Kapitel 76

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Allerdings wollte er ihr jetzt auch nicht gleich hinterher gehen, um sie nicht zu bedrängen. Thomas wollte nun tatsächlich versuchen, Biggi dahingehend zu vertrauen, dass sie wirklich auf ihn zu kam, wenn es ihr nicht gut ging.
Und tatsächlich ging es ihr nicht schlecht. Jedenfalls nicht so gravierend schlecht, dass sie das Gefühl hatte, daran zu zerbrechen. Das war die letzten Wochen anders gewesen.
"Komm, gehen wir raus.", forderte Thomas Balu auf und der Welpe gehorchte aufs Wort. Während Thomas mit Balu in den Garten ging, war Biggi inzwischen oben im Schlafzimmer angekommen. Erleichtert atmete sie auf, als sie endlich die Tür hinter sich schließen konnte. Der Nachmittag auf der Basis war schön gewesen, aber mental absolut fordernd für die Pilotin, die sich erst wieder daran gewöhnen musste, soziale Kontakte zu pflegen und unter Leuten zu sein.
Müde schleppte sich Biggi hinüber zum Kleiderschrank und öffnete ihn. Sie entschied sich für eine Jogginghose und für einen Pullover von Thomas. Sie liebte es seine Klamotten zu tragen, es gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit, vor allem wenn er sie getragen hatte und sein Geruch an ihnen haftete. Biggi zog sich um und warf dann einen Blick in den Flur, um nachzusehen, ob das Bad nun frei war. Allerdings wurde es noch immer von den Mädels besetzt und Biggi überlegte schon, ob sie hinunter gehen sollte, beschloss dann aber im Zimmer zu warten. Also ging sie wieder hinein und schloss erneut die Tür hinter sich.
Die Pilotin kam auf die Idee, dass sie ja schon mal in ihr Tagebuch schreiben konnte. Das tat sie jeden Tag und heute hatte sie einiges zu berichten. Also ging sie nochmal zum Kleiderschrank und holte unter einen Stapel T-Shirts ihr Tagebuch hervor, das sie dort versteckt hielt.
Auf dem Weg zum Bett öffnete sie das Buch bereits und dabei fiel etwas auf den Boden. Biggi bückte sich, um es aufzuheben. Als sie jedoch erkannte was es war, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Es war das Ultraschallbild ihres verlorenen Kindes und das war der Auslöser, der gefehlt hatte, um bei Biggi heute doch noch einen Gefühlsausbruch hervor zu rufen.
Einen, der für Biggi nun selbst so unerwartet und plötzlich kam, dass ihr gar nicht dagegen hätte ankämpfen können. Ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern, in ihren Ohren begann es zu rauschen, ihre Atmung und ihr Herzschlag beschleunigten sich und plötzlich hatte Biggi wieder das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und dadurch kläglich ersticken zu müssen.
Nach Thomas zu rufen war ihr in diesem Zustand nicht möglich, was ihr zusätzlich Angst machte. Es war jetzt gerade niemand im Zimmer, der ihr hätte helfen können. Nicht einmal Balu war da, der ihr beim letzten Mal so sehr geholfen hatte, das durchzustehen.
Selbst Biggis Schluchzen wurde dadurch, dass ihr schlagartig die Luft weg blieb, unterdrückt. Tränen begannen ihr übers Gesicht zu rinnen, durch das starke Zittern, das auch ihre Hände nicht verschonte, fielen ihr das Tagebuch und auch das Ultraschallbild aus der Hand auf den Boden. Biggi fühlte sich inzwischen ganz benommen und ihr war unsagbar schlecht. Starker Schwindel blieb nicht aus, auch fühlten sich ihre Gliedmaßen taub an und schließlich gaben die Beine der aufgelösten Pilotin einfach nach.
Sie brach regelrecht in sich zusammen und lag nun auf dem Schlafzimmerboden. Ihre Umgebung nahm sie nur noch ganz verschwommen war, aus ihrer Kehle drangen undefinierbare Laute. Sie wollte schreien, um Hilfe flehen, doch es ging nicht. Es kam ihr vor, als würde der Raum um sie immer kleiner werden und sie erdrücken. Biggi glaubte außerdem gleich das Bewusstsein komplett zu verlieren. Todesangst überkam sie.
Erneut gab sie Klagelaute von sich. Diesmal waren sie lauter und auch bis hinaus in den Flur zu vernehmen, woraufhin sich plötzlich die Tür öffnete. Lisa und Laura waren gerade an der Zimmertür vorbei gekommen und hatten für sie komische Geräusche gehört, weshalb sie beschlossen hatten, nachzusehen. Als sie Biggi auf dem Boden liegen sahen, erschraken sie natürlich. Allerdings reagierte Laura sofort.
"Hol Paps!", wies sie ihre kleine Schwester an und diese rannte sofort in Richtung Treppe davon. Laura hingegen eilte zu Biggi und kniete sich zu ihr hinunter. "Keine Angst, Paps kommt gleich!", versprach sie Biggi, die alles aber nur noch als ganz weit weg wahr nahm. Gerade war ihr so, als wäre sie in einer vollkommen anderen Welt.
Dennoch legte Laura instinktiv ihre Hand auf Biggis Schulter, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Das Mädchen spürte, wie der ganze Körper der Frau bebte. Selbstverständlich hatte Laura Angst, aber Biggi alleine lassen würde sie trotzdem nicht und außerdem würde ihr Papa gleich kommen, das wusste sie.
Dieser war noch immer mit Balu draußen im Garten, als plötzlich Lisa nach draußen gestürmt kam. "Paps!", rief sie aufgelöst und rannte zu Thomas, der sie erstmal in den Arm nahm. "Was ist denn los?", fragte der Pilot alarmiert. "Irgendwas.. irgendwas stimmt mit Biggi nicht! Du musst sofort mit hoch kommen!", teilte das Mädchen ihrem Vater mit und rannte anschließend gleich wieder ins Haus. Thomas eilte ihr natürlich sofort hinterher und Balu kam ebenfalls wieder mit ins Haus.
Gemeinsam stürzten sie die Treppe hinauf und kamen letztendlich im Schlafzimmer von Thomas und Biggi an. Dort sah Thomas seine Freundin auf dem Boden liegen, seine zweite Tochter saß neben ihr und sah ihren Vater hilfesuchend an.
"Sie atmet ganz komisch und zittert total!", berichtete Laura ihrem Vater. Thomas eilte zu ihnen und kniete sich ebenfalls auf den Boden. Für ihn war die Sache gleich klar. Es handelte sich hierbei wieder um eine Panikattacke, die Biggi seit den schlimmen Erlebnissen regelmäßig heimsuchten. "Ach, Biggilein!", stieß Thomas seufzend aus und bereute es, sie nach dem Tag heute aus den Augen gelassen zu haben.

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