Kurzgeschichte 10

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Ashley

Kaum habe ich fertig gegessen, kommt der Moment, aus dem ich mich mit allen Argumenten und spitzen Bemerkungen nicht herauswinden kann. Ich lande auf dem Bauch, das Rascheln der Plastiktüte aus der Apotheke dringt an mein Ohr, als El die passenden Salben und Pflaster zusammensucht.

„Weißt du was, El. Ich denke, ich sollte vorher doch noch duschen. Weil sonst wasche ich das alles nachher gleich wieder runter. Aber du kennst mich ja. Ich dusche lieber zu Hause."

„Dann komm ich mit dir nach Hause.", raunt El.

„Das ist nicht wirklich möglich. Ich bin umgezogen und alles liegt durcheinander."

El kramt weiter in der Tüte.

„Das stört mich nicht. Hast du schon vergessen, dass ich dir schon ein paar Mal beim Umzug geholfen habe? Manchmal klingst du so, als hätte wir uns gestern erst kennengelernt."

Ich versuche mich aufzusetzen, aber El drückt mich zurück auf den Bauch.

„Das war damals. El. Heut ist doch alles anders."

„Ja? Was ist anders?"

Wir sind keine Freunde mehr. Wir teilen nichts mehr miteinander, außer die Spiele im Bond. Unsere Beziehung ist so merkwürdig, dass ich sie schwer beschreiben kann. Wir haben alle Grenzen überschritten, aber Mauern zwischen uns hochgezogen.

„Mach schnell mit den blöden Cremes, dass wir endlich gehen können."

„Ach. So schwierig ist die Antwort also.", murmelt El.

Eine der Cremetuben pfurzt und El streicht über meine Unterarme. Das Gel ist kühl, doch wird wärmer als sie es in meine geschunden Muskeln einmassiert. Sie arbeitet sich langsam meinen Arm hinauf. Das Gefühl ist angenehm. Mein Körper kribbelt wohlig warm. Dennoch ist Els liebevolle Zuwendung schwer zu ertragen. Sie wirkt fehl am Platz und ist anstrengend. Ich strebe weder nach ihrer Fürsorglichkeit noch nach ihrer Liebe. Wenn ich mich fallen lasse, frisst sie nicht nur meinen Körper. Dann frisst sie mich ganz. Ich möchte nach dem Spiel vor ihr flüchten. Und El versucht mich festzuhalten und ihr Programm durchzuziehen.

„El. Wenn du dich nicht auf das Notwendige beschränkst, steh ich auf und gehe."

Meine Stimme schneidet wie ein Messer. Nur so nimmt El mich ernst.

„Was ist das notwendigste?"

„Das weißt du doch. Als ob wir das nicht genug miteinander besprochen haben."

Noch massiert El ungerührt weiter.

„Es ist ein Jahr vergangen. Ash. Was weiß ich, was sich verändert hat."

Damit hat sie schon Recht. Trotzdem muss ich seufzen. Alles mit ihr ist anstrengend.

„Mach bitte nur die Schultern. Da komm ich nicht so richtig ran und die brauchen sicher ein wenig Creme."

El lässt meinen Arm zögernd los und streicht nochmal über die aufgewärmte Haut, als fiele es ihr schwer Abschied zu nehmen.

„In Ordnung."

Erneut raschelt die Tüte. Eine neue Salbe verliert Packung und Deckel.

„Ich bin ganz vorsichtig."

Ein Versprechen, das ich nicht brauche. Aber es ist nett.

Wärme zieht sich über meinen Rücken. Ihre Berührungen sind wie das sanfte Streicheln mit einer Feder.

Der Deckel der Tube klickt, als sie ihn zudrückt. Mein Zeichen zum Aufbruch. Ich rutsche vom Bett herunter und El schnappt nach meiner Hand. Als wäre ich ein zu wildes Kind auf dem Spielplatz. Und sie eine Helikoptermutter.

„Lass mich noch die Hände verbinden."

„El. Ich..."

„Ash!"

Ihr Tonfall legt mir Ketten an. Er löst einen wohlbekannten Widerhall in mir aus.

„Nur die Hände. Es ist leichter, wenn ich das mache. Denn Rest kannst du ja ohne Probleme allein."

Wie automatisch strecke ich ihr meine Handflächen hin. Ich bin zu sehr darauf trainiert, ihren Befehlen zu gehorchen. Es stört mich nur wenig, weil ich El selten sehe. Und ich liebe es im Spiel.

Sie löst die Knoten der Schals an meinen Handflächen. Ich habe keine Erinnerung daran, wie sie dahin gekommen sind, aber bin nicht überrascht, die kleinen rot-bläulichen Male darunter zu entdecken. El kann noch so gut auf mich achten, ich gehe selten ohne Verletzungen an den Händen, oder aufgebissene Lippen von unseren Spielen nach Hause. Es stört El deutlich mehr als mich. Ich kenne meinen Körper. Die Wunden heilen schnell und schmerzen nicht sonderlich.

„Beim nächste Mal, bringst du bitte deine Handschuhe mit.", rügt sie mich, sehr liebevoll. Dabei streichelt sie über meine Finger. Sie zieht meine Hand höher und sieht sich die Male genauer an.

Beim nächstes Mal. Wie sicher sie ist, dass es ein nächstes Mal geben wird. Ich beiße mir schon wieder auf die Lippe und zucke zurück vor dem metallischen Geschmack von Blut in meinen Mund.

Die plötzliche Bewegung lässt El aufblicken. Sie erkennt leider zu genau was passiert ist und runzelt die Stirn.

„Das war auch schon Mal besser.", stellt sie nüchtern fest.

Natürlich war es das. Mit Poppy gab es keine Wunden, keinen Drang nach Schmerzen. Davor hatte mich El darauf trainiert, meine Lippen zu schonen. Jetzt ist das Training wieder hinfällig.

Poppy. Der Name zuckt wie ein Stromschlag durch mein Herz. Fast wage ich es nach dem Geruch von verbrannten Fleisch zu schnuppern. Diesmal setzt sich der Schmerz nicht fest. Kein Monster wird geboren und suhlt sich in meinen Gedanken. Der Schmerz kommt und geht und ist viel besser zu ertragen als zuvor.

El streicht über mein Kinn und murmelt:

„Da machen wir auch am besten Creme drauf."

So wie sie mich mit Creme vollschmieren will, komme ich mir vor wie eine Sahnetorte.

„Nun mach mal die Hände."

Ein dunkler Blick fängt mich ein. Ich halte ihm stur stand. El lächelt.

„Du bist so ungeduldig."

Das kann ich genauso.

„Du lässt dir wie immer zu viel Zeit."

„Hmm..."

Sie neigt den Kopf zur Seite. Ihr Blick brennt plötzlich. Der goldene Ring an ihrem Nasenflügel glitzert im schwachen Licht. Die Locken, zuvor in eine schicke Frisur gezwungen, haben sich längst ihren eigenen Weg gesucht. Ich schaue zu Boden. Das Risiko erneut verführt zu werden, ist zu groß.

„Soll ich dich noch lecken? Wir sind schließlich beide nicht gekommen.", haucht sie.

Natürlich. Ein falscher Blick und sie findet sofort eine brüchigen Stelle im Zaun, durch die sie in meinen Garten klettern kann.

Ich reiße ihr die Hand weg und springe vom Bett auf. Meine Kleidung hängt ordentlich über der Rücklehne eines Sessels. Die hat sie wohl netterweise für mich eingesammelt.

„Ich gehe jetzt nach Hause.", verkünde ich und schon schlüpfe ich in meinen Slip.

„Das ist also ein Nein.", seufzt sie.

BH und Hose folgen. Kaum habe ich mir mein Shirt übergeworfen, bin ich schon fast aus der Tür.

„Ash! Du bleibst schön hier."

Ihre Stimme schnalzt. Ein Zittern fährt durch meinen Körper. Die Tür bleibt halboffen stehen und ich trete zurück ins Zimmer. Sie kommt und schlingt ihre Arme um mich, dabei lehnt sie den Kopf gegen meinen.

„Deine Hände machen wir trotzdem noch und dann bring ich dich nach Hause.", wispert sie.

Nun gut. Einen Moment kann ich wohl noch warten.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt