„Hast du mich verraten, Songül?"

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Montag: 29. Juli 2019

„Das kann doch nicht sein, dass ich noch immer nicht mit meinem Ehemann sprechen konnte.", fauche ich den Anwalt meines Ehemanns an, der mich zwar emotionslos anschaut, aber ganz genau zurück zuckt. Das ist auch der Zweck der Sache gewesen. Mein Ehemann ist seit vier Tagen in Haft und ich durfte nicht einmal zu ihm gehen, um ihn zu sehen. Der Anwalt versucht alles, doch lassen sie nur ihn durch. Seit Freitag laufe ich nur angespannt durch die Gegend und bin jedes Mal wutgeladen, wenn mich jemand auch nur anspricht. Ich brauche einfach die Ruhe meines Ehemanns, sonst bin ich verloren.

„Ich versuche alles zu tun und werde ihnen Bescheid geben. Bleiben sie bis dahin bitte ruhig."

Unruhig setze ich mich wieder hin und nicke widerwillig. Eymen, Osman abi und Sefa abi atmen erleichtert aus und setzen sich ebenfalls wieder auf die Sofa. Die drei bekommen wahrscheinlich am meisten meine Wut ab, was mir im Nachhinein leid tut, aber ich weiß sonst nicht weiter. Ich bin wie eine tickende Zeitbombe.

„Ich gehe jetzt wieder in mein Büro, Frau Zaferoglu. Wenn etwas ist, melden sie sich bitte."

Eymen begleitet den Anwalt nach draußen und kommt dann wieder zurück zu uns, Seufzend schaue ich das Hochzeitsfoto von uns an, welches auf Samets Schreibtisch steht. Wir Beide sind in ein paar Tagen ganze acht Monate verheiratet. Diese Monate waren die schönsten, aber auch gleichzeitig die anstrengendsten Monate meines Lebens. Samet und ich kannten uns vorher nicht, aber ab dem ersten Tag auf Silas Hochzeit bis heute ist schon viel passiert. Wir haben uns kennengelernt, uns gestritten und wieder vertragen, haben uns unterstützt und gelernt, uns gegenseitig zu vertrauen. Ich liebe Samet so sehr, das kann ich einfach nicht beschreiben. Es macht mich fertig, dass er nicht neben mir ist. Abends schlafe ich schlecht, weil er nicht neben mir ist und ich ganz alleine in dieser großen Etage bin. Ich weiß nicht einmal, wie es ihm geht oder was er gerade tut. Der Anwalt versichert mir zwar immer, dass es ihm gut geht, aber wem würde es in einem Gefängnis gut gehen?

„Yenge, was wirst du jetzt machen?", fragt mich mein Schwager und schaut mich fragend und hoffnungsvoll zugleich an, als könnte nur ich alleine etwas dagegen machen. Sonst habe ich immer eine Lösung, aber diesmal habe ich keine Ahnung, was ich tun soll. Mein Ehemann gibt mir sonst immer die Kraft oder bringt mich auf die Lösung, aber jetzt bin ich auf mich alleine gestellt.

„Wie sieht unser Konto gerade aus? Können wir die Arbeiter damit bezahlen?"

„Es sieht gerade sehr schlecht aus, Yenge. Samet abi und Efdal abi haben all unser Geld in das Projekt der neuen Autos gesteckt."

Seufzend nicke ich. Das heißt, wir brauchen gerade eine Menge Geld, damit diese Firma weiterlaufen kann. Dabei hat Samet doch gerade erst den Sportclub eröffnet, wir haben dem Waisenhaus Geld gespendet und wir haben zusammen Urlaub gemacht. Und Samet hat wirklich nicht mit dem Geld gespart, als wir in Dubai und Santorini waren.

„Wir müssen bis zu zwei Monate warten, bis das Geld für die neuen Autos reinkommt. Erst da könnten wir sie bezahlen."

Verzweifelt haue ich meinen Kopf auf den Tisch. Ich habe keine Ahnung, was ich als nächstes machen soll, um meinen Ehemann irgendwie da raus zu bekommen.

„Was willst du jetzt machen?"

Mein Blick bleibt an meiner Handtasche hängen. Heute morgen habe ich mein ganzes gesammeltes Gold eingepackt, um gleich alles gegen Geld einzutauschen. Das sollte wohl klappen. Sonst könnte ich niemals alles bezahlen, und das Gold ist sowieso nutzlos in meinem Kleiderschrank. Seufzend stehe ich vom Stuhl auf und nehme meine volle Tasche.

„Ich gehe in die Stadt, etwas erledigen. Osman abi, kannst du mir bitte die Papiere geben?"

Er nickt und reicht sie mir, die ich in meine Handtasche lege. Dann verabschiede ich mich von den Jungs und verlasse das Büro. Auf dem Weg zu Aufzug hole ich mein Handy heraus und wähle die Nummer von Yusuf abi, der einzige, der mir jetzt helfen kann. Nachdem Samet am Freitag verhaftet wurde, habe ich ihn zuerst angerufen und her bestellt. Es wird Zeit, die Iniative zu ergreifen, sonst erreichen wir gar nichts und es passiert noch mehr Unglück.

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