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Der Bissen Schokokuchen hielt nicht lange. Und es wäre eine Schande das ganze Dessert in mich hineinzuschlingen, nur um Danis fiesen Fragen zu entkommen.

„Es war nur ein klitzekleiner Kuss. Ok. Und danach wollte ich Heaven auch nicht mehr Wiedersehen. Also eigentlich."

Mit meiner Beichte kam das schlechte Gewissen zurück. Es hatte mich die halbe Nacht gequält und mich auf Instagram zu den schlechten Witzen gejagt. Nach einer Stunde scrollen, fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Vielleicht sollte ich Heaven an meinem neugewonnen Witze Repertoire teilhaben lassen. Dann wollte sie mich sicher nie wiedersehen.

Am Morgen hatte ich dann beinah mein Schweigen gebrochen. Meine Schuld drehte sich in meinem Kopf wie ein Karussell und warf mich nur deshalb nicht vom Schaukelpferd, weil Ashley wenig Zeit zum Reden hatte.

Ich erzählte ihr trotzdem alles, direkt nachdem sie aufgelegt hatte. Die Antwort kam als monotones Tuten. Gleichgültig, teilnahmslos. Ich wünschte Ashley würde mich schimpfen, anschreien und ihre Enttäuschung in Plakaten über ganz Sydney tapezieren. Dann lief die schreckliche Szene, in der ich ihr die Wahrheit sagte, zumindest nicht mehr in Dauerschleife in meinem Kopf ab.

„Also, ganz ehrlich. Es ist die beste Idee, wenn ihr euch nie wiederseht. Du sagst ja sogar, Heaven ist der megageile Schokokuchen. So geil, dass du frisst, bis dir schlecht wird. Ich glaube nicht, dass du die Finger von ihr lassen kannst. Du versautes Stück."

Aydin leckte seinen Löffel ab und grinste. Er genoss es in vollen Zügen, meinen moralischen Verfall live und in Farbe zu erleben. Nichts anderes hatte ich erwartet.

„Kann sein.", murmelte ich und matschte in meinen traumhaften Dessert herum. Ich hatte es gar nicht verdient.

„Kann sein. Aber du triffst Heaven trotzdem wieder?"

Danis Stimme klang zu ruhig. Sie hielt unserem Augenkontakt nur kurz stand und senkte den Blick zu ihrer Nachspeise. Mit ihrem Löffel kratzte sie am Rand der Schale entlang. Die ganze Situation widerstrebte ihr eindeutig. Sicherlich wollte sie sich auf Ashleys Seite stellen, fühlte sich aber mir verpflichtet. Kein Wunder. Ich hätte auch Ashleys Seite gewählt.

Auch ich stand Dani stets bei, wenn sie wieder einen ihrer Freunde betrog. Keine schwere Aufgabe. Dani verliebte sich immer hundertprozentig unter ihrer Liga.

„Ja. Ich treffe sie wieder."

Ich schluckte schwer. Daran gab es nichts zu beschönigen.

„Weil ich irgendwie nicht anders kann."

So eine bescheuerte Ausrede. Sollte das eine Rechtfertigung sein? Ich schlug mir frustriert die Hand vors Gesicht. Am liebsten hätte ich mich selbst geohrfeigt.

Dani seufzte laut. Aus ihr sprühte der pure Frust.

„Oh Poppy. Du verruchtes Stück. Wenn du eine tatsächlich eine Affäre beginnen willst, dann haus jetzt raus. Weil dann sprechen wir auf einer ganz anderen Basis."

Aydin klang beinah stolz. Ich begegnete seinem Lächeln mit genervten Stirnrunzeln.

„Ich will keine Affäre beginnen.", zischte ich.

Mein Freund nickte und sein Grinsen wuchs breiter.

„Klar, klar. Keine Affäre. Klar. Wann triffst du Heaven noch gleich wieder?"

Aydin, die kleine Kröte, quakte einfach so die unbequemen Wahrheiten heraus, während ihm Kuchen an der Lippe klebte.

„Morgen. Aber wir gehen nur ins Kino."

Ich nahm einen tiefen Atemzug. Das sollte doch eigentlich beruhigen.

„Und danach seh ich sie nicht wieder."

„Ihr geht ins Kino!"

Das reine Entsetzen hing in Danis Stimme. Nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Immerhin hatte ich gerade mein ehrliches Vorhaben Heaven nie wiederzusehen zugegeben.

„Du willst unbedingt mit Heaven rummachen. Oder?"

Inzwischen klang Dani richtig wütend.

„Nein. Ist halt das Erste war mir eingefallen ist. Ich wollt halt nur..."

Ich brach ab und presste die Lippen aufeinander. Ich wollte Heaven nur wiedersehen. Das konnte ich nicht zugeben, ohne eine Diskussion über meine Gefühle zu starten. Eine Diskussion, die mir nicht helfen würde, weil ich mich von Anfang an, und für immer, für Ashley entschieden hatte. Ganz egal wie sehr mich Heaven im Moment lockte. In dieser Parallelwelt voller Kindheitserinnerungen und veralteten Emotionen, gelang es mir kaum mich aus ihrem Netz zu befreien. Ein sonderbare und verzerrten Welt, die mit meinem wirklichen Leben in Seattle nichts zu tun hatte.

„Du willst sie im Dunkeln betatschen.", warf Aydin absolut hilfreich ein.

Ich knurrte ihn an und er kicherte.

Dani zupfte am Ärmel meines Shirts. Sie lächelte unsicher. Scheinbar wollte sie ein paar der Wogen zwischen uns glätten.

„Könnt ihr woanders hingehen?"

„Klar. Mir fällt schon was ein.", sagte ich. Natürlich würde ich auf die Vorschläge meiner Freunde eingehen. Sie zu treffen hatte sich schon gelohnt. Über die verruchten Seiten eines unschuldigen Kinobesuchs hatte ich überhaupt nicht nachgedacht.

Aydin klopfte mit dem Löffel gegen seine Schüssel und schickte ein lautes Klingeln durch das beinah leere Restaurant. Ein paar Köpfe wandten sich zu uns, doch scheinbar entdeckten sich nichts Interessantes.

„Willst du ne Rede halten?", motzte Dani

Mein Freund ignorierte sie mit einem Schulterzucken.

„Ich hab die perfekte Idee für dich. Poppy. Für ein letztes Date gibt's nichts Besseres. Und da sind verflucht viele Leute."

In seinen dunklen Augen lag ein geheimnisvolles Glitzern und er stupste mir mit dem Finger gegen die Nase.

„Ein Swingerclub?"

Die saudoofen Instagram Witze wirkten eindeutig nach.

Dani schnaubte und begann wie wild den „Schokotraum", in sich hineinzulöffeln.

Sie hatte eindeutig genug von uns.



Bevor ich aufbrach, um Heaven zu treffen, telefonierte ich mit Ashley

Dabei wiederholten wir die Routine der letzten Tage. Ich hangelte mich verzweifelt um jede Aussage herum, die irgendwie verdächtig wirkte und Ashley beendete das Gespräch verfrüht, um zu arbeiten.

Diesmal nahm ich ihren schnellen Rückzug nicht dankbar hin, denn er erschien mir seltsam erzwungen. Als wollte Ashley ebenfalls nicht mit mir reden. Mein Herz sank, während sie auflegte. Die Stille in meinem Telefon wisperte mit bösen Zungen. Ashley ahnte etwas. Sie kannte mich zu gut und hatte längst hinter meine falsche Fassade geblickt. Niemand wollte lange mit einer widerlichen Betrügerin reden.

Oder sie betrog mich auch. Mit eben jenem Kollegen, der ihr Vancouver gezeigt hatte. Er war auf einem der Fotos, das Ashley mir geschickt hatte. Sein Arm lag über ihrer Schulter. Niemand hätte die Beiden als Pärchen angezweifelt.

Ashley mochte auch Männer. Unscheinbare, langweilige Männer, mit runden, freundlichen Gesichtern und dunklen Haaren.

Fast wäre es die bessere Wahrheit. Wenn sie so wie ich Schuld auf sich geladen hatte und mich mit einem Max Mustermann betrog, während ich zumindest meine Traumfrau besprungen hatte. 

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt