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Das Bad fühlte sich an wie meine kleine Festung. Die Tür war das hochgezogene Burgtor. Sie beschützte mich vor Eindringlingen, während ich nur in den Spiegel starrte.

Mein vorwurfsvoller Blick strich über mich, das nackte, dürre Wesen. Diese unständige Hexe, mit dem verwuschelten, hellbraunen Haar und den großen Augen, die Unschuld dort versprachen, wo es keine gab. Selbst den letzten Funken Moral hatte ich heute Abend verloren. Heaven hatte mich nicht verführt. Sie hätte aufgehört. Ich wollte weitermachen.

Und genau hier befand ich mich jetzt. In einer Sackgasse, in die ich volle Fahrt hineingerast war. Nackt, zutiefst befriedigt, doch unglücklich. Mein Gesicht glänzte wie die Blüte des Lebens. In meinen Augen hing ein feuchter Schimmer. Rückwärts aus der Gasse hinauszusteuern, erwies sich als zu schwierig. Mir blieb nur umzudrehen. Ich fletschte eine Grimasse.

Dann hockte ich mich aufs Klo. Es plätscherte eine Weile und ich blieb viel länger sitzen, als ich musste. Vor mir ergoss sich das unendliche weiß der Badtür. Dahinter lagen nur Probleme. Ich sollte einfach hierbleiben. Hier, auf der inzwischen angewärmten Klobrille. Hier hatten weder Heaven noch Ashley Zutritt.

Wie ein anständiges Mädchen wusch ich mir gründlich die Hände. Aber ich war kein anständiges Mädchen. Ich war ein unanständiges Mädchen, das ihr Handy im Risikogebiet hatte liegen lassen. Und alles in mir schrie danach, Dani anzurufen. Sie kannte sich aus mit solchen Situation. Die Flucht nach einer schlechten Entscheidung meisterte sie wie kaum eine andere. Übung machte bekanntlich den Meister. Karma grinste mir fies ins Gesicht. Es gönnte mir keine Hilfe für meine Dummheit. Abhauen musste ich ganz allein, ohne Tipps vom Profi.

Von nun an würde es besser sein Heavens weiche, warme und viel zu angenehme Umarmung zu meiden, als wäre sie giftig, wie eine schwarze Witwe. Sie biss mich im Liebesspiel. Ich schluckte alles von ihr zu gierig und gab ihr mein eigenes Gift zurück.

Ein letzter Blick in den Spiegel. Ich rollte die Schultern zurück. Dann legte ich die Hand auf die Türklinke.

Nach ein paar tiefen Atemzügen schloss ich auf und trat aus dem Bad heraus. Heaven blickte mir entgegen. Die Stirn gerunzelt, ließ sie die Hand mit ihrem Telefon sinken.

Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, doch ich kam ihr zuvor.

„Ich geh jetzt. Ich glaub es ist besser, wenn ich nicht hier schlafe."

Ich schaute mich im Zimmer um, auf der Suche nach meiner Kleidung. Ein guter Grund, um Heaven nicht weiter anzusehen. Mein Shirt lag in einem Knäuel am Boden direkt vor mir. Immerhin war das Schicksal nicht so grausam zu mir, dass es mich splitternackt auf Odyssee durch den Raum schickte.

Heaven seufzte laut. Ich warf mir mein Oberteil über.

„Ok. Wenn du meinst. Aber wir treffen uns morgen?"

Über ein nächstes Treffen hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Ich wollte erstmal nur weg hier.

Ich blickte sie an. Zu schuldbewusst. Zu Ertappt. Heaven presste die Lippen zusammen.

In ihren Augen blitzte Ärger. Problematisch.

„Poppy. Wir treffen uns morgen."

Das klang nicht mehr nach einer Frage. Eher nach einem Befehl.

„Also...nun ja..."

Ich druckste schmerzlich eindeutig um meine Antwort herum. Ein Ruck ging durch Heavens Körper, als wollte sie aufspringen. Ihr Fuß baumelte bereits über dem Matratzenrand.

„Ähm...wenn das bei dir so klappt. Ich weiß noch nicht genau, wies bei mir so ausschaut."

Ich hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt. Meine Gestammel musste sie doch wütend machen. Verflucht. Es machte mich selbst wütend. Denn eigentlich mochte ich Heaven so gern und wollte sie nicht verletzen. Aber ich musste meine Gedanken sortieren. Ich brauchte Zeit für mich allein.

Wieder ein Seufzen. Heaven sprang vom Bett auf. Sie schleuderte die Bettdecke zur Seite. Ihr Ärger schwappte zu mir wie eine Flutwelle.

„Wir könnten uns übermorgen sehen. Übermorgen?", rief ich ihr zu. Meine Stimme überschlug sich fast vor Eile.

Sie kam trotzdem zu mir. Zum Glück trug sie einen langes, schwarzes Shirt. Den Anblick ihres verführerischen, nackten Körpers hätte ich jetzt nicht ausgehalten. Schlimm genug, dass die sanfte Rundung ihrer Schulter aus dem breiten Ausschnitt des Shirts herausragte.

Mit ihren sanften Händen strich sie über meine Wangen. Die Berührung kochte alles in mir weich. Beinah vergaß ich meinen Vorsatz zu gehen. Ich zog ihre Hände von mir, um wieder hart und stark zu sein. Meine Finger zitterten dabei.

„Übermorgen. Sicher?"

Sie fing meinen Blick und ich hielt ihn nur für eine Sekunde, bevor ich wegschaute.

„Ja. Ich glaub da kann ich sicher."

Diesmal nahm sie meine Hand und ich entzog sie ihr und versteckte sie hinter meinem Rücken. Wie gern ich von ihr fortrennen wollte. Mir stockte der Atem in meiner Brust von ihrer Nähe.

„Ok. Um wie viel Uhr?"

Warum mussten wir das alles jetzt ausmachen?

„Heaven. Ich weiß jetzt echt nicht..."

„Dann versuch dich festzulegen!"

Ihre Stimme donnerte so streng und zornig. Wie ein General, der seinen Soldaten Befehle entgegen schrie, während diese sich hilflos durch den Dreck wühlten. In unserem Fall versuchte ich Heaven im Dreck zurückzulassen. Aber sie ließ es nicht zu.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und senkte den Kopf. Ihr Blick brannte durch mich hindurch.

„Ok. Dann um 14 Uhr?"

„Wunderbar. 14 Uhr. Ich hol dich ab."

Heaven schob mein Gesicht nach oben und küsste mich. Der Kuss kam so überraschend, doch schmolz jeden Widerstand in mir dahin. Eine Sekunde länger und ich wäre mit ihr auf den Boden gesunken. Bereit dazu, die Schreie meines schlechten Gewissens auch den Rest der Nacht zu ignorieren.

Sie verpasste den Moment und löste sich zu früh. Vielleicht wollte sie mich auch gar nicht hierbehalten.

„Also sehen wir uns Sonntag. Poppy. Bis dann.", murmelte Heaven.

Dann ließ sie mich stehen und verschwand selbst im Bad.

Unser Abschied ließ einen schlechten Beigeschmack in mir zurück. Denn er machte mir so deutlich, dass ich Grenzen überschritten hatte, die niemals hätten fallen sollen. Und niemand würde ohne Verletzungen aus diesem Krieg hervorgehen.

Für den Moment hatte Heaven mir einen leichten Abgang geschenkt. Während sie im Bad blieb, sammelte ich meine Sachen zusammen. Sie lagen überall verteilt und wie beim letzten Mal, hing ein Kleidungsstück am Lampenschirm. Déjà-vus spukten durch meinen Kopf, als ich es davon herunterfischte.

Die hastige Suchaktion nach meiner Kleidung, förderte meinen BH nicht zu tage. Das hübsche, schwarze Set war ohnehin für den Müll bestimmt. Ich konnte es nie wieder mit reinem Gewissen tragen. Obwohl meine Moral sich als sehr fragwürdig erwiesen hatte, würde ich nicht so weit sinken, Ashley mit derselben Unterwäsche zu verführen, die ich beim Sex mit Heaven getragen hatte.

Die Tür des Hotelzimmers fiel hinter mir zu und ich huschte den Gang entlang zum Aufzug. Wie eine Verbrecherin, die sich im Dunkeln der Nacht davonstahl. Eher eine Ehebrecherin.

Schon bald sog ich die frische Luft einer Sommernacht in meine Lungen. Zahlreiche Menschen strömten immer noch durch die Hauptstraße.

Pärchen, Freundesgruppen, ich glaubte die Teenager zu entdecken, die Heaven den Milchshake beschert hatten. Sie hielten schon wieder Getränkebecher in der Hand und ich wechselte auf die andere Straßenseite.

Reklameschilder blinkten. In den Baumkronen, zu beiden Seiten der Straße, raschelte der Wind. Wie getrieben strebte ich durch die spärlich beleuchteten Straßen.

Meine Brust schmerzte. Ich spürte eine alte Wunde in meinem Herz. Sie klaffte weiter offen den je und ich hatte keine Ahnung, ob der Spalt noch weiter aufreißen würde, bevor ich damit beginnen konnte ihn zu flicken.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt