Kapitel 53

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Minuten waren der Pilotin vorgekommen wie Stunden. Als der Arzt schließlich gekommen war, war alles ganz schnell gegangen. Er hatte ziemlich schnell geredet und ihr einfach einen Umschlag ausgehändigt, in dem sich ihre Untersuchungsergebnisse befanden. Danach hatte er ihr gesagt, dass sie gehen konnte und nun stand Biggi im Flur. Den Umschlag hatte sie geöffnet, um nochmal nachlesen zu können, was der Arzt ihr gerade schon gesagt hatte.
Die Arzthelferin hatte Biggi dort stehen sehen und Thomas Bescheid gegeben, der nun auf dem Weg zu Biggi war. Er ahnte nichts gutes, denn laut der Aussage der Arzthelferin hatte Biggi ganz schön durcheinander gewirkt. Und genau diesen Eindruck machte sie auch auf Thomas, als er sie sah. Mit beiden Händen hielt sie ein Dokument fest umklammert und Thomas wusste gleich, dass das ihre Ergebnisse sein mussten. Die Wahrheit stand auf diesem Papier. Entweder sie durfte wieder fliegen oder nicht. Sollte sie die körperliche Untersuchung nicht bestanden haben, brauchten sie gar nicht weiter machen. Da konnte dann auch kein psychologisches Gutachten mehr helfen, wenn der Fliegerarzt ihr die Erlaubnis verweigerte.
"Schatz?" Thomas hatte sich Biggi genähert. "Sag mir bitte was hier steht.", flüsterte Biggi mit zittriger Stimme. "Ich kann es sonst nicht glauben." Thomas nahm Biggi das Schreiben ab und traute sich erst nicht, einen Blick darauf zu werfen. Es wirkte so, als ob Biggi die Erlaubnis nicht bekommen hatte. Doch dann konnte Thomas sich doch überwinden und überflog die Worte.
"Steht das wirklich da?", fragte Biggi und Thomas blickte auf. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
"Die Patientin hat sich der fliegerärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung der Klasse 1 für Berufsluftfahrzeugführer unterzogen und bezüglich der physischen Eignung gibt es nichts zu beanstanden. Frau Brigitte Schwerin wird demnach die volle Flugtauglichkeit attestiert. Gültig ist diese Lizenz bis zur nächsten jährlichen Kontrolluntersuchung, sprich 12 Monate ab dem Tag der Aushändigung.", las Thomas laut vor und erst jetzt konnte Biggi es richtig glauben. Ihr kamen Freudentränen und Thomas ebenso. Glücklich fiel sich das Paar erstmal in die Arme.
Wenig später machten sie sich dann auf den Weg nach draußen. Balu begrüßte sie stürmisch und als Dank fürs Aufpassen drückte Thomas dem Mitarbeiter zehn Euro in die Hand. Anschließend liefen sie zum Auto. Biggi hatte Balu auf dem Schoß und hielt ihren Umschlag und den von Thomas in den Händen. Nachdenklich betrachtete sie die Kuverts.
"Alles klar?", fragte Thomas. "Ja, es ist nur.. Ich hab ja wirklich nicht gedacht, dass ich den Check-Up bestehe.", gab die Pilotin zu. "Du bist körperlich wieder komplett fit, Biggi. Um das zu sehen, hätte es nicht mal einen Arzt gebraucht.", antwortete Thomas bestimmt. "Das hab ich auch so gemerkt, ansonsten würdest du unsere Bettsport-Einheiten doch niemals durchstehen. Deine Kondition könnte nicht besser sein.", meinte Thomas und grinste. "Idiot!", tadelte Biggi ihn lachend. "Ist doch so!", gab Thomas ebenfalls amüsiert zurück.
"Und zugenommen hast du auch wieder, was das angeht ist also auch wieder alles im grünen Bereich.", fügte Thomas hinzu. "Fast. Der Arzt meinte, dass es nicht schlecht wäre, wenn es noch zwei oder drei Kilo mehr werden. Wobei ich mich jetzt schon fühle wie ein Wal!" Obwohl Biggi das als Scherz meinte, blickte Thomas sie streng an. Es hatte lange gedauert, bis Biggi überhaupt wieder normal angefangen hatte zu essen und das Erbrechen danach hatte sie zum Glück auch abgelegt. Thomas hatte Angst, dass es wieder soweit kam.
"Das was nur Spaß, entschuldige.", sagte Biggi. "Das will ich hoffen. Ich finde nämlich, dass dir ein bisschen mehr auf den Hüften viel besser steht und du damit wieder um Längen gesünder aussiehst, als noch vor ein paar Wochen. Als ich dich das erste Mal wieder gesehen habe, bin ich wirklich richtig erschrocken.", offenbarte Thomas Biggi. "Keine Sorge. So weit, wie ich es habe kommen lassen.. das will ich nicht noch einmal durchmachen. Und nachdem du mich ja täglich mit den leckersten Sachen fütterst, wird das so schnell auch nicht mehr passieren, dass ich die Lust aufs Essen verliere.", antwortete Biggi. "Darum werde ich mich schon kümmern, da hast du recht. Und die paar Kilo, von denen der Herr Doktor gesprochen hat, die hast du in null Komma nichts drauf.", erwiderte Thomas grinsend.
"Genau das hab ich dem vorhin auch gesagt.", meinte Biggi und legte die Umschläge erstmal vor sich uns Handschuhfach. "Du, wohin fahren wir eigentlich?", wollte Biggi nun wissen. "Das ist nicht der Weg zurück nach Ellmau.", fiel ihr auf und Thomas seufzte. "Ich hab gehofft, dir würde es nicht so schnell auffallen.", gab Thomas zu. "Aber dir kann man nichts vormachen, das ging noch nie.", fügte er hinzu und Biggi wurde misstrauisch.
"Thomas, wohin fahren wir?" Es dauerte kurz, bis ihr Lebensgefährte ihr antwortete. "Du hast noch einen Termin bei deinem Psychologen.", sagte er schließlich. "Heute? Der ist doch erst in zwei Wochen." Allerdings schüttelte Thomas den Kopf. "Ich hab angerufen und gefragt, ob wir den Termin auf heute verschieben können. Du hast all deine Gespräche wahrgenommen und deshalb hatte er nichts dagegen. Ich dachte, dass es so vielleicht besser wäre, vor allem weil wir dann nicht extra wieder her fahren müssten. Durch den Termin heute waren wir ja sowieso schon in der Nähe und ich glaube, dass es auch für dich besser ist, wenn alles gleich hintereinander abgehandelt wird.", erklärte Thomas ruhig, allerdings wusste er das Biggi nicht begeistert sein würde. Und das war sie tatsächlich nicht.
"Du hast also über meinen Kopf hinweg entschieden.", schlussfolgerte Biggi ernüchtert. "Schon wieder." Biggi fühlte sich übergangen und auch wenn Thomas keine bösen Absichten gehabt hätte, wäre ihr lieber gewesen er hätte mit ihr gesprochen, bevor er den Termin neu vereinbarte.
"Nein.. okay, vielleicht doch ein bisschen. Aber so hast du die Arzttermine alle hinter dir und wir können die drei Wochen bis zur Prüfung komplett genießen. Das war meine Überlegung dahinter.", erläuterte Thomas seiner Freundin. "Ich bin noch nicht soweit!", stellte Biggi klar. "Doch, das bist du. Und er will auch nur nochmal kurz mit dir reden und dich sehen, bevor er dir deine Bestätigung raus schreibt. Mehr ist das nicht und ich bin ja dabei. Balu darfst du bei ihm übrigens auch mit rein nehmen, das hab ich alles schon abgeklärt. Komm schon, Schatz. Das hast du auch ganz schnell hinter dich gebracht.", meinte Thomas daraufhin.
Biggi war drauf und dran, wieder einmal zu protestieren. Jedoch sah sie ein, dass es sowieso nichts brachte und um den Termin herum kam sie definitiv nicht. Früher oder später musste sie ihrem Psychologen einen Besuch abstatten, ansonsten drohten Konsequenzen. Und die Gespräche am Telefon hatten doch auch funktioniert. Der Mann war ihr plötzlich sogar sympathisch und sie hatte mit ihm auch über Dinge in ihrer Kindheit geredet, die sie noch nicht ganz verwunden hatte. Das hatte sie ansonsten nur mit Thomas, mit dem sie eigentlich pausenlos redete. Jetzt konnte sie ihm alles sagen, was sie ihm sagen wollte, bevor er einfach verschwunden war. Und Biggi merkte, dass es ihr von Tag zu Tag besser ging. Jetzt hatte sie die körperliche Untersuchung schon überstanden und die psychische würde sie auch schaffen und zwar mit Thomas' Hilfe.
Also lies sie sich von ihm ohne weitere Widerrede zur Praxis ihres Psychologen fahren, zögerte dann jedoch mit dem Aussteigen. Nervös streichelte Biggi Balu und hielt ihren Blick starr auf ihn gerichtet. Thomas beobachtete seine Freundin und erkannte, dass sie sich wieder Sorgen machte, genau wie vor dem Termin beim Fliegerarzt. Ihre glänzenden Augen verrieten, dass sie kurz davor war zu weinen. Thomas stieg aus und lief um das Auto herum, um Biggis Tür zu öffnen.
Balu hüpfte sofort hinaus auf den Parkplatz. Thomas konnte ihn gerade noch einfangen und ihn an die Leine nehmen, die vorne bei Biggi im Fußraum lag. Er schwieg und hielt Biggi einfach nur die Hand hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Die Pilotin blickte Thomas an und ganz plötzlich verschwand ein Großteil ihrer Angst, sodass sie seine Hand schließlich ergriff und das Auto verließ. In seinem Blick lag einfach etwas, das Biggi jedes Mal aufs Neue zeigte, dass sie ihm vertrauen konnte. Bedingungslos. Und das galt nun auch für das, was ihr jetzt noch bevorstand. Thomas hätte sie nämlich nie hierher gebracht, wenn er sich nicht sicher wäre, dass sie auch die Zusage ihres Psychologen mit hoher Wahrscheinlichkeit bekommen würde.
Und so kam es dann auch. In einem eineinhalb Stunden Gespräch erkundigte sich der Psychologe ausgiebig über Biggis Zustand. Zuerst hatte er mit Biggi alleine sprechen wollen und dann hatte Thomas dazu kommen dürfen. Auch an ihn hatte der Experte ein paar Fragen gehabt und Biggi hatte sich zunehmend wohler gefühlt. Dass das Gespräch so lange gedauert hatte, hatte sie letztendlich gar nicht registriert. Die Zeit war einfach nur so verflogen und am Ende der Sitzung hatte Biggi tatsächlich ihre Erlaubnis vom Psychologen bekommen, wieder fliegen zu dürfen. Jetzt hatte sie alle Dokumente beisammen und war soweit rehabilitiert, dass sie an der Prüfung teilnehmen konnte, wenn sie es denn von sich aus auch wollte.
Aber dafür würde Thomas schon sorgen, das hatte er sich geschworen. Wie damals nach dem Absturz würde er sie schon irgendwie wieder dazu bewegen, ins Cockpit zu steigen. Nur diesmal auf eine etwas sanftere Art und Weise und dafür hatte er sich bereits etwas überlegt.
Nachdem sie die Praxis verlassen hatten, fuhr Thomas deshalb auch noch nicht zurück Richtung Ellmau, denn stattdessen schlug er diesmal den Weg zur Basis von Medicopter ein.
"Thomas, es reicht für heute mit Überraschungen. Und ich weiß, dass wir zur Basis fahren. Wenn du mir verheimlicht hast, dass die Prüfung doch schon heute ist, dann mach dich auf was gefasst!", stellte Biggi klar. "Worauf denn?", fragte Thomas belustigt und dachte gar nicht daran umzukehren. "Ich.. ich.. Ich weiß noch nicht genau auf was, aber es wird schmerzhaft sein!"
Thomas konnte nicht anders, er musste einfach lachen. "Wirst du mich mit deinen kleinen, schwachen Fäustchen hauen?", fragte der Pilot und auch Biggi musste nun lachen. "Du bist doof!", meinte sie gespielt trotzig und schlug Thomas einmal fest auf die Schulter. Das beeindruckte ihn allerdings wenig. "Ich sag ja.. kleine, schwache Fäustchen.", wiederholte Thomas sich. "Und bevor du dich wieder  unnötig aufregst, bleib entspannt. Es wird dir gefallen, da bin ich mir sicher." Biggi war noch etwas skeptisch, ließ Thomas aber einfach weiter fahren. Schließlich kamen sie wirklich bei der Basis an.
Dort stand nur ein weiteres Auto auf dem Parkplatz und Biggi erkannte es sofort. Sie setzte schon zum Reden an, aber Thomas kam ihr zuvor. "Max ist nur hier, um auf Balu aufzupassen. Unser Kleiner legt ansonsten noch die komplette Basis in Schutt und Asche.", erklärte Thomas. "Das war abgesprochen.", schlussfolgerte Biggi und Thomas nickte. "Ja war's, aber nur mit Max. Er hat dafür sorgen müssen, dass der Betrieb hier heute ausfällt. Keiner außer er weiß, dass wir hier sind.", versicherte Thomas seiner Lebensgefährtin.
"Und wie hat er es dann geschafft, dass alle nach Hause gehen?", fragte Biggi misstrauisch. "Das Baby hat leider einen Getriebeschaden und lässt sich deshalb nicht mal mehr starten. Jedenfalls hat Max allen genau das erzählt und sie haben es ihm abgekauft. Deshalb übernimmt Rosenheim den Rest des Tages.", führte Thomas aus. "Er hat gelogen?!" Biggi war entsetzt. "Wenn das raus kommt, ist Max fällig!", meinte sie erschrocken. "Nicht, wenn man alles wirklich nach einem Schaden aussehen lässt und es wirklich glaubhaft rüber kommt. Sogar Höppler hat er überzeugen können, nachdem Jens und Gina beide versucht haben den Heli in die Luft zu kriegen. Beide haben den Fehler nicht gefunden, also mach dir keine Gedanken. Keiner wird raus finden, dass Max da was gedreht hat und das wir hier sind weiß wie gesagt auch keiner außer er."
Daraufhin stieg Thomas aus und Biggi tat es ihm gleich. "Und erklärst du mir auch noch, was wir jetzt hier wollen?", fragte sie und setzte Balu unten auf dem Boden ab. "Naja, was machen wir denn normalerweise hier? So als Piloten, wenn wir mal keinen Papierkrieg auszufechten haben, meine ich?", stellte Thomas eine Gegenfrage und nahm Biggi die Leine von Balu aus der Hand. "Fliegen.", sagte diese nachdenklich. "Genau, fliegen. Wir bringen jetzt also Balu rein zu Max, bringen das Baby wie durch Zauberhand wieder zum Laufen und dann werden wir sehen ob wir es wagen wollen. Ich zwinge dich zu nichts, Biggi. Du musst nicht, wenn du nicht willst, aber mir kribbelt es um ehrlich zu sein in den Fingern und gegen eine Runde fliegen hätte ich wirklich nichts. Jetzt, da ich es offiziell wieder darf. Ob du das möchtest liegt ganz bei dir."
Thomas versuchte aus Biggis Gesichtsausdruck schlau zu werden, doch er sagte rein gar aus. "Du musst nichts machen, was du nicht willst. Das verspreche ich dir wirklich hoch und heilig. Ich würde mich aber trotzdem freuen, wenn du neben mir sitzen würdest.", sprach Thomas weiter. "So etwas wie damals ziehst du also nicht nochmal ab?", wollte Biggi wissen. "Nein, ganz bestimmt nicht.", schwor der Pilot ihr und Biggi glaubte ihm. "Okay, ich werde sehen wie weit ich gehen möchte sobald ich vor dem Baby stehe. Ich würde auch gerne gleich nach hinten gehen und nicht zu Max mit rein, wenn es in Ordnung ist. Ich fühle mich noch nicht bereit, jemanden von unseren Leuten zu sehen.", gestand Biggi. "Klar ist das in Ordnung, geh ruhig. Wir sehen uns dann hinten." Thomas ließ es sich nicht nehmen, Biggi nochmal zu küssen, bevor er ins Gebäude ging und seine Freundin alleine draußen zurück ließ.
Biggi sah Thomas und Balu nach, ehe sie mit langsamen Schritten nach hinten zum Landeplatz lief. Dort stand der Heli wie sonst auch da und Biggi musste einfach lächeln, als sie ihn sah. Sie musste sich eingestehen, dass sie das alles hier doch vermisste. Eigentlich hatte sie sich damit abgefunden, nie wieder fliegen zu dürfen und jetzt durfte sie es doch wieder. Zumindest aus psychologischer und medizinischer Sicht stand dem nichts mehr im Wege. Biggi trat an das Baby heran und strich vorsichtig über dessen rot-gelb lackierte Schnauze.
"Hallo, Baby. Na, kennst du mich noch?", fragte sie flüsternd und das nächste was sie machte war, die Klappe vorne zu öffnen. Nach kurzem suche suchen fand sie den Fehler und sie musste einfach lachen. Ein kleines Bauteil fehlte und sie wusste, dass das die Idee von Thomas gewesen sein musste. Allein nur mit der Entfernung dieses einen Teils konnte man die gesamte Elektronik des Helikopters lahm legen und suchte man nicht direkt danach, fiel dessen Fehlen kaum auf. Deshalb hatten Gina und Jens das auch nicht gesehen.
"Suchst du vielleicht das hier?" Biggi erkannte Thomas sofort und als sie sich umdrehte stand er ein paar Meter weiter entfernt mit eben dem gesuchten Teil in der Hand, das Biggi sofort noch ein breiteres Grinsen ins Gesicht zauberte.
"Der Trick ist schon so uralt!", meinte Biggi lachend. "Aber immer noch effektiv!", antwortete Thomas triumphierend und Biggi nahm ihm das Bauteil aus der Hand. "Es ist klein, aber stiftet die größte Unruhe.", stellte Biggi fest. "Da kenn ich noch jemanden.", antwortete Thomas und grinste. "Ey!", protestierte Biggi sofort und boxte ihrem Freund auf die Schulter. Dieser tat so, als hätte  das wieder unsagbare Schmerzen verursacht, dabei machte ihm das rein gar nichts aus.
"Ich hab doch gar keinen Namen genannt!", stellte er lachend klar. "Musstest du auch gar nicht, ich weiß auch so, dass du mich gemeint hast.", erwiderte Biggi amüsiert und wandte sich dann wieder zum Helikopter um. Sie wollte das Teil wieder einsetzen, aber als sie spürte wie Thomas sie von hinten umarmte, war ihre Konzentration sofort dahin. "Meinst du, du kriegst das noch hin?", fragte er sie provokant.
Thomas wusste, dass er Biggi inzwischen wieder ein wenig aufziehen konnte, ohne sie wirklich zu verletzen. Mit jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, kamen sie ihrem Verhalten von früher immer ein wenig näher. Es war fast wieder so, als ob Thomas niemals weg gewesen wäre. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass die beiden sich endlich ihrer Sehnsucht nacheinander hingegeben hatten. Und es tat beiden unheimlich gut.
"Wer ist länger aus dem Job raus? Du oder ich?", wollte Biggi daraufhin wissen und Thomas gefiel der freche Unterton in ihrer Stimme. So langsam kam wieder die alte Biggi durch und die Phasen, in denen sie ihren veränderten Charakter an den Tag legte, traten kaum noch auf. Die Abstände dazwischen wurden immer größer und das zeigte Thomas, dass seine Art von Therapie funktionierte.
"Du.", antwortete Thomas. "Ich hab in Amerika haufenweise Hubschrauber wieder zum Laufen gebracht, dich hingegen hab ich nie wirklich am Baby rum schrauben gesehen.", erklärte er anschließend. "Du hast mich nur nie ran gelassen.", erwiderte Biggi. "Ich durfte dir immer nur das Werkzeug reichen, wenn überhaupt.", fügte sie hinzu.
"Jetzt tu nicht so, als hätte dir das nicht gefallen. Dem Meister bei der Arbeit zusehen darf schließlich nicht jeder.", schlussfolgerte Thomas und Biggi musste einfach lachen. Thomas ließ Biggi daraufhin los. "Warum lachst du jetzt?", fragte er sie irritiert. "Ich finde es äußerst amüsant, wie überzeugt der Herr Pilot mal wieder von sich ist. Das ist alles.", erklärte Biggi belustigt. "Als ob du das Ding alleine wieder einbauen könntest, also bitte!", spottete Thomas. "Wollen wir wetten?", fragte Biggi herausfordernd und kniff die Augen zusammen.
Thomas musste sich bei ihrem angriffslustigen Blick das Lachen verkneifen. Natürlich wusste er, dass Biggi in der Lage war, den Heli alleine wieder zum Laufen zu bekommen. Jedoch wollte er sie absichtlich aufziehen und sie somit auch wirklich dazu bringen, es zu tun. Das war alles Teil seines Plans und er wusste, dass Biggi mitspielen würde. Er wusste auch, dass sie dem Drang zu Fliegen nicht widerstehen konnte, wenn sie ihn erst einmal die Schalter und Knöpfe bedienen sah.
"Klar.", antwortete Thomas deshalb auf ihr Angebot hin. "Um was wetten wir?", wollte er wissen und Biggi überlegte kurz. "Wenn ich gewinne, dann kaufst du deinem Bruder die Hütte ab.", erklärte Biggi. "Und wenn ich gewinne?", fragte Thomas schmunzelnd. "Dann gibt's heute Abend, wenn wir wieder zurück in den Bergen sind, eine kleine Belohnung von mir für dich.", erwiderte seine Freundin in einem äußerst verführerischen Ton und küsste Thomas daraufhin zärtlich.
"Sicher, dass das ein fairer Deal ist?", erkundigte sich Thomas und tat so, als wäre er davon gar nicht überzeugt. Dabei gefielen ihm beide Vorschläge sehr gut und das Biggi genau den Kauf der Hütte als Bedingung setzte, kam ihm gerade recht. Bereits seit ein paar Tagen hatte er nämlich beschlossen gehabt die Hütte zu kaufen, aber das brauchte Biggi gerade noch nicht wissen. Auch nicht, dass der Kauf bereits seit heute Mittag offiziell war, denn während Biggi beim Arzt gesessen war hatte Thomas sich mit seinem Bruder vor dem Institut getroffen und den Vertrag unterschrieben. Damit wollte er Biggi später bei einem Essen überraschen, das er noch eingeplant hatte.
"Ganz sicher.", entgegnete Biggi und Thomas freute sich bereits auf noch einen Kuss, jedoch wandte sich die Pilotin dann einfach von ihm ab und machte sich an die Arbeit. Schmunzelnd beobachtete Thomas seine Liebste dabei, wie sie das ausgebaute Teil quasi in Rekordzeit wieder einsetzte.
"Fertig!", rief sie stolz und trat ein paar Schritte zurück, um Thomas ihr Werk begutachten zu lassen. Sie selbst hatte gemerkt, dass ihr inzwischen eindeutig ein wenig die Routine fehlte, da Max sich ja größtenteils um den Heli kümmerte. Jedenfalls um die Mechanik und für Biggi war da meistens nur noch der Routine-Check vor jedem Dienst übrig geblieben. Thomas hatte auch eher nur dann das Schrauben übernommen, wenn Max mal nicht da gewesen war oder nur kleine Dinge zu erledigen gewesen waren. Sie waren schließlich in aller erster Linie Piloten und keine Mechaniker. Dennoch waren sie durchaus in der Lage, im Notfall das Problem selbst zu finden und zu beheben. Das galt für beide.  
Thomas trat näher an das Baby heran und inspizierte Biggis Arbeit. "Sicher, dass du schon fertig bist?", fragte er und Biggi nickte. Sie war voll von sich überzeugt, was Thomas freute. Allerdings frage er nicht grundlos nach. "Ganz sicher?", fragte er nochmals. "Ich könnte mir nicht sicherer sein.", bestätigte Biggi. "Dann beweis es mir doch mal.", schlug Thomas vor und wusste genau, dass er gerade dabei war die Wette doch noch zu gewinnen. Denn vor lauter Eile hatte Biggi etwas vergessen, das sollte sie jedoch selbst merken. Sollte sie jetzt versuchen den Heli zu starten würde sie daran scheitern und Thomas würde seinen Gewinn bekommen und genau den wollte er auch unter allen Umständen haben. Obwohl sie ja eigentlich nichts anderes taten, als sich zu lieben, während sie dort zurückgezogen in Hütte hausten. Biggi zögerte, seufzte aber dann und lief zur rechten Seite des Cockpits.
"Von mir aus.", meinte sie und schwang sich gekonnt auf den Pilotensitz. Siegessicher betätigte sie die ersten Knöpfe und Schalter, doch es passierte genau das was Thomas geahnt hatte, nämlich gar nichts. "Das gibt's doch nicht!", murmelte Biggi und versuchte es erneut. Wieder blieb alles ganz still und Thomas, der seiner Freundin die ganze Zeit zugesehen hatte, konnte nicht anders als los zu lachen. Sofort war Biggi klar, dass er noch irgendwas angestellt haben musste.
Also stieg Biggi wieder aus und kontrollierte den Heli nochmal komplett. Einen weiteren Fehler fand sie jedoch nicht und deshalb entschied sie sich dazu, das eingebaute Teil nochmal genau unter die Lupe zu nehmen. Als sie die Seriennummer sah, war ihr klar, warum nichts funktionierte. "Ist das dein Ernst?", fragte Biggi und musste einfach lachen. Thomas hatte ihr das Bauteil eines anderen Helikopters untergejubelt. Dieses gehörte zwar ebenfalls zu einer BK, genauer gesagt zum Vorgänger und war baugleich mit dem Teil das in diese Maschine gehörte. Jedoch passte es trotzdem nicht, da es einfach nicht genügend Leistung erbringen konnte, die aber bei dieser Maschine nötig war um sie zu starten. "Man schaut eben immer vorher nach, ob man auch das richtige Teil hat.", meinte Thomas ebenfalls lachend. "Es kann ja sein, dass man versehentlich nach dem falschen Teil greift, das da so im Lager rum liegt.", fügte er hinzu.
"Du bist so ein Arsch!", schimpfte Biggi, was sie aber natürlich nicht ernst meinte. "Tja, damit musst du leben. Denn ab jetzt bin ich dein ganz persönlicher Arsch!", erinnerte Thomas sie. "Das muss ich mir aber nochmal ganz genau überlegen!", meinte Biggi und wandte sich ab.
"Moment mal!", rief Thomas ihr hinterher. "Du kannst jetzt nicht so nen Spruch raus hauen und dann einfach abhauen, das ist unfair!", stellte der Pilot klar und rannte Biggi hinterher. Die Pilotin wollte nach dem richtigen Teil suchen, jedoch hatte Thomas sie bereits einen Augenblick später eingeholt und zog sie zu sich zurück. Und ehe Biggi begriff was geschah, hatte Thomas sie schon hoch gehoben und sie sich über die Schulter gelegt. Biggi lachte laut auf.
"Lass mich runter!", rief sie belustigt. "Vergiss es!", antwortete Thomas. "Ansonsten läufst du mir noch weg und das lasse ich auf keinen Fall zu!", fügte er ebenso amüsiert hinzu. Über die Schulter hängend trug er Biggi ein bisschen herum und wirbelte sie ein bisschen durch die Luft, indem er sich schnell drehte. Und die Pilotin kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen.
Das Paar alberte herum wie zwei frisch verliebte Teenager. Da Thomas es liebte, Biggi lachen zu hören und sie inzwischen nicht mehr so zerbrechlich war wie noch vor ein paar Wochen, ließ er sie auch nicht mehr so schnell runter. Sie waren jedoch nicht mehr alleine in der Hütte, was sie durch den Unsinn den sie trieben, vollkommen vergaßen. Und es war nicht nur Max, der ihnen durch den Rollo des einen Fensters zu sah.
Man konnte sehen was draußen auf dem Landeplatz geschah, aber von draußen würde keiner etwas bemerken. Neben Max stand nämlich auch noch Karin, die vor wenigen Minuten eingetroffen war. Eigentlich nur, um sich ein wenig Papierkram mit nach Hause zu nehmen. Allerdings hatte sie dann Thomas' Auto auf dem Parkplatz stehen sehen und Max vorgefunden und einen ihr fremden Hund, den Max ihr als Balu vorstellte. Dieser sollte Thomas und Biggi gehören, was Karin verwundert hatte. Jedoch schien es zu stimmen. Und Max hatte die beiden vom Fenster aus beobachtet, was Karin nun ebenfalls tat. Eigentlich wäre sie am liebsten nach draußen gegangen, aber Max hatte sie aufgehalten. Thomas hatte ja klargestellt, dass niemand etwas mitbekommen durfte.
Seit ein paar Minuten standen sie also gemeinsam da und beobachteten das Geschehen. Biggi und Thomas alberten herum und man hörte das Lachen der beiden ganz deutlich. Karin musste lächeln. Biggi schien es wirklich deutlich besser zu gehen und Thomas schien tatsächlich alles im Griff zu haben. Selbst aus der Entfernung erkannte Karin, dass ihre Freundin wieder viel gesünder und fitter aussah. Irgendwann ließ Thomas Biggi schließlich wieder runter und als sie ihm um den Hals fiel und ihn küsste, staunten Karin und Max nicht schlecht. Die Ärztin hatte es allerdings schon vermutet oder es sich gewünscht, weshalb sie nur noch breiter grinste.
"Hast.. Hast du das gesehen?!", fragte Max sie aufgeregt. "Allerdings hab ich das.", antwortete Karin. "Ich hab schon vor Jahren versucht, die zwei zu verkuppeln und jetzt auf einmal knutschen die rum! Obwohl Biggi ihm vor ein paar Wochen vor unseren Augen noch eine gescheuert hat! Wie geht das?!" Max war vollkommen fassungslos. "Mit der Wächter-Methode.", meinte Karin amüsiert.
Max verstand nicht, was Karin da redete, aber sie wollte es jetzt auch nicht erklären. Sie bewegte Max dazu vom Fenster weg zu gehen und stattdessen einen Kaffee mit ihr zu trinken. Das taten sie dann auch.

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