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In der Tiefgarage zog Heaven ihre Sonnenbrille ab und hing sie mit dem Bügel in den Ausschnitt ihrer Bluse. Es tat gut ihre Augen zu sehen, selbst wenn deren wundervolle Farbe im schummrigen Halbdunkel verschwand.

Sie grinste und zwinkerte mir zu.

Wie schon in den letzten Tagen, ließ sie sich das Flirten nicht nehmen. Obwohl ich durchgehend versuchte sie aufs Abstellgleis der Freundschaft zu schieben. Erfolglos, denn sie hüpfte gleich wieder davon herunter. Vermutlich war es ihr dort zu langweilig.

Heute versuchte ich gar nicht erst, irgendetwas zu verhindern. Ich hatte meine Grenze gezogen. Keine zu intimen Berührungen, keine Küsse und natürlich kein Sex. Alles andere verschlimmerte die Situation ohnehin nicht mehr.

Deshalb zwinkerte ich frech zurück. Heaven brach in Lachen aus. Die hellen Töne, ihre eigene ganz spezielle Musik, schnürten mir die Brust zusammen. Ich liebte ihr Lachen. Ich hatte es immer geliebt und würde es heute zum letzten Mal hören. Eine grausame Vorstellung

Heaven schwang die Hintertür ihres Autos auf und offenbarte mir ein wildes Chaos auf kleinstem Raum. Scheinbar landete alles was im Innerraum herumlag, irgendwann im Kofferraum.

„Guck nicht zu genau hin.", ermahnte sie mich, während sie begann in den Sachen herumzuwühlen.

Ob sie das Chaos meinte? Oder die hübsche Rundung ihres Pos, die sie mir gerade verführerisch entgegenstreckte.

„Käm ich im Traum nicht drauf.", brummte ich.

Mein Blick strich ein bisschen zu lang über ihren Körper. Lang genug, um nicht zufällig zu sein. Ich räusperte mich und wandte mich ab. Mir gegenüber, an einer Säule, hing ein Blechschild mit schwarzen Ziffern. Rost fraß an den Ecken und Splitter gelber Farbe bröckelten auf den Boden.

Dann stieß Heaven einen kleinen Triumphschrei aus.

„Ah. Da sind sie ja. Ich wusste doch, dass die noch im Auto liegen."

Sie hielt ein Paar einfacher, weißer Turnschuhe hoch.

„Magst du mir beim Anziehen helfen?"

Die Herrin des Chaos setzte sich in den Kofferraum und streckte mir die Füße entgegen.

Kaum hatte sie ausgesprochen, sah ich die junge Poppy vor mir, die sich entzückt vor Heaven auf die Knie warf. Mit zarten Fingern strich das Mädchen über die schlanken Beine. Heaven berührte sie neckend mit den Zehen an der Schulter. So eine Szene hätte mich vor zehn Jahren in schiere Ekstase versetzt.

„Das kannst du schon allein. Du bist doch ein großes Mädchen."

Meine Stimme klang ein wenig zu rau. Ich ballte die Hände hinter meinem Rücken.

Heaven biss sich auf die Unterlippe. Ihre Augen funkelten und sie lehnte den Kopf zur Seite.

„Dieses große Mädchen hätte so gern deine Hilfe. Sonst mach ich mir noch die Füßchen schmutzig."

Sie hatte bereits eine ihrer Sandaletten ausgezogen und wedelte mit den nackten Zehen durch die Luft.

„Dann hast du heut wohl schmutzige Füße."

Ich kreuzte die Arme. Scheinbar ungerührt. Mein Herz pochte heftig in meiner Brust.

Heaven seufzte laut.

„Du Langweilerin."

Dann zog sie den Turnschuh über ihren Fuß und band eine Schleife.

Natürlich brauchte sie meine Hilfe nicht. Sie reizte mich nur zu gerne. Es störte mich nur noch ein klitzekleines bisschen. Weil mir das Ganze hin und her verflucht nochmal Spaß machte. Aber ich würden nicht jedem ihrer Wünsche nachgeben. Diesen Bonus hatte sie bereits vor zehn Jahren verspielt.

Das dachte ich, felsenfest und sicher, während sie zu mir kam, mir ihre Tasche in die Hand drückte und wisperte:

„Sei ein Engel und halt das kurz."

Ich umklammerte die Handtasche so fest, als wäre die Tiefgarage voller zwielichtiger Gestalten mit Hunger auf Heavens Besitztümer, und wartete angespannt, bis wir endlich bereit waren loszuziehen.



Der Festplatz lag etwas außerhalb von New Brighton. Ein kurzer Fußmarsch die Hauptstraße entlang und dann über grobe Wege, vorbei an Feldern. Die Stadt war mit den Jahren ein wenig näher an das Gelände herangekrochen, doch noch sah man die bunten Buden des Jahrmarktes von Weitem.

So oft war ich an der Hand meiner Eltern über den Kiesweg gehopst, den Blick fixiert auf die vielen Wunder, die jede neue Veranstaltung mit sich brachte. Und der Höhepunkt des Sommers kam mit dem Jahrmarkt nach New Brighton

Heute hüpfte ich nicht vor Aufregung, obwohl ich es am liebsten getan hätte. Ich hielt eine zarte Hand in meiner. Das genaue Gegenteil der festen Pranke meines Papas. Heaven und ich, waren noch nie zusammen hier gewesen. Nur zufällig zur gleichen Zeit.

Unterschiedliche Musik dudelte aus allen Richtungen. Lichter blinkten, wirbelten, tauschten Farben. Alles buhlte um unsere Aufmerksamkeit und versprach Spaß und leere Brieftaschen. Kinder schrien, quietschten und kicherten aufgeregt, und zerrten ihre nachsichtigen Eltern hin und her.

Auf einem Grill zischten Bratwürste und verteilten ihr würziges Aroma in der Luft. Dazwischen waberte Karamell und Zucker und Zimt, die Gerüche der süßen Verführer. Der Jahrmarkt änderte sie nie, egal wie die Jahre dahin rasten. Vermutlich würde ich auch noch als alte Frau diese kindliche Erregung spüren, sobald mir der altbekannte Duft in die Nase stieg.

„Oh. Ich war schon so lange nicht mehr hier.", seufzte Heaven.

Auch auf ihrem Gesicht stand kindliche Begeisterung. Ihre Augen spiegelten die weißen und pinken Lichter der Süßwarenbude, vor der wir stehen geblieben waren.

„Ja. Geht mir auch so. Eine halbe Ewigkeit ist das her."

Das letzte Mal vor ein paar Jahren, als fünftes Rad am Wagen mit Ronald und Aydin. Ein zweifelhaftes Erlebnis.

„Das war eine wundervolle Idee. Poppy."

Heaven drückte mir einen Kuss auf die Wange. Sie war zu schnell, zu geschickt und ich vergaß zurückzuweichen. Und sie tat so als wäre nichts passiert. Mit einem Lächeln deutete sie auf einen Mann, der einem glücklichem, kleinen Mädchen eine pinke Zuckerwolke reichte.

„Magst du Zuckerwatte, von der ich dir die Hälfte wegesse?"

„Äh... Ja gern."

Sie hätte mich jetzt alles Fragen können und ich hätte hirnlos zugestimmt. Meine Gedanken hingen noch an dem plötzlichen Kuss fest.

Ich schob mich neben sie in die Schlange vor der Zuckerwattemaschine und stieß meine Schulter leicht gegen ihre.

„Mach sowas nicht.", wisperte ich.

„Hmm. Was?"

Sie blinzelte mich unschuldig an. Eine Geste, die sie perfekt beherrschte.

„Das weißt du doch."

Ich nahm wieder ihre Hand und wir verschränkte die Finger ineinander.

„Poppy. Überleg dir mal, welche Signale du mir senden willst.", flüsterte Heaven.

Genau damit tat ich mir schwer. Meine Signale waren nicht ganz richtig eingestellt. Aber Heaven nutzte sie auch aus, und drängte sich genau in die Grauzonen hinein, die ich nicht richtig beurteilen konnte. Als ob sie alle meine Unsicherheiten direkt von meinem Gesicht herunterlesen konnte. Fast hätte ich sie für dieses Talent bewundert, wenn sie mir damit nicht solche Schwierigkeiten bereitetet hätte.

„Ja. Da hast du schon recht. Ich...ich denk noch drüber nach."

Heaven tippte ihren Finger auf meine Nase.

„Du bist so niedlich. Poppy. Ich versuch dich doch nur zu ärgern."

Sie grinste und wandte sich dann von mir ab, um eine große Zuckerwatte zu bestellen. In quietschpink.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt