Zwei Jahre Rehabilitation

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Felicitas hasst die Nummer zwei, weil sie das bis jetzt immer gewesen ist. Seit der Grundschule läuft sie nur auf dem Grass neben dem Gehweg, geht hinter händchenhaltenden Pärchen her und sitzt allein auf dem Rücksitz eines Wagens oder allein im Bus. Der Grund warum sie nicht so gut mit mehreren Leuten auf einmal kann. Bei Konversationen wurde sie meist nicht beachtet. ‚Also ich-', würde sie beim ersten Mal sagen. ‚Also ich-', würde sie es wieder versuchen. Alle guten Dinge sind drei, nicht wahr? ‚Also ich-' und es wird nicht einmal in ihre Richtung gesehen. Der Grund wieso sie bei den Gesprächen immer still ist und wenn sie etwas zu sagen hätte, dann denkt sie es sich nur noch. Sie beneidet die gefunden Familien in Büchern und Serien oder Filmen weil sie realisiert hat, dass sie niemals so ein Band knüpfen könnte. Nie so eine Freundschaft haben wird. Jemand der für sie sterben würde? Sie schaffte es ja kaum jemanden zu überzeugen mit ihr etwas zu unternehmen. Der Grund, wieso sie sich vielleicht nach außen hin freut wenn ihr jetzt jemand sagt dass man für sie sterben würde! Aber sie kann es in ihrem Inneren nicht glauben, zu oft wurde ihr das Gegenteil bewiesen. Also formte sie Beziehungen zu den Charakteren in Büchern und Serien. Idealisierte die Romantik und die Liebe in der Hoffnung es würde eines Tages die Leere in ihrem Herzen füllen und die Stimme verstummen lassen die ihr immer wieder sagt dass sie nicht genug ist. Sie tut so als würde ihre Augen nicht grün vor Neid glühen wenn sie Videos sieht bei denen Freunde alles miteinander machen. Sie will gemocht werden. Geliebt! Sie will dass es stoppt wenn jeder sie verlässt. Sie will gesehen werden, gehört! Sie will jemandes Welt sein! Aber das ist für die zweite Wahl nicht realistisch. Felicitas war mit ihren 20 Jahren verbitterter als so manche alte Witwe. Auch wenn alles was sie will, alles was sie wollte, ein Leben mit Freundschaft, Liebe und Hoffnung war. Sie versuchte es nicht nach außen hin zu zeigen, aber sie war nicht mehr enttäuscht wenn man ihr eine Freundschaft vor die Füße schmiss die sie mit allen Mitteln versucht hatte aufrechtzuerhalten. Ihre Emotionen liesen es nicht mehr zu. ‚Du wusstest doch dass es nicht hält', flüsterte sie sich selbst zu und wurde für kalt und gefühlslos gehalten weil sie nicht versuchte die Scherben wieder zusammenzukleben die man ihr hinschmiss. Ihre bisherigen Freunde die sie hatte waren wirklich Engel und hatten eine wahnsinnige Geduld mit ihr, denn sie wussten von ihrem Vertrauensproblemen und den anderen Dingen. Ihre soziale Batterie, die damals immens war und fast nie ausging, hält nun nur noch wenig aus und man ist sich diesen Fakts bewusst. Ihre Freunde wussten dass sie es nicht annehmen kann wenn jemand sagte dass man für sie sterben würde und wie wichtig die Freundschaft wäre. Es war manchmal hart für sie, aber Felicitas lebte in ihrer eigenen Welt. Bestehend aus zerbrochenen Dingen die sie einst versuchte zu erhalten und zusammenzufügen. Jeder wusste dass es schwierig ist sie dort wieder hinauszuziehen, der Grund warum die Freundschaften in die Brüche gegangen sind. Doch die wenigen die geblieben sind, besaßen die Sturheit ihr zu zeigen was das Leben wirklich bereithält und hin und wieder konnte sie einen Blick durch die Scherben auf ein normales Leben erhaschen. Zwei Jahre später, mit 22 Jahren, ist sie zumindest einigermaßen wieder rehabilitiert und ist der einzigen Person dankbar die geblieben ist. Alle anderen haben erneut leere Versprechungen gemacht, aber das ist keine große Überraschung. Sie hat die Ausbildung im medizinischen Bereich beenden können und arbeitet in dem gleichen Krankenhaus in welchem sie ihre Ausbildung absolvierte. Es ist ein Wehrmutstropfen dass die einzige Freundin, die ihr durch alles geholfen hat und geblieben ist, in einem anderen Land lebt und eigentlich eine andere Sprache spricht. Aber es ist das Jahr 2022, da sollte man sich in Englisch unterhalten können! Auch wenn sie von ihr immer wieder Deutsch lernt und sie nach zwei Jahren sogar ein bisschen was sprechen kann. Ist Felicitas deswegen ein wenig stolz? Auf jeden Fall, kann nicht jeder von sich behaupten. In ihrer Schule musste sie sich eine zweite Sprache aussuchen, Deutsch stand leider nicht zur Verfügung. Neben Englisch beherrscht sie noch italienisch. Zur Auswahl standen Spanisch, Italienisch oder Russisch und da sie keine Lust auf kyrillisch hatte und Spanisch jeder genommen hatte und sie nicht mit bestimmten Personen in eine Klasse wollte, hat sie sich für italienisch entschieden. Es war eine kleine Klasse, aber dafür hat man umso besser gelernt und jeder hat sich in der Spanisch-Klasse beschwert. Also doch irgendwie richtig entschieden.

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