehr Skepsis oder vielleicht sogar Angst betrachten als andere. Und sie merkt auch, dass sie bei diesen Personen immer, wirklich jedes Mal eine verdammte Gänsehaut bekommt. Wenn sie also eins und eins zusammenzählt, dann sind das keine richtigen Menschen sondern irgendetwas anderes. Aber sie kann nicht sagen was. Wirklich Gefahr spürt sie aber selten und wenn, dann zieht sie sich sofort zurück. Im Park sitzend beobachtet sie wieder die Leute. Der Frühling ist da und somit treibt es die Menschen raus in die ersten Sonnenstrahlen. Lizzy hat das kleine Büchlein aufgeschlagen, in der rechten Hand einen Stift um alles aufzuschreiben was ihr auffällt. Es ist schon ziemlich spät, die Sonne ist untergegangen und viele Leute gehen hier durch um schneller von der Arbeit daheim zu sein. Selbst sie hat eine Jacke an und ihr ist kalt, aber diese bestimmte Gänsehaut, dieses bestimmte Gefühl, es kommt nicht von der Kälte. Das kann man unterscheiden. Ihr Blick geht runter in das Buch und sie blättert ein paar Seiten vor, um sich einen anderen Eintrag durchzulesen. Was es alles für Wesen geben könnte. Nur von Vampiren und Ghulen weiß sie, aber was ist mit all den anderen Dingen? Anderen Spezies? Ein kalter Schauer läuft ihr den Rücken hinunter und zuerst schreibt sie es wirklich der Kälte zu, ehe sich ihre Nackenhaare aufstellen. Sie hebt den Kopf und sieht nur eine Person die aus der Menge heraussticht. Ein extrem großer Kerl mit weißen Haaren die unter einer militärisch angehauchten Mütze hervorkommen. Der untere Teil des Gesichts ist von seinem Mantel verdeckt, höchstwahrscheinlich um die Nase warmzuhalten die darin versunken ist. Moment. Den Kerl kennt sie doch irgendwoher. Aber woher? Er holt sein Handy raus und die Erinnerung kommt wieder hoch. Er stand mit ihr bei der Bushaltestelle nachdem der andere Kerl ihr wieder das Leben gerettet hatte. Was für ein komischer Zufall dass sie damals schon so ein komisches Gefühl hatte und jetzt wieder. Er bleibt in ihrer Nähe stehen und scheint einen Anruf machen zu müssen. Lizzy nimmt ihre Chance wahr und fängt an seine Umrisse zu zeichnen. Seine Augen, die Haare, die Mütze, den langen Mantel. Sprechen scheint er nicht zu mögen, denn er brummt immer nur zustimmend, ablehnend oder fragend. Irgendwann jedoch legt er wieder auf und starrt sie an. Sie starrt direkt zurück. Fuck und jetzt? Unsicher lächelt sie ihn an und sieht wieder in das kleine Büchlein hinunter. Als Kritzelei kann man das durchgehen lassen, wenn sie das als Zeichnung hätte machen wollen würde sie sich selbst schlagen. Mit einem Mal wird ein gewisser Druck in ihrem Kopf spürbar und den hatte sie nur einmal. Als der Kerl dachte sie manipulieren zu können. Lizzy hebt den Kopf wieder und sieht sich um. Aber er ist nirgends zu sehen! „Buh." Sie kann sich gerade noch so ein Kreischen verkneifen, zuckt jedoch auf die Seite und reißt ihren Kopf herum. Sie sieht die roten Augen nun direkt, da er keine Brille trägt. Auf seinem Gesicht ein leichtes Schmunzeln. „Du kannst dich aber auch nicht raushalten, oder?" Die schwarzhaarige beruhigt sich erst einmal wieder und atmet tief durch. Alles wird wieder gut! „Aber wie ich sehe hast du irgendwie deine Erinnerungen zurückbekommen. Ich frage mich, was ich bei dir falsch gemacht habe." Leise schnaubt sie und verdreht die Augen. „Das fragen sich meine Eltern auch teilweise. Aber, Mister... Vampir. Sie haben mir meine Erinnerungen nie genommen. Sie können mir keinen... Bären aufbinden."

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