„Du zeigst mir den Mittelfinger, Darling?"

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Donnerstag: 09.Mai 2019

Der Unfall war jetzt ein paar Tage her. Seit ich wieder zu Hause bin, lässt mich Samet nicht eine Minute aus den Augen und das meine ich wortwörtlich. Seine Arbeit erledigt er von unserem Schlafzimmer aus, während ich im Bett liege und und mich ausruhe. Dabei schaue ich entweder Filme oder schlafe, da ich doch noch etwas kaputt bin. Heute habe ich meinen ersten Termin beim Therapeuten für meine Stimmbänder. Samet wird mich höchstpersönlich dort hinfahren. Fertig angezogen stehe ich von meinem Bett auf und verlasse humpelnd das Schlafzimmer. Samet ist nach unten gegangen, wollte mich eigentlich abholen, aber ich habe mich extra schnell angezogen, damit ich auch endlich mit meinen Krücken rumlaufen kann. Sonst steht Samet immer sofort neben mir und trägt mich wortlos ins Bad oder die Treppen herunter. Da ich noch nicht sprechen kann, kann ich auch keinen wirklichen Widerstand leisten, außer etwas mit den Füßen zu strampeln. Mein Ehemann führte sich wie eine überfürsorgliche Glucke auf. Deswegen möchte ich so schnell wie möglich alleine die Treppen herunter humpeln. Doch schon nach den ersten beiden Stufen kommt mir Samet entgegen, der mich aus seinen dunkeln Auen anschaut. Mit einer schnellen Bewegung hebt er mich wieder auf seine Arme. Schmollend schlinge ich meine Arme um seinen Hals und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Widerstand ist zwecklos. Ich kann sowieso nichts sagen. Mein Ehemann ist viel zu stur, auch wenn ich es ein wenig genieße.  Er ist wirklich anhänglich geworden.

Samet trägt mich die Treppen herunter und verlässt das Haus. Vorsichtig setzt er mich auf die Beifahrerseite und schnallt mich an, ehe er selber einsteigt. Die Fahrt verläuft ruhig, da sonst ich immer plappere und Samet zwinge zu antworten, aber freiwillig würde mein Ehemann nicht sprechen. 

Vor einem Gebäude parkt er den Wagen und hebt mich aus dem Wagen. In dem Gebäude setzt mich Samet auf einen Stuhl und geht zu Anmeldung. Meine Therapeutin ist eine Frau. Warum Samet sie ausgesucht hat, weiß ich nicht, aber vorher kannte er sie nicht. Neugierig hole ich ein Blatt und einen Stift aus meiner Tasche, die Beiden sind meine ständigen Begleiter, und schreibe schnell etwas drauf. Als Samet wieder kommt und sich neben mich setzt, reiche ich ihm das Blatt, den Satz ließt er sich durch und hebt dann eine Augenbrauen, als er mich wieder anschaut.

„Sie ist die einzige weibliche Therapeutin in der Umgebung."

Nach dieser Aussage wendet er sich an die Zeitung, die er sich in die Hand genommen hat, doch meine Augen sind noch immer auf ihn gerichtet und blicken ihn erstaunt an. Hat er gerade zugegeben, eifersüchtig zu sein? Sonst würde er mich doch nicht zu einer weibliche Therapeutin bringen? 

Glücklich strahle ich ihn an und lege meinen Kopf auf seine Schulter, als auch schon mein Name aufgerufen wird. Sofort verschwindet mein Lächeln. Ich mag keine Therapeuten. Nicht, nachdem ich damals zu oft zu einem gehen musste.

Samet legt die Zeitung weg, hebt mich aus meinem Stuhl und folgt dem Mädchen. Fest drücke ich mich an meinen Ehemann und stütze mein Kinn an seiner Schulter ab. Als hätte er meine Innere Anspannung bemerkt, drückt er mich enger an sich.

„Keine Sorge, ich bin bei dir.", wispert er an mein Ohr und betritt dann das Zimmer. Mich setzt er auf die Liege und setzt sich dann selber auf einen Stuhl. Nach ein paar Minuten betritt eine ältere Frau den Raum und gibt mir lächelnd die Hand.

„Hallo, Alma Ramirez mein Name. Du musst Songül sein."

Ich nicke und lächele sie leicht an, während sie sich an Samet wendet und ihm ebenfalls die Hand gibt.

„Samet Zaferoglu, ihr Ehemann."

Freundlich nickt sie auch ihm zu und setzt sich auf einen kleinen Hocker. Von dem kleinen Schreibtisch nimmt sie ein paar Unterlagen heraus und liest sie sich kurz durch. Dann wendet sie sich wieder an uns.

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