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Heaven lächelte und legte den Kopf schief.

Sie strich die Hände über meinen Nacken, die Berührung kitzelte meinen Rücken hinab.

„Ich bin nur ganz in Ordnung?", wisperte sie. „Deine Blicke sagen mir was anderes."

Natürlich wusste sie, dass ich sie gern mit Haut und Haaren verschlingen wollten. Ausgehungert, wie ein Zyklop, auf seiner einsamen Insel. Doch ich hasste es über meine Gier zu reden.

„Weißt du, dass Sophie auf Frauen steht?"

Ich lieferte die erstbeste Fremde ans Messer, um mich selbst zu retten. Wahrlich nicht meine ehrenhafteste Aktion. Aber wann benahm ich mich in letzter Zeit schon ehrenhaft?

Heaven nahm die Hände von mir und runzelte die Stirn.

„Ich hatte so eine Ahnung. Und wenn du es auch siehst...aber sie hat bisher keinen Ton gesagt."

„Ich weiß nicht. Mich hat da was lesbisches angeweht."

Mit einem Schulterzucken löste ich mich von der Wand und schlüpfte an Heaven vorbei aus unserem Versteck. Eine freche Hand fing die meine. Ich verschränkte die Finger mit ihr. Wie aus Gewohnheit.

„Ich glaub nicht, dass ich sie danach fragen will.", murmelte Heaven. Sie drängelte mich vor den Schießstand und musterte die Preise.

„Warum nicht?"

Heaven verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

„Im Gegensatz zu mir, hat sie sich von ihrer Familie genug beschwatzen lassen und ihre Jugendliebe geheiratet. Liam. Ich weiß nicht, ob du dich an ihn erinnern kannst. Er war damals Jamies bester Freund. So ein großer Blonder."

Tatsächlich interessierten mich Sophie und ihre schlechten Entscheidungen doch nicht so brennend. Eine Information in Heavens Worten erregte allerdings meine Aufmerksamkeit.

„Deine Familie hat dich beschwatzt Jamie zu heiraten?"

„Meine Eltern und mein Priester hätten mich beschwatzt jeden dahergelaufen Typen zu heiraten. Hauptsache ihm baumelt was zwischen den Beinen."

Der nüchterne Ton in ihrer Stimme klang nicht überzeugend. Vor allem, weil sie nervös blinzelte und sich weigerte meinem Blick zu begegnen.

„Aber du triffst sie noch? Deine Eltern. Du hast gesagt, du hast sie zum Essen besucht. Triffst du den Priester auch noch?"

Ich schaffte es nicht meine Empörung zu verbergen. Ich wollte Heavens Eltern heimsuchen, sie anschreien, ihnen klar machen, dass sie eine wundervolle Tochter wie Heaven überhaupt nicht verdient hatte. Vielleicht könnte ich auch Aydin und vor allem Dani auf sie ansetzen. Dani besaß ein Talent für Standpauken.

Heaven strich mir über die Wange und beendete den Rachefeldzug in meinem Kopf. Ein ernster Ausdruck ruhte auf ihrem Gesicht.

„Tut mir leid. Poppy. Ich hät einfach nichts sagen sollen. Aber das geht dich nichts an. Ich geb dir Bescheid, falls du dich einmischen darfst. Bis dahin reden wir nicht über meine Eltern. Ok?"

Es widerstrebte mir, das Thema einfach totzuschweigen. Ich wollte Heaven helfen. Ganz egal, welche Beziehung wir miteinander führten. Während ich mit ihren Worten haderte, biss ich auf meinen Lippen herum. Irgendwann drückte mir Heaven den Finger auf den Mund.

„Mach das nicht.", rügte sie leise. „Es ist wirklich gut. Meine Eltern machen mir keine Schwierigkeiten. Wir haben ganz klare Regeln, an die sie sich halten."

Was für ein Irrsinn, dass sie mich tröstete. Obwohl ich die besten Eltern der Welt bekommen hatte und für sie nur Schrott übriggeblieben war.

„Ok."

Ich schob sie von mir, um ihren Blick zu fangen.

„Ok. Aber wenn du mal Hilfe brauchen solltest, dann kannst du dich bei mir melden. Egal, was ist...also egal was zwischen uns ist. Ja?"

Da war er, der Satz, den ich schon vor 10 Jahren hätte sagen sollen. Damals hatte ich Heaven aus meinem Leben gesperrt. Die Tür fiel ins Schloss und ich brachte mich dahinter in Sicherheit. Nicht einmal einen Spalt hatte ich offengelassen. Damals war es notwendig gewesen. Heute vielleicht auch. Aber diesmal spannte die Angst ihre eiserne Hand nicht ganz so kräftig um mein Herz. Sie quetschte den Drang zu helfen nicht ab, für jemanden der ein ähnliches Schicksal teilte.

Heaven starrte mich nur an. Stumm, als hätte ich ihr alle Worte gestohlen. Ihre Augen glänzten feucht. Sie ballte die Hände. Der Anblick schmerzte, also stellte ich eine Frage, um von ihr abzulenken.

„Ich hab noch eine letzte Frage. Dann bohr ich auch nicht mehr. Versprochen. Und du brauchst mir auch nicht zu antworten, falls es zu schwer ist. Deinem Bruder, Chris. Geht's ihm gut?"

Ich hatte viel zu oft an den Jungen gedacht, den seine Eltern verschwinden hatte lassen, nur weil er schwul war. Dem Jungen, mit dem ich im Leben keine zwei Worte gewechselt, aber dessen Schicksal mich erschüttert hatte.

Ein Lächeln erblühte auf Heavens Zügen und Erleichterung in meinem Herzen.

„Dem geht es viel zu gut. Ist fast nervig, wie glücklich der inzwischen ist. Aber es ist gut so. War ein schwieriger Weg dahin. So und jetzt suchen wir uns was am Schießstand aus."

Thema beendet. Eindeutig. Heaven verlieh ihren Worten Nachdruck, in dem sie sich von mir abwandte. Der Drang ihr über den Rücken zu streicheln, überwältigte mich. Bevor ich mich unter Kontrolle brachte, lag meine Hand zwischen ihren Schulterblättern. Der Stoff ihrer Bluse bauschte sich unter meinen Fingern. Eine weiche Grenze vor ihrer warmen Haut.

Zum Glück fiel mir mein Fehler rasch auf und ich schob sie nach vorne. Dann schnitt ich die Berührung sofort ab. Meine blasse Hand wirkte so unschuldig und doch führte das verfluchte Ding ein Eigenleben.

Heaven kicherte und hauchte: „Hey. Nicht schubsen. Sonst musst du mich auffangen."

Wieso durfte sie so entzückend sein? Ich verschränkte die frechen Hände unter meiner Brust, als steckte ich sie ins Gefängnis. Dann konzentrierte ich mich auf die Preise des Schießstandes.

Stofftiere, Gummimasken, billiges Plastikspielzeug und Stoffrosen. Nichts davon überzeugte mich. Jeder Gegenstand war am Ende nur ein Andenken an eine Frau, die ich vergessen wollte. Leider bot der Stand nichts Essbares an.

„Hol dir einfach was du magst. Du hast ohnehin dafür bezahlt. Ich geh solang Getränke für uns kaufen."

Eine erfolgreich abgewälzte Entscheidung. Heaven zog die Stirn in Falten.

„Ok. Wie du meinst. Beschwer dich nachher nicht. Bring mir ein Wasser mit. Bitte"

„Keine Cola, mit extra Zucker?"

Die Strafe folgte sofort. Sie zog an meinem Ohr. Es ziepte nicht einmal. Das konnte Dani deutlich brutaler.

„Du doofe Nuss. Du willst unbedingt die grässliche Monstermaske haben. Oder? Wenn du mir Cola mitbringst, verlang ich das du das Teil aufziehst."

Ich lachte. Ihre Augen funkelten mir wie ein Feuerwerk entgegen.

„Gefährlich. Dann tu ich besser was du sagst."

„Ja. Tu was ich sage."

Ihre Stimme klang plötzlich rau. Sie schluckte schwer und ich hörte es. Das ärgerte sie sicher. Heaven flüchtete zur Theke des Schießstandes und ich bemerkte wieder einmal zu spät, dass ich ihr selbst vergessend hinterherstarrte.

Hey Poppy  (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt