„Ich vermisse dich auch, Liebling."

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Freitag: 24.Mai 2019

Seit fünf Tagen nehme ich die Pille jetzt nicht mehr, aber ich spüre keine Veränderung. Wahrscheinlich gibt es auch keine, ehe ich nicht schwanger werde. Auch habe ich Samet noch nichts gesagt, weil wir nicht noch einmal über das Thema ‚Kinder' gesprochen haben.

Heute hatte ich wieder einen Termin beim Arzt, der sich meinen Fuß angeschaut hat. Er sagte, dass ich nächste Woche schon ganz auf die Krücken verzichten kann, aber zum Schutz noch mit ihnen gehen soll. Danach war ich bei meiner Therapeutin für meine Stimmbänder. Mittlerweile bekomme ich schon ein Krächzen heraus. Diesmal hat mich Eymen gefahren, weil mein Ehemann wohl etwas in der Firma zu erledigen hat, was er nicht aufschieben konnte. Deswegen spielt mein lieber Schwager heute meinen Kutscher.

„Wollen wir noch irgendwohin gehen, bevor wir uns zu Hause langweilen?"

Begeistert nicke ich auf seine Frage hin, die mich aus meinen Gedanken geholt hat. Wenigstens einer, der etwas mit mir machen möchte. Samet bringt mich immer direkt nach Hause, damit ich mich ausruhen kann, aber das mache ich schon fast seit drei Wochen.

„Dann gehen wir jetzt Eis essen!", ruft Eymen begeistert und lenkt den Wagen in die Stadt. Dort parkt er und hilft mir dann beim aussteigen. Da das Wetter endlich wieder gut ist, beschließen wir draußen im Park zu sitzen. Ich setze mich schon einmal auf eine Bank, während Eymen uns beiden Eis kaufen geht. Das letzte Mal, als ich Eis essen wollte, hatte ich einen Unfall. Innerlich kichernd schüttele ich meinen Kopf und schaue Eymen entgegen, der lächelnd auf mich zu kommt. Er reicht mir eine Eistüte und setzt sich neben mich. Still genießen wir unser Eis und die Sonne, die auf uns herab strahlt.

„Ist doch schön, oder? Nicht immer zu Hause zu sitzen und Mal die Sonne auf dem Körper genießen."

Zustimmend nicke ich. Da hat er wirklich Recht. Diese Zeit ist schlimmer, als damals, wo Samet mich von meiner Arbeit gekündigt hat. Da war ich zwar auch zu Hause, aber ich konnte raus gehen oder wenigstens in die Firma fahren.

Ich esse mein Eis auf und lehne mich dann an Eymens Schulter. Die Termine bei Therapeutin machen mich manchmal echt fertig.

„Geht es dir sonst gut, Yenge? Es sind ja jetzt fast schon sechs Monate her, dass du meinen Bruder geheiratet hast und keiner von euch beiden hat den anderen umgebracht."

Lautlos fange ich an zu lachen, was er mir laut nachmacht. Das stimmt echt. Am Anfang sah es so aus, als würden wir uns gegenseitig zerfetzen. Also von meiner Seite aus. Er blieb ja sonst immer ruhig. Zu ruhig nach meinem Geschmack. Schnell hole ich den kleinen Block aus meiner Tasche und schreibe meine Sätze drauf, die ich ihm dann überreiche. „Mir geht es gut. Ich bin glücklich."

„Das freut mich wirklich. Es scheint, als hättest du meinen Bruder etwas unter Kontrolle.", lächelt er mich leicht an und zwinkert mir zu. Na ja, es geht. Manchmal habe ich ihn unter Kontrolle und manchmal nicht. Da hat er mich eher unter Kontrolle.

„Wenn dein Bruder nicht so stur wäre, hätte ich ihn locker um meinen Finger gewickelt.", liest er meinen nächsten Zettel vor und lacht laut los.

„Ach Yenge, du weißt nicht, wie sehr du meinen Bruder schon um den Finger gewickelt hast. Er zeigt es nur nicht, damit du ihm nicht auf der Nase herumtanzt.", lacht er, auch ich lächele verträumt, weil mir der Gedanke gefällt, dass mein Ehemann mir verfallen ist.

„Du musst wissen, Yenge, nachdem unser Vater vor 10 Jahren gestorben ist, hat mein Bruder keinen an sich gelassen, nicht an seine Gefühle und auch nicht, wenn es um die Firma ging. Er selber hat so viel gearbeitet mit seinen 15 Jahren, damit niemand anderes das Heiligtum unseres Vaters übernimmt. Seitdem ist er verschlossen und ein Workaholic, wie du ja selber bemerkt hast.", erzählt Eymen auf einmal und schaut stur geradeaus, während ich wie gebannt an seinen Lippen hänge. Ich liebe es, etwas aus Samets Vergangenheit zu hören. Mein Schwager klingt ernst und auch etwas traurig. Natürlich klingt er so, weil er damals erst 12 Jahre alt war.

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