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Ich reichte das Gewehr an den Schießbudenbesitzer zurück und erhielt dafür neun bunte Plastikwertmarken und ein stoisches: „Herzlichen Glückwunsch."

Heaven stand immer noch vor der Losbude. Als ich neben sie trat, hackte sie sich bei mir unter.

„Magst du Lose? Und jede Menge Mist gewinnen, den du nicht gebrauchen kannst?"

„Nein Danke. Unsere Wohnung quillt eh schon über vor lauter Ze..."

Viel zu spät schluckte ich den Rest des Satzes herunter. Besagte Wohnung teilte ich mit Ashley. Mein ganzes Leben teilte ich mit Ashley. Wenn ich von mir erzählte, redete ich unweigerlich auch von ihr.

Zur Ablenkung drückte ich Heaven meine Wertmarken in die Hand. Sie nahm die Plastikteile wortlos. Der einzige Kommentar war eine hochgezogene Augenbraue.

„Du kannst dir was beim Schießstand aussuchen. Zusammen haben wir 18 Punkte. Mal sehen, ob du dafür mehr bekommst als einen Berg an Taschentüchern."

Heaven kicherte und lehnte den Kopf an meine Schulter. Scheinbar wollte sie meinen Ausrutscher gnädig ignorieren.

„Zumindest wären die nützlich. Übrigens Herzlichen Glückwunsch zum Gleichstand. Ich hätte lieber gewonnen, aber das ist auch nicht schlecht."

„Tatsächlich du hättest lieber gewonnen? Dabei hast du mich noch ermutigt, die letzten zwei zu treffen. Du Lügnerin."

Der wundervolle Duft von Heavens Haar stieg mir in die Nase. Ich wollte mein Gesicht hineindrücken und tief einatmen. Und dann ihr Gesicht zu mir drehen und ihre Lippen mit meinen finden. Es würde so gut passen, sie zu necken und dann zu küssen. Ach, ich wollte viel zu vieles, ich nimmersattes Wesen.

„Ja. Ich hatte Sorge, dass du sonst heulst. Wir haben ja schon festgestellt, wir haben keine Taschentücher."

Heaven grinste und wischte eine imaginäre Träne von meiner Wange

„Oh. Hey Heaven. Du auch hier? So eine Überraschung."

Eine scharfe Falte schnitt zwischen Heavens Augenbrauen. Sie stieß ein stummes Seufzen aus und wandte sich um.

„Oh Hey.", begrüßte sie die Gruppe junger Frauen, die vor uns stehen geblieben war. Ihrer Stimme triefte vor falscher Begeisterung.

Ich erkannte die Störenfriede als Mitglieder ihrer alten Cheerleader Truppe wieder. Eine davon, mit dunkler Haut und glänzendem, langem Haar, hatte ebenfalls mit uns den Mathekurs besucht. Die Rothaarige daneben hatte Heaven beim Jahrgangstufentreffen die Krone der Cheer Königin aufgesetzt. Wie seltsam, ich hatte mit ihnen allen die Schulbank gedrückt und kannte nicht mal ihre Namen.

Als Heaven einen Schritt nach vorne trat und mitten unter ihnen stand, überfiel mich ein unangenehmes Déjà-vu. Plötzlich war ich wieder im Abseits, ausgeschlossen von dem Leben das Heaven eigentlich führte. Gleich würde sie mich verleugnen und allein lassen, um den Nachmittag mit ihre Freundinnen zu genießen. Mein Körper verkrampfte sich, vielleicht als Zeichen zu verschwinden. Um wie die Poppy von damals den Abstand zu wahren. Geheim zu bleiben. Damit Heaven zufrieden mit mir war.

So ein Unsinn. Die Dynamik hatte sich so lang schon verändert. Und trotzdem quälte sie mich immer noch.

„Ich dachte du bist ganz beschäftigt mit Familientreffen. Deine Schwester hat doch ein Baby bekommen. Oder nicht?", fragte die Mathefreundin.

Ein kurzer Blick aus braunen Augen wusch über mich. Ein Aufblinken von Überraschung im Gesicht der Freundin. Ich lächelte sie verlegen an.

Der perfekte Moment, um zum Getränkestand zu verschwinden. Ich scharrte mit den Füßen über den Boden, wie ein nervöses Pferd, bereit davon zu galoppieren. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, bekannten Gesichtern zu begegnen. Ein weiterer Punkt auf meiner Liste von Verfehlungen, den ich einfach ignoriert hatte.

„Ja. Das hat sie. Ein kleines Mädchen. Ich war schon da und besuch sie nächste Woche noch einmal.", sagte Heaven.

Die Schlange beim Getränkestand war gerade besonders kurz. Um die Preisliste des Standes hinter der Cheerleader Gruppe besser sehen zu können, rutschte ich einen Schritt zur Seite.

Heaven schnappte nach meiner Hand und zog mich zurück. Dabei sah sie mich nicht einmal an. Sollte ich also einfach nutzlos neben ihr herumstehen und die unangenehme Situation ertragen?

„Ach süß. Eine kleine Nichte. Du musst uns mal ein Foto zeigen."

Das Lächeln der Freundin wirkte ehrlich. Ich hatte schon von meinem Beobachtungen beim Jahrgangstreffen einen netten Eindruck von ihr bekommen.

„Und dich kenn ich auch irgendwoher. Du warst auch bei uns im Jahrgang. Oder? Tut mir leid, dass ich dich erst jetzt begrüße."

Sie streckte mir ihre Hand hin und ich nahm sie pflichtbewusst. An ihrem Finger glitzerte ein goldener Verlobungsring.

„Hey. Ich bin Megan Fisher. Das sind Kathi Smith, Sophie Moore und Madison Baker. Wir sind schon ewig mit Heaven befreundet."

Während Megan meine Hand stürmisch schüttelte, tauschte ich mit den anderen Frauen eine Reihe Begrüßungen aus.

Die ganze Szene war mehr als surreal. Immerhin kannten wir uns alle seit Jahren und jetzt stellten wir uns zum ersten Mal einander vor.

Ich kam mir so fehl am Platz vor, während ich mitten unter den Mädchen stand, die alle angehimmelt hatten. Wie der einzige Muffin mit Rosinen, auf einem Tablett voller Schokoladenkuchen.

Megan deutete auf Heaven und mich und grinste verwirrt.

„Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt. Ich hab euch in der High School nie zusammen gesehen."

Sie legte Heaven die Hand auf die Schulter. Ihr Blick erinnerte mich an Danis, wenn ich versuchte etwas vor ihr geheim zu halten. Ein deutliches „so-nicht-junge-Dame", schwang in ihm mit.

„Hast du mir was verschwiegen?"

Wieder blubberte Anspannung in mir hoch. Heaven fischte nach meiner Hand und drückte sie fest.

„Ja eindeutig. Oder! Ich bin sicher nicht allein auf den Jahrmarkt und hab Poppy nur zufällig hier getroffen, um dann den Nachmittag mit ihr zu verbringen."

Der Ton, indem Heaven die Worte ausspucken, klang nach ihrem trotzigen Ich von vor 10 Jahren. Scheinbar war es aufgewacht, um die Situation zu regeln.

„Habt ihr euch auf dem Jahrgangsstufentreffen besser kennengelernt?"

Megan fragte ungeniert weiter, als ob sie den Widerstand ihrer Freundin nicht bemerkte.

„Du bist doch das Mädchen aus dem Schwimmbad. Oder?", wandte sich die Rothaarige an mich.

Die Feststellung kam unerwartet. Sie musterte mich eindringlich und ich starrte ungeniert zurück. Wir hatten dieselbe Schule besucht und dennoch kam sie mir nur sehr entfernt bekannt vor. Irgendwie hatte sie in meiner Jugend keine Substanz besessen. Wie ein Statistin, die nur dazu gedient hatte, die Szenen hinter Heaven zu beleben. Vermutlich hatte ich sie ebenfalls in blauem Röckchen mit kitschiger Schleife herumspringen sehen. Vermutlich hatte sie auf dem Weihnachtsmarkt direkt neben Heaven Kakao getrunken und auf dem Valentinstags Ball in einer Gruppe mit ihr getanzt. Und vermutlich hatte sie zugesehen, wie Annabelle mich auf die Fliesen gestoßen hatte. Megan hatte sie eben als Sophie Moore vorgestellt.

„Ich war bestimmt mal im Schwimmbad früher.", murmelte ich.

Um nichts zu verraten, dass Heaven lieber geheim halten wollte, versuchte ich möglichst vage zu sein.

Sophie grinste breit.

„Mann. Heaven du hast uns ganz schön was vorgespielt. Oder? Ich dachts mir doch. Du hattest eine geheime Freundin. Hast dus deshalb so lang mit Jamie ausgehalten, weil du nebenbei was Süßes zum Liebhaben hattest."

Die Worte klangen nicht empört. Im Gegenteil Sophie wirkte höchst amüsiert. Ihre Hand zuckte hoch, als wollte sie mir in die Wange kneifen. Ich trat vorsichtshalber einen Schritt zurück und warf einen hilflosen Blick zu Heaven. Das war ihr Mist. Sie sollte mir gefälligst da raushelfen.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt