Es tat gut zu weinen, obwohl Biggi dies erst kurz davor getan hatte. Irgendwie nahm es den Druck. Balu ließ Biggi nicht alleine und leckte ihr gelegentlich die Tränen von den Wangen, sofern er sich so weit bewegen konnte. Denn Biggi drückte den kleinen Welpen an sich und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Er war es, der ihr in dieser Situation gerade versuchte zu helfen und der ihr auch gar nicht von der Seite weichen wollte.
Plötzlich erinnerte sich Biggi an die Situation, als sie genauso schluchzend und zitternd in Thomas' Armen gesessen war. 'War das auch so eine Panikattacke gewesen?', fragte Biggi sich und sie konnte diese Frage einfach nur bejahen. Alle vergleichbaren Situationen in den letzten Wochen waren solche Attacken gewesen, aber diese hier gerade war zweifellos die heftigste bis jetzt gewesen.
Auf einmal kamen ihr die Anweisungen von Thomas wieder in den Sinn, die er ihr letztes Mal gegeben hatte um sich zu beruhigen. "Tief.. einatmen und.. wieder aus.", murmelte Biggi mit tränenerstickter Stimme. Das musste sie einige Male wiederholen, aber es klappte auch diesmal wieder. Das Zittern ließ nach, genauso wie die Atemnot und einige Zeit später saß Biggi ganz ruhig an den Baumstamm gelehnt da.
Sie war vollkommen erschöpft und wollte gerade nur noch schlafen, nur ließ Balu das nicht so einfach zu. Der Welpe saß auf ihrem Schoß und fing erneut an Biggi abzulecken und mit seiner Schnauze zu schubsen. Aber diesmal um sie dazu zu bewegen auf zu stehen. Irgendwie hatte der Welpe im Gefühl, dass es der Kälte wegen für Biggi gefährlich werden konnte, wenn sie jetzt einschlief. Und da sie kurz davor war, musste er etwas unternehmen.
Als Biggi wieder nicht sofort reagierte, wurde Balu energischer. Er ging sogar so weit, dass er anfing an ihrem Hosenbein zu ziehen, bis die Pilotin endlich verstand, was er von ihr wollte. Sie sollte aufstehen. "Schon gut, schon gut. Ich.. ich komm ja mit." Mehr als ein Flüstern kam Biggi gerade nicht über die Lippen und das Aufstehen fiel ihr so schwer, dass sie sich am Baumstamm hoch ziehen und erstmal festhalten musste.
Inzwischen war es fast komplett dunkel und sie hatte nach wie vor keine Ahnung wo es lang ging. Biggi blickte sich in alle Richtungen um, aber jeder Weg wirkte gleich. Balu wartete ab, da Biggi seine Leine nach wie vor nicht wieder in die Hand genommen hatte, doch irgendwann begann er wieder zu bellen. "Ich hab doch keine Ahnung in welche Richtung wir gehen müssen!", gab Biggi schluchzend zu, doch Balu ließ nicht locker.
Nur verstand Biggi nicht, was er wollte und deshalb lief Balu schließlich einfach los. "Balu, bleib hier!", rief Biggi ihm nach, doch der Welpe blieb nur stehen und kam nicht zu ihr zurück. Ungeduldig bellte er und lief dann noch ein paar Schritte weiter, ehe er wieder stehen blieb und sein Frauchen erwartungsvoll ansah.
Biggi kapierte schließlich was er da tat, er wollte das sie ihm folgte. "Weißt du den Weg?", wollte Biggi wissen und kam sich ein wenig albern vor, da sie ja mit einem Hund sprach. Aber Balu bellte erneut und kam wieder auf sie zu gerannt, als wollte er ihre Aussage bestätigen. Biggi bückte sich und hob die Leine vom Boden auf, die noch immer an Balus Halsband hing. Sofort lief Balu los und Biggi vertraute ihm, dass er sie tatsächlich zurück zur Hütte führte.
Der Wind hatte inzwischen ziemlich zugenommen und zweifellos würde es heute noch Regen geben. Je schneller sie aus dem Wald raus kamen, desto besser. Biggi ließ sich einfach von Balu führen, der ununterbrochen mit der Nase am Boden hing und schnüffelte.
Irgendwann kam Biggi der Weg wieder bekannt vor und sie war erleichtert, als sie zwischen den Bäumen auf eine ihr bekannte Lichtung traten. Nun war es nicht mehr weit. Die Pilotin fühlte sich schlapp und müde, ihre Beine trugen sie nur noch gerade so und wahrscheinlich würde sie nicht mehr lange durchhalten. Die Panikattacke vorhin hatte ihr sämtliche Kraft geraubt.
Als die Hütte in Sichtweite kam, wirkte sie dunkel und verlassen. Einen Moment lang befiel Biggi Panik. War Thomas etwa einfach abgehauen? Sie könnte es ihm nicht einmal verübeln, wenn es so wäre. Aber nein, das war nicht seine Art. Das würde sein Verantwortungsbewusstsein nie zulassen, sie waren immerhin mutterseelenallein hier draußen. Er würde nie gehen, egal was auch zwischen ihnen passierte. Oder doch? Konnte er sich in einem Jahr so verändert haben?
Biggi lief mit Balu die letzten paar Meter zur Hütte hin und trat auf die kleine Veranda. Bei genauem Hinsehen erkannte sie, dass die Tür einen kleinen Spalt offen stand und Licht heraus schimmerte. Biggi atmete nochmal tief durch, ehe sie die Tür öffnete. Ihr Blick geht durch den Raum. Sie entdeckt Thomas auf dem Sofa, er hat eine Tasse vor sich auf dem Tisch und schaute irgendeinen Film. Jedenfalls tat er so als ob. Kurz blickte Thomas auf, sah Biggi unsicher an und richtete seinen Blick dann wieder auf den Fernseher.
Zugegebenermaßen war er erleichtert. Er war schon kurz davor gewesen Biggi zu suchen und hatte die Hütte bereits verlassen wollen, als sie gerade mit Balu aus dem Wald getreten war. Somit war Thomas schnell wieder hinein gegangen, da er sie von der Tür aus kommen gesehen hatte und tat so als würde er einen Film schauen. Sie war drei Stunden verschwunden gewesen und er hatte sich natürlich Sorgen gemacht. Aber jetzt war Biggi wieder da und unverletzt, deshalb konnte Thomas aufatmen. Aber den ersten Schritt wollte er trotzdem nicht tun, auch wenn sie vollkommen fertig aussah, als hätte sie geweint.
Thomas selbst hatte ein schlechtes Gewissen, wusste aber nicht wie genau er auf Biggi zu gehen sollte. Deshalb hatte er sich auch wieder abgewandt. Biggi machte Balu von der Leine los und fuhr sich anschließend energisch durch die Haare.
Sie ging erstmal in die Küche und machte sich einen Tee, da die Packung mit den Teebeuteln bereits auf dem Tresen stand und mit ihrer Tasse ging sie wieder nach draußen um sich dort auf die Bank auf der Veranda unter dem Dachvorsprung zu setzen. Im Vorbeigehen hatte sie sich ihre dünne Strickjacke geschnappt, die sie aber gerade nicht wie sonst wärmte.
Der Wind war eisig und unangenehm, aber drinnen wäre sie vermutlich gleich wieder in Tränen ausgebrochen und das wollte sie gerade einfach nicht nochmal. Thomas war aber noch da, das wusste sie jetzt.
Der Regen schien an ihnen vorüber gezogen zu sein, aber das war Biggi jetzt auch egal. Man hörte nur das Rauschen des Windes durch die Bäume und sie schloss die Augen. Biggi klammerte sich an ihrer Tasse fest und biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte jetzt nicht erneut weinen.
Balu war kurz darauf ebenfalls hinaus auf die Veranda gekommen, denn Biggi hatte die Tür einen Spalt offen lassen müssen, da sie selbst keinen Schlüssel hatte. "Geh lieber wieder rein, es ist kalt.", meinte Biggi, doch Balu versuchte nun auf die Bank zu gelangen. Biggi musste einfach schmunzeln, auch wenn ihr gerade eigentlich nicht danach war. Der kleine Welpe stand auf den Hinterpfoten, mithilfe der Vorderbeine auf der Bank hielt er sich aufrecht.
Biggi stellte daraufhin kurz ihre Tasse beiseite und hob den Welpen hinauf zu sich. Zufrieden rollte er sich auf ihrem Schoß zusammen und schlief ein. Offenbar wollte er einfach bei ihr sein.
Lange dauert es daraufhin nicht mehr, bis auch das letzte Bisschen Tageslicht verschwunden war. Biggi streichelte Balu durch sein weiches Fell und nahm gelegentlich einen kleinen Schluck aus ihrer Tasse. Es war mittlerweile noch kälter geworden, weshalb Biggi beschloss Balu hinein zu bringen.
Erneut stellt sie ihre Tasse neben sich ab und hob Balu hoch. Er schlief so fest, dass er das gar nicht mitbekam. Biggi ignorierte Thomas, während sie Balu in die Hütte brachte und ihn ins Bett auf dem Boden legte. Neben dem Feuer war es warm, trotzdem deckte Biggi ihn noch zu. Thomas beobachtete das Geschehen aus dem Augenwinkel.
"Schlaf gut, Baby.", flüsterte sie und ging gleich darauf wieder hinaus. Im Vorbeigehen schnappte sie sich noch den Schlüssel, so konnte sie die Tür hinter sich schließen. Biggi setzte sich wieder auf die Bank und zog die Beine an den Körper. Der Mond war als Sichel am Himmel zu sehen und auch die ersten Sterne zeigten sich bereits. Die Kälte war gnadenlos. Biggi rollte sich deshalb noch enger zusammen, sie fror erbärmlich. Aber da rein gehen? Zu Thomas? In die Hütte, in der Schweigen und Unsicherheit in der Luft lag? Das war schlimmer als hier draußen zu frieren.
Sie war müde und der Kopf tat ihr weh, weshalb sie die Augen schloss.
Thomas räumte derweil auf, da er sich hinlegen wollte. Einen Moment zögerte er und überlegte, ob er Biggi rein holen sollte. Das ließ er aber sein und ging stattdessen ins Bad. Er zog sich um, legte sich zu Balu ins Bett und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Nachdenklich starrte Thomas an die Decke und kaute auf der Unterlippe herum. Er wusste im Augenblick nicht, was richtig oder falsch war.
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We belong together...
FanfictionDie Geschichte setzt an die Folge "Flucht ohne Wiederkehr" an, in der Thomas bei einer Explosion in einem Bergwerk ums Leben kommt und Michael zurück in den Zeugenschutz muss. Seitdem ist ein Jahr vergangen und von allen Beteiligten ist es Biggi, di...