Kapitel 43

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Allerdings klappte das nicht. Der Streit mit Thomas ging ihr einfach nicht aus dem Kopf und je länger sie überlegte, desto krassere Szenarien malte sie sich aus. Thomas quälte es ebenfalls Biggi so angegangen zu sein und er ließ seinen Zorn über sich selbst mithilfe der Axt am Holz aus.
Als Biggi wieder aus dem Bad kam, war Thomas noch draußen. Sie räumte ein wenig auf und verdunkelte dann das Wohnzimmer. Anschließend machte sie das Feuer im Kamin an, dabei hatte sie Thomas inzwischen so oft zugesehen, sodass Biggi es selbst schaffte. Sie war so erschöpft, dass nur ein Mittagsschlaf Abhilfe schaffen konnte. Das war jedenfalls besser, als sich weiterhin mit Thomas auseinandersetzen zu müssen.
Biggi nahm Balu hoch und nahm ihn mit ins Bett. Während er beinahe sofort einschlief, hatte Biggi allerdings massive Probleme damit. So sehr sie es auch wollte, sie konnte einfach nicht einschlafen. Sie versuchte alles. Von Schäfchen zählen, bis hin zum Feuer beobachten. Nichts half.
Als Thomas jedoch herein kam, stellte sie sich schlafend. Er schien es tatsächlich zu glauben, weil er fast geräuschlos an ihr vorbei ins Bad schlich. Thomas ging ebenfalls duschen und merkte erst danach, dass er keine Klamotten zum Wechseln mit ins Badezimmer genommen hatte. Er war durch den Streit mit Biggi ziemlich durcheinander und war froh, dass sie jetzt erstmal schlief.
Die Boxershorts und die Hose hatte er am Morgen erst frisch angezogen, aber ein frisches T-Shirt brauchte Thomas definitiv, da er während der Arbeit draußen ziemlich ins Schwitzen gekommen war. Dummerweise standen die Koffer nach wie vor im Wohnzimmer, weshalb Thomas erneut an Biggi vorbei musste. Er dachte allerdings weiterhin, sie würde schlafen, weshalb er das Risiko einging.
Biggi tat erneut so, als würde sie schlafen und öffnete erst die Augen als Thomas an ihr vorbei gegangen war. Sie erhaschte dabei einen Blick auf seinen Rücken und blinzelte, aber sie bildete sich das was sie sah definitiv nicht ein. Das flackernde Licht des Feuers reichte bereits aus, um zu erkennen, dass die Haut auf Thomas' Rücken Spuren trug und eine böse Vorahnung ergriff Besitz von Biggi. Es passte plötzlich alles zusammen, ausnahmslos.
Um sich jedoch ganz sicher sein zu können, musste Biggi das aus der Nähe sehen.
Sie stand leise auf und schlich zu Thomas hinüber, um neben ihm in die Knie zu gehen. Er bemerkte sie erst, als Biggi mit ihren Fingern zaghaft über seine Haut fuhr. Thomas erschrak. Er hatte geglaubt Biggi würde schlafen, aber dem war nicht so gewesen und jetzt hatte sie genau das gesehen was sie nicht hätte sehen sollen. Und dennoch hielt er erstmal still. Er war unfähig sich auch nur ansatzweise zu bewegen.
Nun hatte Biggi überhaupt keine Zweifel mehr daran, dass sich auf Thomas' Rücken Spuren befanden. Es waren Narben, einige mehr andere weniger tief. Man spürte sie deutlich, wenn man darüber fuhr. Biggi merkte, dass Thomas plötzlich zitterte, aber noch hielt er sie nicht auf. Es gab nur eine logische Erklärung, wir diese Narben entstanden sein konnten, die sich über seinen gesamten Rücken verteilten. Es war nicht das erste Mal, dass Biggi so etwas sah. Unwillkürlich musste sie an Gabi denken und zunächst wusste Biggi nicht warum, aber dann verstand sie es. Diese Blessuren konnten nur auf eine Art und Weise entstanden sein und zwar durch Feuer. Es waren eindeutig Brandwunden. Im Gegensatz zu Gabis Verletzungen waren diese hier zwar inzwischen verheilt, aber Biggi war trotzdem überzeugt von ihrer Theorie.
Wieder und wieder fuhr sie mit ihren Fingerspitzen vorsichtig über die vernarbte Haut. Das konnte nur in diesem Bergwerk bei der Explosion passiert sein, eine andere Möglichkeit konnte es ihrer Ansicht nach einfach nicht geben.
Thomas zwang sich nun, sich umzudrehen. Biggi hatte genug gesehen. Er griff nach ihrer Hand, ihre Blicke trafen sich und Thomas schüttelte einfach nur den Kopf. 'Das reicht.', schien er ihr damit sagen zu wollen. Ein Blick in Biggis Augen genügte und Thomas war klar, dass sie genau wusste wann diese Narben entstanden sein mussten. Sie brauchte nichts sagen, keiner der beiden musste irgendetwas sagen.
Biggi konnte sich nicht länger zusammenreißen und schluchzte auf. Thomas hatte die Tränen in ihren Augen schon vorher bemerkt und zog Biggi sofort sanft an sich. Sie sollte nach diesem Schock weinen dürfen. Aber nicht allein, sondern hier in seinen Armen.
Und das tat Biggi auch. Sie weinte bitterlich, da ihre Alpträume nun Wirklichkeit zu werden schienen. Teilweise musste das, was sie träumte, also passiert sein. Thomas war damals bei dieser Explosion verletzt worden. Nicht getötet, aber dennoch musste er unerträgliche Schmerzen gehabt haben.
"Biggi, es ist alles gut.", flüsterte Thomas. Er wollte sie irgendwie beruhigen, aber zunächst schien es aussichtslos. "Gar nichts ist gut!", schluchzte Biggi. "Das.. das müssen doch höllische Schmerzen gewesen sein! Und.. das geht doch auch nicht mehr weg, diese Narben werden dich ewig daran erinnern!" Und das stimmte auch. Alles, was Biggi gerade gesagt hatte, stimmte.
"Das stimmt auch.", antwortete Thomas ruhig, obwohl er selbst mit den Tränen kämpfte. "Ich hatte Schmerzen, war in Amerika lange im Krankenhaus und diese Narben werden für immer bleiben. Aber Biggi.. ich habe mich damit abgefunden, weißt du? Und damals wäre ich in diesem Bergwerk im Nachhinein viel lieber verbrannt, als in der USA mein Leben als Flüchtiger zu fristen. Mit einem anderen Namen, mit einem Job der mich nur genervt hat und ohne meine Mädels und.. ohne dich!", offenbarte Thomas Biggi.
"Die ersten Monate danach waren schrecklich, aber inzwischen habe ich es akzeptiert. Man sieht nichts, wenn ich ein T-Shirt trage und auch sonst schränken mich diese Narben in keiner Weise ein. Es hätte mich schlimmer treffen können, deutlich schlimmer!" Thomas nahm Biggis Gesicht in seine Hände. "Und deshalb musst du nicht weinen, hörst du mich? Anders als in deinen Träumen bin ich nicht verbrannt und tot, sondern hier bei dir und nirgends würde ich lieber sein!", beteuerte Thomas und begann Biggi die Tränen aus dem Gesicht zu küssen. Sie hielt dabei ganz still.
"Du bist hier!", flüsterte Biggi schluchzend. "Ich bin hier!", bestätigte Thomas. "Bei mir!", hauchte Biggi. "Bei dir!", versicherte ihr Thomas ebenfalls und um ihr das zu beweisen, küsste er Biggi innig. Die Pilotin erwiderte den Kuss und als sie sich kurz darauf in die Augen sahen, wurde beiden bewusst, dass es diesmal nicht beim Küssen bleiben würde. Da war dieses Verlangen nach mehr, nach so viel mehr. Nach allem, was sie die Jahre über versäumt hatten.

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