Kapitel 12

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Durch die Aufregung wurden Biggis Bauchschmerzen wieder stärker und sie hielt sich den Unterbauch. "Setz dich mal hin!", sagte Karin und verfrachtete Biggi erstmal zur nächstgelegenen Sitzgelegenheit.
Die junge Pilotin konnte nicht mehr an sich halten, sie brach in Tränen aus. "Wie konnte er mir so etwas nur antun?!", schluchzte Biggi und Karin nahm sie sofort in den Arm. "Den schnapp ich mir!", schrie Peter plötzlich, dessen Wut nun endgültig übergekocht war. Er eilte aus der Umkleide. Ralf, Mark und Jens folgten ihm sofort. Max ging ebenfalls hinterher. Sie wollten Enrico zur Rede stellen und ihm die verdiente Abreibung verpassen. Zuletzt stand nur noch Gina unbeholfen im Raum.
"Kann ich was tun?", fragte sie und Karin nickte. "Hol die Tasche mit den Medikamenten.", bat Karin sie und Gina ging sofort davon. "Ich will nichts!", stellte Biggi klar. "Du brauchst was.", antwortete Karin ruhig. "Ich gebe dir nur ein leichtes Schmerzmittel, das wird dich nicht komplett ausknocken, versprochen." Karin wollte nicht, dass Biggi zusätzlich zum seelischen auch noch körperlich leiden musste.
Gina kehrte nach wenigen Augenblicken mit der Tasche zurück. Während Karin eine Spritze vorbereitete, kamen die Jungs wieder zurück. "Und?", fragte Karin, die erstaunt war das es so schnell gegangen war. "Er ist weg!", rief Peter aufgebracht und schlug gegen eine der Schränke, dass es nur so krachte. Biggi und Karin zuckten zusammen. "Geht's noch lauter?!", fragte Karin ihn daraufhin, die bei Biggi gerade die Spritze angesetzt hatte. "Sorry.", antwortete Peter.
Karin gab Biggi dann das Schmerzmittel und Biggi strich sich die Tränen aus dem Gesicht. "Das war's dann wohl.", flüsterte sie. "Ich hab keinen Freund mehr, kein Kind und keinen Job. Kann ich mir doch eigentlich gleich die Kugel geben!"
Anstelle von Karin wurde Biggi nun von Peter in den Arm genommen, der sich neben sie gesetzt hatte. "Auf keinen Fall!", sagte Peter streng. "Wir finden eine Lösung!", flüsterte er Biggi anschließend zu und versuchte seine nun wieder weinende Kollegin zu beruhigen.

Fünf Wochen später..
Seit Biggis Suspendierung war sie nicht mehr auf der Basis gewesen. Sie lag die meiste Zeit nur im Bett, aß kaum noch und weinte viel. Dadurch, das ihr letzter Halt im Leben nun auch noch verloren war, sah sie keinen Sinn darin irgendetwas zu versuchen um aus der Lage wieder heraus zu kommen.
Sie wurde nun gezwungen über alles nachzudenken. Über den Verlust ihrer Kollegen, den Verrat durch Enrico, den Tod ihres ungeborene Kindes. Biggi hatte keinen Grund mehr zu lachen, keinen Anreiz mehr positiv zu denken. Sie hielt sich selbst für ein Wrack, das vor sich hin vegetierte.
Ihre Kollegen, besonders Ralf, Karin und Peter, versuchten ständig sie dazu zu bewegen das Haus zu verlassen. Meist vergeblich. Die Suche nach einem Psychologen hatte Karin übernommen, nachdem Biggi keinerlei Anstalten gemacht hatte sich darum kümmern zu wollen.
Letzte Woche hatte Biggi ihren ersten Termin gehabt, heute stand der nächste an. Doch Biggi lag noch im Bett und starrte an die Decke. Karin kam gerade von der Arbeit nach Hause und sah Biggis Autoschlüssel auf der Kommode im Flur liegen, obwohl sie eigentlich schon auf dem Weg zu ihrem Termin sein müsste. Biggi hatte Karin sogar versprochen heute von selbst dorthin zu fahren, aber wahrscheinlich nur um eine Diskussion zu vermeiden. Das tat Biggi in letzter Zeit so oft, dass Karin kaum noch an sie ran kam. Dabei machte sich die Notärztin größte Sorgen um ihre Freundin.
"War ja klar.", murmelte Karin und seufzte schwer. "Biggilein, du machst mich fertig!" Karin warf ihre Schlüssel auf die Kommode und eilte gleich nach oben. Ohne zu klopfen stürmte sie in Biggis Zimmer, das immer noch so eingerichtet war wie Thomas es verlassen hatte. Biggi hatte ihre Sachen nicht in den Schrank geräumt, das meiste ihres Hab und Guts befand sich weiterhin in Kisten die nun bereits seit Wochen in der Garage standen. Sie lebte immer noch aus dem Koffer, wollte im Zimmer nichts verändern wenn es nicht unbedingt nötig war. "Aufstehen, Biggi!", rief Karin und riss die Vorhänge ohne Vorwarnung zur Seite auf. Durch das eindringende Sonnenlicht wurde Biggi geblendet, weshalb sie sich die Decke über den Kopf zog.
"Geh weg!", gab sie genervt von sich. Doch Karin dachte nicht daran und zog ihr die Decke weg. "Du hast einen Termin beim Psychologen!", rief Karin aufgebracht. "Beweg deinen Hintern aus dem Bett, sonst helf ich nach!"
Doch Biggi dachte nicht daran aufzustehen. "Biggi, los jetzt! Ich hab die Termine nicht umsonst gemacht, du gehst da jetzt hin!", stellte Karin klar. "Ich hab den Termin heute abgesagt, okay?! Lass mich jetzt einfach in Ruhe!" Karin glaubte sich verhört zu haben. "Du hast den Termin abgesagt?!", fragte sie deshalb nach. "Ja!", entgegnete Biggi und holte sich die dünne Decke, die unten am Fußende lag. Unter dieser verkroch sie sich nun. "Ich geh da nicht mehr hin, verstanden?! Es bringt nichts! Überhaupt nichts! Ich schaff die Prüfung doch eh nicht!"
Karin seufzte und setzte sich auf die Bettkante. "Du redest Blödsinn.", sagte Karin wieder ruhiger. "Nein, tu ich nicht! Ich will einfach nur hier liegen, keinen sehen und keinen hören, damit helft ihr mir am meisten!" Karin war langsam mit ihrem Latein am Ende. "Ich will das einfach nicht mehr!", schluchzte Biggi plötzlich auf. "Ich will nicht mehr darüber reden, geschweige denn daran denken.. ich will einfach das es aufhört!"
Karin strich Biggi durchs Haar. "Das weiß ich doch. Und es wird aufhören, aber nur wenn du dein Leben wieder in die Hand nimmst. Sich zu verkriechen macht es noch schlimmer.", erklärte Karin ihr.
"Aber jetzt, da du den Termin abgesagt hast, hat sich das sowieso für heute erledigt. Liegen lasse ich dich trotzdem nicht, weil wir jetzt mal einen Spaziergang machen. Steh auf, zieh dich an, in fünf Minuten bist du unten!"
Danach verließ Karin das Zimmer und Biggi erkannte, dass sie keine andere Wahl hatte als Karins Aufforderung folge zu leisten.
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Thomas wartete bereits seit zwei Stunden auf Michael. Dieser hatte bereits Feierabend und müsste gleich zu Hause ankommen. Thomas musste dringend mit Michael sprechen, denn er hatte einen Anruf erhalten, der ihn total verwirrt hatte und noch immer konnte er nicht glauben dass das vorhin wirklich passiert war.
Nach einer weiteren, endlose erscheinenden Stunde, hörte Thomas wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Michael war fix und fertig. Ein Tag in der Klinik schlauchte ihn mehr als eine Schicht auf der Basis. Aber das war Vergangenheit, das musste er akzeptieren. "Michael?", rief Thomas fragend. "Ja, wer sonst?", antwortete Michael und hängte seine Jacke auf. "Wir müssen reden!", stellte Thomas klar, der immer noch in der Küche am Tisch saß. Auch das Telefon lag noch da.
Michael betrat die Küche. "Was schreist du denn so?", fragte Michael seinen Kumpel. "Wir müssen reden.", wiederholte Thomas. "Wo warst du eigentlich? Du hättest vor ner Stunde schon da sein sollen!", meinte Thomas. "Bist du jetzt meine Mutter oder was?", wollte Michael wissen. "Wir hatten eine schwere OP, die hat halt länger gedauert. Aber jetzt sag schon, warum bist du so aufgekratzt?" Nun, da Michael vor ihm stand, wusste Thomas nicht mehr wie er es seinem Freund erklären sollte. Obwohl er sich alle Sätze die ganze Zeit über zusammen gesetzt hatte, war inzwischen alles vergessen. Thomas wusste nicht mal mehr, ob er nicht nur geträumt hatte. Aber den Anruf hatte es tatsächlich gegeben, da Thomas extra nochmal in der Anruferliste des Telefons nach schaute.
"Sag mal.. geht's dir gut? Ist irgendwas passiert?", fragte Michael irritiert, da Thomas sonst nie auf den Mund gefallen war. "Ja, es ist was passiert.", sagte Thomas. "Oh nein..", gab Michael gequält von sich. "Sag bitte nicht, dass dich wieder einer deiner One-Night-Stands stalkt!" Das mit Alina hatte Michael nämlich noch nicht vergessen. "Ach Blödsinn!", maulte Thomas ihn an. Seitdem das mit Alina gewesen war, hatte er nämlich keine andere Frau mehr auch nur angesehen. Sein schlechtes Gewissen war sowieso schon groß genug, obwohl die Frau der es galt hunderte Kilometer weit weg war.
"Jetzt sag schon!", drängte Michael Thomas nun. "Ich hab vorhin einen Anruf gekriegt.", begann Thomas. "Wer war's?", hakte Michael nach. "Dieser eine Mitarbeiter vom Zeugenschutz.", antwortete Thomas.
Michael wurde hellhörig. "Was wollten die?", fragte er sofort. Jedoch schwieg Thomas und blickte stattdessen seinen Freund einfach an. "Thomas, was wollten die?! Jetzt lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen!", meinte Michael ungeduldig.
"Limov ist tot.", sagte Thomas dann. "Was?", fragte Michael ungläubig. "Limov ist tot. Und die meisten seiner Anhänger auch. Keine Ahnung wie genau das passiert ist, aber es ist bewiesen das der Mistkerl definitiv nicht mehr lebt.", erklärte Thomas. "Und was heißt das jetzt?", wollte Michael wissen. "Warum hat der noch angerufen?!" Der Arzt ahnte, dass es noch mehr Gründe geben musste.
"Wir sind nicht mehr in Gefahr.", sagte Thomas daraufhin. "Mit Limov ist derjenige gestorben, der uns umlegen wollte und wegen dem wir jetzt hier sind. Durch seinen Tod sind wir jetzt wieder sicher und brauchen nicht länger im Zeugenschutz bleiben." Michael ahnte was das bedeutete, konnte es aber nicht wirklich glauben.
"Wenn wir wollen, dürfen wir unsere alte Identität zurück haben und dürfen die USA verlassen. Michael, wir dürfen zurück nach Hause.", erklärte Thomas seinem Kumpel, dem der Mund offen stehen blieb.
"Du.. du verarschst mich doch!", rief Michael und sprang von seinem Stuhl auf. "Von allen Witzen, die du bis jetzt gerissen hast, is das der mieseste!" Doch Thomas nahm einfach das Telefon, stand auf und hielt es Michael hin. "Wenn du mir nicht glaubst, dann ruf den Typen doch einfach selbst an. Ich bin nur der Bote. Die machen für uns Papiere mit unserer alten Persönlichkeit und dann können wir in den nächsten Flieger steigen und überall hin fliegen wo wir wollen. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich will nur zurück nach Österreich." Das Thomas so sachlich und ruhig sprach war für Michael Bestätigung genug. Er realisierte, dass es wahr war.
"Wir dürfen zurück?", fragte er dennoch und Thomas nickte. "Es wird noch mindestens zwei Wochen dauern bis die Papiere fertig sind, aber ja. Wir sind wieder freie Männer." Die Beiden fielen sich in die Arme, denn das was sie sich am meisten gewünscht hatten war tatsächlich geschehen.

We belong together...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt