Kapitel 77

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Thomas kümmerte sich dann sofort um seine Lebensgefährtin, die um sich herum gerade kaum etwas wahr nahm. Laura machte ihrem Vater Platz, indem sie auf stand und zu ihrer Schwester ging. Arm in Arm standen die Mädels schließlich da und sahen zu, wie ihr Papa sich einen Überblick über Biggis Zustand verschaffte.
Biggi atmete nach wie vor ganz unnormal und das Zittern hatte ebenfalls noch nicht nachgelassen. Vorsichtshalber nahm Thomas Biggis Handgelenk, um dort ihren Puls zu fühlen. Dieser war ziemlich schnell, aber Thomas wusste inzwischen, dass das bei so einer Panikattacke ganz normal war. Er hatte sich genau informiert, um Biggi in so einem Fall optimal helfen zu können.
"Sie ist doch nicht schlimm krank.. Oder, Paps?", hörte er Lisa fragen und Thomas wusste nicht genau, was er darauf antworten sollte. "Das was hier gerade mit ihr passiert, ist gleich wieder vorbei. Allerdings wird es wahrscheinlich noch einige Male passieren. Ihr wisst ja, dass Biggi viel durchgemacht hat und das ist jetzt die Folge davon.", versuchte Thomas es seinen Kindern so einfach wie möglich zu erklären, während er Biggi die Haare aus dem Gesicht strich.
"Aber.. Sie kann daran nicht.. sterben, oder?", fragte nun Laura ängstlich. "Nein, das ganz sicher nicht. Ihr werdet sehen, in ein paar Minuten wird es ihr schon besser gehen. Wollt ihr ihr dabei helfen?" Die Mädchen nickten eifrig. "Sehr gut. Dann holt von unten eine Flasche Wasser, damit sie gleich etwas trinken kann und im Gefrierfach liegen kleine Kühlpacks, davon bringt ihr bitte auch eins mit hoch.", wies Thomas seine Töchter an und sofort eilten sie davon.
Nun kam auch Balu, der sein Frauchen besorgt beschnupperte und ableckte. Er legte sich dann ebenfalls auf den Boden und drückte seine Nase an Biggis Körper. Thomas lächelte, als er sah wie sensibel der Welpe reagierte und war froh, Balu mitgenommen zu haben.
Immer wieder strich der Pilot seiner Liebsten über die Wange, um ihr zu signalisieren, dass er da war. Das würde sie auch gleich wieder wahrnehmen können, das wusste er. Bis dahin blieb ihm aber nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Lisa und Laura kehrten in Windeseile mit dem zurück, wonach Thomas verlangt hatte. Die Wasserflasche brauchte er gerade noch nicht, aber das Kühlpack nahm er an sich und legte es Biggi in die Handfläche. Er hatte gelesen, dass ein starker Sinnesreiz sie beispielsweise ein Geruch von einem starken Parfüm oder Kälte dabei half, den Betroffenen von seiner Panik und der Angst abzulenken.
Und tatsächlich zuckte Biggi augenblicklich zusammen, als der kalte Gegenstand ihre Haut berührte. Sie wusste nicht, was genau es war, aber Thomas sah ihr ganz genau an, dass sie begann darüber nachzudenken, was das jetzt sein könnte.
Bewegen konnte sich Biggi gerade zwar noch nicht, aber wenigstens klarten ihre Augen wieder ein wenig auf. Durch den Schreck hatte auch ihre Atmung kurz ausgesetzt, die sich nun wieder ein wenig verlangsamt hatte. Normal war sie definitiv noch nicht, aber wenigstens war die Gefahr nun einigermaßen gebannt, dass Biggi hyperventilierte.
Thomas strich ihr weiterhin über die Wange und nun suchte Biggi mit ihren Blick aktiv den Kontakt zu ihm. "Alles ist gut, ich bin hier.", sagte er ruhig. "Du hast eine Panikattacke. Versuch dich daran zu erinnern, dass das bisher immer wieder vorüber gegangen ist. Ich bleibe genau hier sitzen und warte mit dir gemeinsam, bis sie vorüber ist.", versicherte Thomas der Pilotin.
Biggi war noch nicht in der Lage zu sprechen, jedoch sah Thomas, dass sie einmal ganz langsam blinzelte. Als ob sie ihm so mitteilen wollte, dass sie verstanden hatte, was er ihr sagte.
Tief blickten sich die Beiden in die Augen und die von Biggi füllten sich mit Tränen. Ihr wurde langsam bewusst, was vor sich ging. Daraufhin stieß sie ein leises Wimmern aus und Thomas war klar, dass sie gleich anfangen würde zu weinen. Und genau diese Befürchtung bewahrheitete sich. Thomas tat es wie immer weh, seine Freundin so zu sehen. Aber gleichzeitig wusste er auch, dass dass Weinen ein Zeichen dafür war, dass sie nun langsam wieder zu sich kam.
"Shh, shh, shh. Ich bin hier.", flüsterte Thomas. "Ich bin hier, die Mädels sind auch da und Balu auch. Du musst da nicht alleine durch.", redete Thomas weiter beruhigend auf Biggi ein. Nun trauten sich auch die Mädels, näher an Biggi heran zu treten. Beide setzten sie sich ebenfalls auf den Boden und legten jeweils eine Hand auf Biggis Körper, denn auch sie wollten ihr helfen, dass es ihr wieder besser ging.
Thomas wusste, dass eine Panikattacke nach ungefähr acht bis zehn Minuten ihren Höhepunkt erreichte und dann die Intensität wieder langsam ab nahm. Er war sich sicher, dass sie den Peak bereits überstanden hatten und nun abwarten mussten, bis die Panik weniger wurde.
Der Pilot hörte nicht auf, mit Biggi zu sprechen. Er redete über die absurdesten und komischsten Dinge, nur um ihren von ihren Fokus auf etwas anderes als die Panik in ihr zu lenken. "Geh deine Muskeln von Kopf bis Fuß einmal komplett durch und versuch, sie ganz bewusst zu entspannen.", wies Thomas Biggi an und sie versuchte das tatsächlich auszuführen.
Ihr Weinen und Schluchzen ließ durch diese Ablenkung nach und Thomas merkte, dass die Verkrampfungen nach ließen. "Sehr gut machst du das.", lobte er Biggi. "Und jetzt die Atmung. Wir atmen wieder zusammen, in Ordnung? Das kennst du schon und das hat das letzte Mal doch ganz gut geklappt. Also.. einatmen.. Und wieder aus... und ein.."
Thomas atmete vor und Biggi machte es ihm so gut wie es ihr möglich war nach. Es fiel ihr nach einigen Wiederholungen immer leichter, sich auf Thomas und auf ihre Atmung zu konzentrieren, die sich dadurch tatsächlich wieder normalisierte. Die Taubheitsgefühle in Armen und Beinen ließen nun ebenfalls nach und das Zittern hörte auf. Aber auch wenn es ihr besser ging, blieb Biggi noch einige Zeit lang auf dem Boden liegen.
"Geht's wieder einigermaßen?", fragte Thomas und Biggi nickte leicht. Sie drehte sich auf die Seite und stützte sich ab, sodass sie sich wenigstens schon einmal hinsetzen konnte. "Langsam.", ermahnte Thomas sie und griff nach der Wasserflasche, um sie zu öffnen. Biggi fuhr sich derweil mit den Händen durch das Gesicht und die Haare. Die Pilotin musste sich erst einmal orientieren und realisieren, was überhaupt passiert war. Sie fühlte sich vollkommen müde und schwach, jetzt, nachdem die Panik sie nicht mehr vollends im Griff hatte und die Anspannung langsam aus ihrem Körper wich.
Thomas reichte Biggi schließlich die Wasserflasche, die sie an sich nahm. "Danke.", sagte sie mit brüchiger Stimme und trank gleich ein paar Schlückchen Wasser. Danach fühlte sie sich schon ein wenig besser. Sie gab Thomas die Flasche zurück.
"Geht es dir gut?", fragte Lisa unsicher und erst jetzt fiel Biggi auf, dass die beiden Mädchen sie ängstlich ansahen. Sie musste ihnen einen ordentlichen Schrecken eingejagt haben. "Das wird schon wieder.", antwortete Biggi und rang sich zu einem kleinen Lächeln durch. Die Mädels fielen Biggi daraufhin beide um den Hals und die Pilotin erwiderte die Umarmung sofort. Es tat ihr leid, dass sie die beiden so erschreckt hatte. Allerdings hatte sie keinen Einfluss auf das nehmen können, was eben geschehen war. Und so plötzlich wie es gekommen war, war es nun auch wieder vorüber.
"Wolltet ihr nicht noch euren Film schauen?", fragte Biggi die Mädels. "Geht doch schon mal runter ins Wohnzimmer, euer Papa und ich kommen gleich nach." Lisa und Laura zögerten, allerdings fand auch Thomas diesen Einfall gar nicht so schlecht und nickte ihnen deshalb aufmunternd zu. Daraufhin standen sie auf und verließen das Zimmer.
Biggi strich Balu kurz durchs Fell und versuchte dann aufzustehen. Thomas erkannte, dass es ihr nicht leicht fiel und deshalb half er Biggi auf die Beine. Bei der Gelegenheit schloss er sie gleich in die Arme. Biggi schmiegte sich an ihn und atmete seinen vertrauten Geruch ein. Er war eben immer da, wenn sie ihn brauchte und gerade tat seine Nähe ihr einfach wieder unfassbar gut.
"Es tut mir leid, dass die Mädels das mitbekommen haben.", flüsterte Biggi erschöpft. "Nein, mir tut es leid. Ich hätte besser aufpassen müssen und dich nicht alleine lassen dürfen, nachdem.." Biggi unterbrach Thomas sofort. "Nein, bitte lass das!", bat sie ihn. "Mach dir keine Vorwürfe, du trägst ganz bestimmt keine Schuld!", stellte sie klar. "Mir ging es ja gut, nur.. Ich weiß nicht, warum das gerade.. Verdammt, ich bin so durcheinander! Ich hab so gehofft, das passiert nie wieder und jetzt.. Was ist, wenn das nie wieder verschwindet?!", schluchzte Biggi und Thomas drückte sie noch ein wenig fester an sich.
Eine Antwort darauf wusste er nicht.

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