Epilog 1

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„Hey. Dani. Was ist. Ich hab leider nur ein paar Minuten."

Mein Uber bremste ruckartig. Ich drückte das Handy fester an mein Ohr. Ein kleines Mädchen flitzte mit ihrem Roller von der Straße auf den Gehweg.

„Verfluchtes Gör. Soll ich dich plattfahren, oder was?", brüllte die Fahrerin und schlug ihre Faust gegen das Lenkrad.

„Na, bei dir ist ja was los. Ich wollte nur fragen, ob du jetzt sicher Samstag heimkommst.", sagte Dani.

Das Auto fuhr wieder an und trödelte die Straßen der hübschen Wohngegend entlang. Gut gepflegte Häuser, mit hübschen Vorgärten, in denen Kinder spielten. Auf dem Grünstreifen zwischen Gehweg und Fahrbahn wuchsen mächtige Laubbäume.

„Ja klar komm ich. Hab ich doch geschrieben."

„Gar nichts ist klar. Letztens hast du auch ein paar Tage vorher abgesagt.", beschwerte sich meine beste Freundin.

„Ja nur weil ein Termin in Heavens übervollen Plan ausgefallen ist. Und wir deshalb spontan das Wochenende wegfahren konnte. Wir waren vorher noch nie zusammen irgendwo."

Dani seufzte.

„Irgendwie find ich die Idee, dass du nach New York ziehst, nicht so super. Du Weltenbummler. Wenn es jetzt schon anfängt, schwierig zu werden."

Ich lachte. Wir führten dasselbe Gespräch alle zwei Wochen und inzwischen nahm ich Dani nicht mehr ernst.

„Also soll ich in Seattle wohnen bleiben und Heaven nur ab und zu sehen, obwohl es dafür überhaupt keinen Grund gibt?"

Meine beste Freundin schnaubte.

„Bin ich dir nicht Grund genug?"

Dann kicherte sie.

„Natürlich musst du zu Heaven ziehen. Außerdem bist du eh schon die ganze Zeit dort. Aber lass mich doch ein bisschen motzen. Als ob ich glücklich damit bin, dass meine beste Freundin ans andere Ende des Landes zieht."

Die Trennung hassten wir beide und ins geheim wünschte ich, Dani würde mit mir nach New York gehen. Ein vergebliches Hoffen, denn sie liebte ihren Job und ihre Wohnung. Sie hatte einen großen Freundeskreis in Seattle und eine Beziehung, die erstaunlich gut lief. Bisher war sie ihrem neuen Freund treu geblieben.

„Als ob ich glücklich damit bin, dass du einfach in Seattle bleibst."

Wir seufzten theatralisch.

„Ach. Mein Herzblatt."

„Ach. Meine Pralinenschachtel."

Die Uber Fahrerin warf mir durch den Rückspiegel einen irritierten Blick zu. Ich lächelte überschwänglich, damit sie mich nicht vor Ende der Fahrt rauswarf.

„Also ich komm sicher. Ich hab auch das Flugticket schon und die genaue Uhrzeit, wann ich ankomme, schreib ich dir noch."

Das Fahrzeug bog um die Ecke. Am Ende einer Straße, mit ein paar kleinen Geschäften, lag mein Ziel. Ein zweistöckiges Gebäude aus roten Backsteinen, mit großen, weißgerahmten Fenstern.

„Also dann. Ich muss leider Schluss machen. Wir sehen uns Samstag. Ich freu mich."

Mit dem Abschiedsgruß wollte ich auflegen, aber ich hörte Danis Einwand noch rechtzeitig.

„Hey. Wimmle mich nicht so ab. Was hast du denn vor?"

Ich hielt das Telefon wieder ans Ohr. Natürlich wollte Dani mehr wissen. Mein Vorhaben verriet ich ihr gerne. Es war das, was ich immer tat.

„Ich treff Heaven."

„Natürlich. Kein Wunder, dass du mich so schnell abwiegeln willst. Dann bis Samstag. Und viel Spaß."

Es klickte in der Leitung und ich stopfe das Telefon zurück in die Tasche meiner dünnen Jacke. Der April hatte uns erstaunlich warmes Wetter beschert.

Der Wagen hielt. Ich riss die Tür auf und dankte der Fahrerin. Als ich zu dem roten Gebäude trat, öffnete Lena die Tür.

„Oh. Hey Poppy. Heaven ist oben.", begrüßte mich die Tanzlehrerin mit den kurzen, schwarzen Haar.

„Ah. Hallo Danke."

Sie hielt mir die Tür auf und ich schlüpfte hindurch.

„Das Gebäude ist wirklich schön. Ich glaub, es wäre perfekt für die neue Tanzschule.", sagte Lena.

„Ah. So. Na dann bin ich ja gespannt."

Bisher hatte ich noch nicht viele Worte mit der Frau mittleren Alters gewechselt und reagierte dementsprechend befangen auf ihren Versuch des Small Talks. Um Heaven, die Königin, schwirrten zahlreiche, fleißige Bienchen herum. Es fiel mir schwer den Überblick zu behalten. Die Situation erinnerte mich unangenehm an unsere Schulzeit. Mit einem Unterschied: alle kannten mich als Heavens feste Freundin.

Lena verabschiedet sich mit einem freundlichen Lächeln. Die Tür klingelte wie in einem alten Laden, als sie zufiel. Im ersten Stock lag eine ehemalige Ballettschule, die wegen Umzug der Besitzerin geschlossen hatte. Das hatte mir Heaven erzählt. Gestern Abend, mit vor Aufregung geröteten Wangen, weil sie glaubte den perfekten Ort für ihre zweite Tanzschule gefunden zu haben. Heute war Besichtigungstermin.

Das untere Stockwerk wirkte Renovierungsbedürftig. Von den Wänden blätterte Farbe und der Boden bestand aus zerkratzen und teilweise zerbrochenen Fliesen. Ein paar alte Regale standen quer im Raum. Kartonagen lagen überall verstreut. Ein Dunst von Moder und staubigem Holz durchtränkte die Luft. Die riesigen Fenster versprachen eine Flut an Licht. Nach einer gründlichen Reinigung.

Die Treppe aus hellem Holz knarzte, als ich nach oben stieg. Dort kam ich in einem breiten Flur an. Ich entdeckte meine Freundin im zweiten von insgesamt drei Räumen des Obergeschoßes. Einem Tanzsaal, mit weißen Wänden, hellem Parkettboden und einer Fensterfront. Eine verspiegelte Wand warf ihre wundervolle Erscheinung im grauen Kostüm, mit streng hochgesteckten Haaren zurück. Ganz Geschäftsfrau. Der Anblick weckte alles andere als das Bedürfnis nach professionellen Gesprächen in mir.

„Oh. Poppy. Du bist schon da. Das ging aber schnell.", begrüßte mich Heaven, kaum dass ich den Saal betreten hatte. Wie immer klang sie besonders liebevoll, wenn sie mit mir sprach. Dieser Unterschied in ihrer Stimme war mir erst aufgefallen, als ich sie öfter mit anderen Leuten hatte reden hören. Sie hatte es bereits in unsere Jugend getan.

Ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Ich hatte mit großer Enttäuschung hinnehmen müssen, die Besichtigung zu verpassen. Ein dringendes Gespräch mit einem Auftraggeber hatte sich nicht verschieben lassen und Heaven war stattdessen mit ihren Tanzlehrerinnen losgezogen. Frieda und Miri standen noch neben meiner Freundin. Die zwei Mädchen, die ich unter eher merkwürdigen Umständen auf Caseys Halloweenfeier kennengelernt hatte.

Das zweite Treffen an dem Heaven mich als ihre Freundin vorgestellt hatte, stand dem ersten in Seltsamkeit in nichts nach. Meine zweitschlimmste Erfahrung seitdem ich mit Heaven zusammen war. Sie rangierte direkt hinter dem Abend, als ich die Bekanntschaft von Sisi hatte machen müssen. Seitdem hatte ich die Mädchen ein paar Mal gesehen, mich mit ihnen unterhalten und die peinliche Stimmung zwischen uns abgebaut. Obwohl mir Frieda skeptisch gegenüberstand und Miri sich über unsere Zusammentreffen zu sehr freute.

Auch jetzt hatte sich Frieda einen Platz direkt neben Heaven gesucht. Ich hätte mich gerne dazwischen gedrängelt, aber wollte vernünftig bleiben. Um diese Konkurrenz musste ich mir keine Sorgen machen, das hatte Heaven mir deutlich gezeigt.

Heaven kam auf mich zu und küsste mich.

„Hey Babe. Wie war dein Termin?"

Sie strich die Hände über meine Wangen.

Heaven bestand auf ihren Kuss zur Begrüßung und zum Abschied. Manchmal wünschte ich mir weniger und manchmal schwelgte ich in der besonderen Aufmerksamkeit. Mit Friedas Blick, der in meine Seite bohrte, gab sie mir genau das Richtige und ich lächelte meine Freundin zufrieden an.

„Lief gut. Das sieht alles sehr gut aus und sie schicken mir noch Unterlagen zu. Ich erzähl dir später mehr. Viel wichtiger. Wie schauts aus mit der Tanzschule?"

Meine Freundin schnaufte. Ein klitzekleiner Laut, den ich inzwischen zu gut kannte. Er sprach für gute Neuigkeiten. Das Leuchten in ihren Augen hatte mir ohnehin schon alles verraten. Wir standen in ihrer neuen Tanzschule.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt