Kapitel 72

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Es dauerte schließlich nicht mehr lange, bis sie die Basis errichten.
Während die Mädels beinahe sofort aus dem Auto sprangen und hinter dem Gebäude verschwanden, blieben Thomas und Biggi noch kurz sitzen. Der Pilot erkannte den nachdenklichen Gesichtsausdruck, den seine Lebensgefährtin nun wieder aufgesetzt hatte, inzwischen sehr gut. Er griff deshalb nach ihrer Hand und drückte sie leicht, woraufhin Biggi zusammen zuckte, denn sie war total im Gedanken versunken gewesen. Nun allerdings blickte sie auf und als sie Thomas lächeln sah, musste sie das automatisch erwidern.
"Bereit?", fragte er. "Ich denke schon.", antwortete Biggi. "Das wird alles, du wirst schon sehen. Keiner ist dir böse oder sonstiges. Im Gegenteil, die freuen sich alle auf dich und ich bin ja bei dir. Du solltest inzwischen wissen, dass ich dich manchmal besser unter Kontrolle habe, als du dich selbst." Und das stimmte auch, weshalb Biggi nickte. "Okay, gehen wir.", sagte sie und Thomas drückte ihre Hand nochmals, ehe er sie los ließ und sie jeweils auf ihrer Seite die Autotür öffneten.
Biggi setzte Balu auf dem Boden ab, den sie vorsichtshalber nochmal an der Leine halten wollte, bis sie wussten wie er und Gonzo aufeinander reagierten.
Sie hörten ihre Kollegen schon vom Parkplatz aus lachen und auch die Musik war nicht zu überhören. Der Geräuschkulisse zu urteilen, waren sie wohl alle hinten im Hangar. Thomas trat an Biggis Seite und verkeilte seine Hand mit ihrer, um ihr die nötige Sicherheit zu vermitteln. Danach liefen sie beide gemeinsam los Richtung Hangar, wobei Balu immer stärker an der Leine zog, da die neuen Gerüche für den kleinen Welpen unglaublich spannend waren.
Sie fanden die anderen schließlich tatsächlich alle hinten beim Hangar, vor dem die alten Biertischgarnituren aufgebaut worden waren und der Grill war ebenfalls schon angeschürt worden. Biggi sah, dass auch tatsächlich alle ihre Kollegen da waren. Karin, Michael, Mark, Gina, Jens, Max, Höppler, Ralf mit Gonzo und Peter mit Stella und ihrem Sohn Oliver. Thomas und sie würden also als letztes hinzustoßen. "Tja.. Das Beste kommt eben doch immer zum Schluss.", flüsterte Thomas ihr in diesem Moment zu und Biggi lachte auf.
Als Biggi dann jedoch merkte, dass alle Blicke auf sie und Thomas gerichtet waren, machte sich wieder die Anspannung in ihr breit. Thomas spürte das, da sich der Druck auf seine Hand deutlich verstärkte. Biggi verkrampfte sich total.
Er ließ daraufhin ihre Hand los und legte seinen Arm um sie. "Ich bin da.", versicherte Thomas ihr. "Es gibt keinen Grund zur Panik, das sind alles Menschen die du sehr gut kennst und die dich alle sehr lieb haben. Und ich bin bei dir und gehe auch nicht weg.", redete er weiter beruhigend auf Biggi ein und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. "Versprochen?", flüsterte Biggi angespannt.
Ja, natürlich kannte sie hier alle und das teilweise schon sehr lange und sehr gut. Jedoch hatte sie sich einiges geleistet, was ihr inzwischen sehr peinlich war und sie hatte Angst, dass man ihr dieses Verhalten nachtragen würde. Vor allem bei Jens, Mark und Gina, die ja noch nicht allzu lange dabei waren wie die anderen, hatte Biggi so ihre Bedenken. Sie konnte sich ja selbst nur ganz schwer verzeihen und das andere das tun würden, konnte sie demnach nicht so ganz glauben. Dabei hatte sie viel durchmachen müssen und sich deshalb so verhalten, sie war also nicht sie selbst gewesen.
"Versprochen!", erwiderte Thomas geduldig, auch wenn er ihr das in den letzten Wochen so oft gesagt hatte. "Ich lass dich nie wieder allein!", fügte er hinzu und das beruhigte Biggi wie jedes Mal sehr. Ihre Kollegen hatten ihre Gespräche eingestellt und eine bedrückende Stille, die nur von der Musik durchbrochen wurde, schien sich über das ganze Gelände gelegt zu haben.
Der erste, der sich rührte, war Gonzo. Er hatte Thomas und Biggi ebenfalls erkannt und rannte nun auf die beiden zu. Balu fand er natürlich auch nicht ganz uninteressant und da Gonzo so stürmisch auf sie zu kam, beugte sich Biggi kurz hinunter und nahm ihren Welpen auf den Arm. Sie kannte Gonzo und wusste, dass er der liebste Hund der Welt war. Allerdings war es bei solchen Begegnungen immer besser, es langsam angehen zu lassen, denn es konnte immer etwas schief gehen und das wollte Biggi zum Wohle beider Hunde nicht riskieren.
Biggi hoffte allerdings inständig, dass sich die beiden verstehen würden, da sie in Zukunft wohl sehr viel Zeit miteinander verbringen würden. Vor allem würde Gonzo Balu ein sehr guter Mentor sein, was das allgemeine Verhalten anging, allerdings auch was die Qualifikation als Rettungshund betraf. Denn für Biggi und Thomas stand fest, dass sie mit Balu einen Lehrgang machen würden, damit er genau wie Gonzo als solcher agieren konnte.
Gonzo und Balu waren beide neugierig und der ältere Hund fiebte, allerdings in einer Art, die Biggi gut kannte. Er war erfreut und da auch Balu nun anfing, unruhig zu werden, beschloss sie das die Zwei sich durchaus das erste Mal richtig beschnuppern durften. "Langsam, Gonzo.", sagte Biggi und ging langsam hinunter in die Knie. "Balu ist noch viel kleiner als du, also vorsichtig." Kaum war Biggi in die Hocke gegangen, begannen die Hunde, sich zu beschnuppern. "So ist's brav.", lobte die Pilotin die Hunde und Gonzo leckte Balu kurz darauf ab. Das war für Biggi das Zeichen, dass alles in Ordnung war und dass sie Balu nun durchaus runter lassen konnte.
Also löste sie seine Leine vom Halsband und setzte den Welpen auf dem Boden ab. Skeptisch, fast ein bisschen schüchtern, blickte er zu seinem Frauchen hinauf. "Na komm, geh spielen!", ermutigte Biggi den kleinen Labrador und daraufhin forderte er Gonzo dazu auf, genau dies zu tun. Die beiden begannen spielerisch zu raufen und rannten schließlich Richtung Wiese davon.
Thomas, der das Schauspiel mit einem Lächeln beobachtet hatte, legte seinen Arm wieder um seine Liebste, die inzwischen wieder aus der Hocke hoch gekommen war. "Du bist ja eine Hundeflüsterin!", meinte er belustigt. "Scheint so.", antwortete Biggi und beide blickten sie ihrem Hündchen hinterher. Gonzo und Balu spielten so miteinander, wie es Hunde nun einmal taten und das machte sowohl Biggi, als auch Thomas, sehr froh. So hatte Balu wenigstens nun auch einen Freund, mit dem er sich austoben konnte.
"Hast du gesehen, wie irritiert er erst geschaut hat?", fragte Biggi und Thomas nickte. "Als ob er es nicht fassen könnte, dass du ihn dem großen Hund freiwillig auslieferst!", meinte der Pilot amüsiert.
Biggi und Thomas kamen schließlich bei ihren Kollegen an und Biggi fand sich gleich in den Armen von Peter wieder, der eilig aufgestanden war, um sie als erster zu begrüßen. Dabei fiel der Pilotin ein großer Stein vom Herzen, denn sie erkannte, dass Thomas wohl recht gehabt hatte. "Endlich bist du wieder da!", meinte der Sanitäter. "Ich bin froh, wieder hier zu sein!", antwortete Biggi und das war keine Lüge. Natürlich hatte sie ihre Freunde und auch die Arbeit vermisst, sich allerdings extreme Sorgen darüber gemacht, wie sie ihnen wieder unter die Augen treten sollte.
Unbegründet, wie sich nun heraus stellte. Nachdem Peter sie fast erdrückt hatte vor Freude, kam schließlich Ralf an die Reihe, der es dem anderen Sanitäter gleich tat. Es folgten alle anderen, die Biggi und natürlich auch Thomas herzlich zu ihrer Rückkehr auf die Basis gratulierten und sie Willkommen hießen.
Das Piloten-Pärchen setzte sich anschließend zu den anderen auf eine der Bänke. Dort saßen mit ihnen dann Jens, Mark und Gina. Ihnen gegenüber alle übrigen. Nun wurde die Stimmung wieder ausgelassener und auch die Stille von vorhin war nun verschwunden. Man unterhielt sich über die verschiedensten Dinge und lachte viel. Biggi hörte mehr zu, als das sie erzählte, aber sie genoss die Atmosphäre wider erwarten sehr.
Thomas hielt ihre Hand nach wie vor und ließ diese auch nicht los. Er würde es sofort merken, wenn es ihr zu viel wurde und sie aus der Situation heraus holen. Aber es gab keinerlei Anzeichen dafür. Dann allerdings fiel Biggi auf, dass Ralf, der ihr gegenüber saß, sehr nachdenklich wirkte und dann erkannte sie, dass neben dem Sanitäter nur ein einziger Platz unbesetzt war. Unwillkürlich musste die Pilotin an Gabi denken, die mit ihnen hier sitzen würde, hätte dieser tragische Unfall damals sie nicht so brutal aus dem Leben gerissen.
Biggi griff nun über den Tisch hinweg nach Ralfs Hand, woraufhin er kurz aufschreckte und schließlich traf sein Blick auf den von Biggi. Sie wussten sofort, dass sie an dasselbe dachten und Biggi wollte Ralf auch zeigen, dass er mit seiner Trauer und seinen Gedanken keinesfalls alleine war. Biggi lächelte ihn verständnisvoll an, was Ralf dankbar erwiderte.
Auch Thomas merkte nun, dass etwas vor sich ging und als er den leeren Platz neben Ralf sah, wurde es ihm auch sofort klar. Die glasigen Augen von Ralf und Biggi sprachen ebenfalls Bände. Er legte einen Arm um Biggi und diese bettete ihren Kopf auf seiner Schulter. "Geht's?", fragte Thomas besorgt. "Jetzt ja.", antwortete Biggi leise und spielte damit zu der Nähe zu Thomas an, die ihr den nötigen Halt gab. Ansonsten würde sie wohl tatsächlich noch in Tränen ausbrechen, wie immer, wenn sie an Gabi dachte und sie wusste, dass es Ralf genauso ging.
Jeder, der Gabi gekannt hatte, vermisste sie schrecklich. Allerdings war Ralf ihr Partner und Biggi ihre beste Freundin gewesen und die beiden hatten Gabi am Tag der Tragödie brennen sehen und sie ins Krankenhaus gebracht, wo sie letztendlich nur wenige Stunden später gestorben war.
Thomas gab Biggi einen Kuss auf den Scheitel und Ralf lächelte, als er die beiden so vertraut miteinander sah. Er freute sich für Biggi und Thomas, obwohl er selbst seine große Liebe verloren hatte.
Biggi hielt die Hand von Ralf noch eine Zeit lang, bis Höppler schließlich auf stand und sich zu Wort meldete. Der Chef war die ganze Zeit schon ein bisschen unruhig gewesen, da er unbedingt die organisatorischen Belange klären wollte, bevor sich dafür keiner mehr wirklich interessierte. "Herrschaften, ich würde jetzt gerne die neuen Dienstbedingungen mit ihnen besprechen. Ich weiß, dass hier wurde eigentlich zu anderen Zwecken organisiert, aber irgendwann muss das ja mal sein und deshalb machen wir es einfach kurz und schmerzlos."
Allerdings wusste alle Anwesenden, dass das nicht wirklich umsetzbar sein würde. Höppler war zwar ein netter Kerl, jedoch oft einfach auch total verpeilt und in seine Rolle als Autoritätsperson auch noch nicht so ganz hinein gewachsen. Der Basisleiter ging schließlich in den Hangar und holte zunächst ein Flipchart von dort, welches er hinaus rollte und vor dem Tisch positionierte.
"Oh Gott!", flüsterte Biggi bestürzt und vergrub ihren Kopf wieder in Thomas' Halsbeuge. "Das wird jetzt was!", murmelte die Pilotin und Thomas, der sie als einziger hören konnte, lachte auf. "Das geht vorbei.", meinte der Pilot belustigt.
"Deinen Optimismus will ich haben!", flüsterte Biggi und die beiden mussten lachen. Es ging nicht nur ihnen so, dass sie befürchteten, nun erstmal eine Weile mit den besagten organisatorischen Belangen zu verbringen. Auch die anderen glaubten dies, was an den eher wenig begeisterten Gesichtsausdrücken gut abzulesen war.
Lisa und Laura standen nun auf, um auf der Wiese mit den Hunden spielen zu gehen. Für sie war das Ganze ja auch nicht sonderlich relevant und sie brauchten deshalb nicht sitzen zu bleiben, um sich das gleich anzuhören.
Als Höppler dann nochmal im Hangar verschwand und schließlich eine rollbare Pinnwand mit ihm zum Vorschein kam, stöhnten einige auf. Darunter auch Biggi, was Thomas wieder zum Schmunzeln brachte. "Das kann der doch nicht ernst meinen!", jammerte die Pilotin regelrecht. "Der Mann gibt sich nur Mühe.", antwortete Thomas. "Aber wenn du darauf keine Lust hast, wäre das jetzt noch die letzte Gelegenheit, beinahe unbemerkt in den Wohnkopter zu verschwinden. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, sind hier genügend andere von uns anwesend, die das hier klären könnten."
Biggi zog eine Augenbraue hoch. "Ach.. auf einmal?", fragte sie. "Da hätten wir gleich zu Hause bleiben und interessantere Dinge regeln können, als das hier! Ich hab's doch gleich gesagt!", stellte die Pilotin amüsiert klar. "Ich weiß und ich sollte wohl in Zukunft besser auf dich hören.", erwiderte Thomas. "Das solltest du.", pflichtete Biggi ihm bei. "Und als Strafe für deinen Ungehorsam, bleiben wir jetzt auch hier sitzen und tun uns das an.", fügte sie hinzu. "Das ist jetzt echt nicht fair!", meinte Thomas gespielt verzweifelt. "Doch, das ist mehr als nur fair. Das hast du dir selbst zuzuschreiben, also nimm es wie ein Mann und hör auf dich zu beschweren!"
Die beiden lachten daraufhin. "Okay, okay. Ich hab's verstanden. Sollte es dir aber plötzlich doch nicht mehr so gut gehen, wäre ein Codewort nicht schlecht. Du weißt schon, damit ich weiß, dass wir ganz schnell mal verschwinden müssen.", flüsterte Thomas seiner Freundin nun verführerisch ins Ohr und auch wenn es sie gewiss nicht kalt ließ, wollte sie es ihm diesmal nicht so einfach machen.

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