Kapitel 13: Zwölf Regeln

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,,Also, das ist die leckerste Waffel, die ich je gegessen habe", schmatzte Keno.
,,Ja, der Laden ist der Hammer."
Die Kellnerin kam an unseren Tisch:,,Darf es hier noch etwas sein?"
Ich nickte:,,Eine heiße Schokolade mit Marshmallows bitte."
,,Für mich bitte auch."
Die Kellnerin nickte:,,Gerne."

Ich kicherte:,,Na Keno, pass mal lieber auf, sonst ist das Sixpack ganz schnell wieder weg."
,,Quatsch, es darf nur nicht zu viel werden. Außerdem brauche ich Süßkram, sonst sterbe ich."
Ich lachte:,,Ich auch."
Die heiße Schokolade kam und ich aß direkt ein paar Marshmallows:,,Also, warum lässt du dich so fertig machen?"

,,Naja, ich weiß nicht. Ist halt so. Ich habe irgendwie verlernt mich zu wehren, auch durch meine Vergangenheit."
,,Deine Vergangenheit muss ziemlich scheiße sein."
,,Das kannst du laut sagen."
,,Was hat dich so zerstört? Mobbing?"
,,Teilweise."
,,Was noch?"
,,Neugierig bist du ja überhaupt nicht."

,,Du musst nichts sagen, reden hilft nur manchmal."
,,Also, ich sage so viel. Mein Vater, Mobbing, Schläger. Mehr brauchst du erstmal nicht zu wissen."
,,Ist okay, aber das ist vorbei. Das Mobbing und fertig gemache hat jetzt ein Ende, kapiert?"
Er sagte nichts und guckte aus dem Fenster. Mir war bewusst, dass er nicht wusste wie, aber dafür war ich ja jetzt da.

Wir redeten ein bisschen und leerten unsere Kakaos. Als die Kellnerin die Rechnung brachte, gab sie Keno einen Zettel und lächelte. Wir verließen das Café und setzten uns auf ein paar Steine an einen Fluss, der durch den Stadtpark plätscherte.
,,Na los, mach den Zettel schon auf."
,,Okay."

Keno faltete den Zettel auf und las laut vor:,,Das ist eigentlich gar nicht meine Art, aber ich wollte dir sagen, dass ich dich unfassbar attraktiv finde und mich freuen würde, wenn du mir schreibst. Meine Nummer lautet 667814320. Ich hoffe das blonde Mädchen ist nicht deine Freundin. Deine Karlotta."

Ich lachte:,,Ja gut, da wirst du dich wohl dran gewöhnen müssen."
Er seufzte:,,Wenn du das sagst."
,,Wirst du ihr schreiben?"
,,Weiß nicht. Warum sollte ich?"
,,Naja, sie war doch süß oder nicht?"
,,Hab nicht so drauf geachtet."
Ich grinste:,,Was eine Frisur so ausmachen kann."
Er nickte und seine Augen trafen meine. Dieses Blau...

,,Obwohl shoppen nicht so mein Ding ist, muss ich sagen, dass es sogar Spaß gemacht hat", sagte Keno ruhig. Ich schaute ihm immer noch in die Augen:,,Ja, es war schön."
Er richtete seinen Blick wieder auf den Fluss. Eine Weile saßen wir nebeneinander und hörten dem Fluss nur beim Plätschern zu. Die Vögel zwitscherten und am Horizont ging langsam die Sonne unter.

Ich guckte auf die Uhr:,,Oh, es ist schon 18 Uhr."
,,Willst du nach Hause?"
,,Eigentlich nicht, außerdem liebe ich Sonnenuntergänge."
,,Okay, dann lass ihn uns noch angucken."
,,Du willst wirklich einfach so hier mit mir sitzen und den Sonnenuntergang anschauen?"
,,Klar, warum nicht? Es ist wirklich sehr schön."

Verblüfft sah ich ihn an. Zane findet das unnötig und langweilig. Niemals würde er mit mir einen Sonnenuntergang angucken. Da würde er lieber nackt zur Schule kommen. Lächelnd richtete ich meinen Blick wieder auf den Sonnenuntergang, der heute wirklich unglaublich schön war:,,Weißt du, ich war auch nicht immer so."
,,So beliebt und begehrt?"
,,So selbstbewusst."
,,Dich kann ich mir ohne Selbstbewusstsein überhaupt nicht vorstellen."

,,Naja, es war so. Als ich in der fünften Klasse auf die weiterführende Schule kam, tat ich mich schwer damit, Freunde zu finden. Zum Glück hatte ich dann aber schnell Nila. Jedenfalls hatte ich kein richtiges Selbstbewusstsein in den darauf folgenden Jahren. Erst in der neunten Klasse machte es dann Klick. Ich wurde nicht fertig gemacht oder so, aber ich war einfach wie jeder andere. Daher habe ich dann angefangen mich freizügiger zu zeigen. Das gefiel mir so gut, dass ich es beibehielt. Am Anfang war ich Angriffspunkt Nummer eins, aber ich habe gelernt zurückzuschlagen und dann haben sie es mit der Zeit gelassen. Dadurch wurde ich dann auch in der neunten so beliebt. Das zog sich dann bist jetzt in die 13te Klasse, aber das alles habe ich nur erreicht, weil ich mich nicht habe klein kriegen lassen. Ich habe zurück geschlagen und das solltest du auch."

,,Das sagt sich immer so leicht."
,,Aber was hält dich denn auf?"
,,Ich weiß nicht."
,,Siehst du. Mach einfach. Denk nicht nach und mach."
,,Einfach machen?"
,,Ja, pass auf. Ich lebe noch nicht lange, aber ein paar Dinge habe ich doch schon gelernt."
,,Und ich nehme an, dass du mir diese Regenbogendinge jetzt sagen wirst."
,,Nicht nur das, ich schreibe sie dir auf, damit du sie verdammt nochmal befolgst."

Ich nahm mein Handy und reichte es Keno:,,Ich brauch deine Nummer dafür."
Er nickte und tippte sie ein, dann nahm ich mein Handy wieder in die Hand und las laut vor, was ich schrieb:,,Eins: Egal was du tust, tu es für dich.
Zwei: Menschen bereuen nur das, was sie nicht getan haben.
Drei: Dein Leben ist ein Film und du spielst die Hauptrolle.
Vier: Dein Leben ist das, was du daraus machst.
Fünf: Du bist dein größter Feind.
Sechs: Wenn du nicht weißt, ob du es tun sollst, machs einfach.
Sieben: Sag immer was du denkst.
Acht: Menschen die hinter deinem Rücken über dich reden, sind genau da wo sie hingehören, hinter dir. Lass sie stehen und geh weiter.
Neun: Lass dir von niemandem sagen, dass du irgendwas nicht schaffen kannst.
Zehn: Lass dir von niemandem etwas vorschreiben.
Elf: Mach das, was du für richtig hälst.
Zwölf: Du bist so viel schöner als du denkst."

Mit einem kurzen Seitenblick zu Keno, schickte ich den Text ab. Keno hatte die ganze Zeit in den Sonnenuntergang geschaut und wirkte sehr nachdenklich:,,Das war viel Regenbogen auf einmal."
,,Ich weiß, aber ich werde nicht immer da sein um dich zu verteidigen, das musst du schon selber machen und diese zwölf Dinge sind so unglaublich wichtig. Präge sie dir ein und lebe nach ihnen."

,,Mhmh."
,,Ich will gar nicht wissen, wie wütend du auf die bist."
,,Sehr, das kannst du glauben."
,,Na dann. Du bist Boxer, mach sie fertig."
Ich sah wie sein Ausdruck sich langsam veränderte. Er schien endlich zu verstehen. Es hatte klick gemacht.

Er las sich die zwölf Dinge noch einmal durch, dann guckte er wieder in den roten Horizont:,,Du hast recht. Ich hab keinen Bock mehr immer alle machen zu lassen. Ich will nicht länger das Opfer bleiben."
,,Dann sei kein Opfer mehr."

~~~◇~~~

Wir standen an der Bushaltestelle und warteten auf den Bus. Obwohl die Sonne bereits völlig untergegangen war und nur noch die Straßenlaternen Licht erzeugten, war es noch angenehm warm. Keno und ich hatten uns den Sonnenuntergang noch völlig zuende angeschaut und fanden dann heraus, dass wir den gleichen Bus nehmen mussten.

Da kam der Bus auch schon und wir stiegen ein. Die Fahrt über guckte ich aus dem Fenster und ich war irgendwie ziemlich müde vom Tag. Das Wackeln des Busses wiegte mich langsam in den Schlaf, bis mir die Augen zufielen.

~~~◇~~~

Als ich aufwachte, fand ich mich an Kenos Schulter gelehnt wieder.
Sofort setzte ich mich aufrecht hin:,,Sorry."
,,Alles gut, du hast geschlafen."
,,Wie lange?"
,,Ungefähr zehn Minuten. Wir sind auch gleich bei mir."
,,Ah, okay."

Der Bus hielt an einer Haltestelle an und einige Leute wollten einsteigen. Keno deutete auf ein schönes Häuschen in einer kleinen Seitenstraße:,,Dort wohne ich."
In der Einfahrt stand ein schickes, pechschwarzes Motorrad.
,,Boa, ist das Bike von deinem Vater?"

Er schmunzelte und stand auf:,,Nein, das ist meins."
,,Das ist deins? Du fährst Motorrad?"
Er nickte:,,Wir sehen uns Talita und danke, es war wirklich schön."
Seine Augen trafen wieder meine und ich merkte wie ich, wie schon desöfteren an diesem Tag, rot wurde. Ich guckte schnell weg:,,Bis dann. Ich fand es auch schön."

Ich beobachte wie er ausstieg und in seine Straße einbog, dann setzte sich der Bus wieder in Bewegung. Als ich die vorbeiziehenden Bäume beobachtete, dachte ich daran, dass ich heute noch keinen Gedanken an Herr Waldiger verschwendet hatte. Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Das lag an Keno.

The BadBoys thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt