„Bei einem Jungen hätte ich ihm den Namen Junior gegeben."

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Freitag: 25.Januar 2019

Ich bin gestern nicht noch einmal runter gegangen, obwohl ich mich beruhigt habe, aber ich konnte es nicht ertragen, die unschuldige Ada vor mir zu sehen, die liebevoll über ihren Bauch streicht oder Samet, der sich vor mir distanziert hat und kein Wort mit mir spricht. Es tut mir weh und das ertrage ich einfach nicht. 

Mit geöffneten Augen liege ich auf dem Bett – von Samet wieder keine Spur zu sehen, schläft er überhaupt hier? - und träume vor mich hin, bis ich mich dazu entschließe aufzustehen. Meine Narbe schmerzt schon wieder, weshalb ich nur schwerfällig aufstehe. Ich ziehe mir eine Leggins und ein Oberteil an und gehe langsam die Treppen herunter. Da ich mich Scheiße fühle, möchte ich mich auch nicht aufbrezeln. 

Im Wohnzimmer ist niemand, weshalb ich ins Esszimmer gehe, wo schon angeregte Gespräche geführt werden. Nicht nur Ada und Tunc abi sitzen am Tisch, sondern auch Meltem teyze und Ipek abla, Adas Schwägerin. Die Gespräche enden abrupt, als ich den Raum betrete. „Guten Morgen.", gebe ich distanziert von mir. Ich mochte keine Lästereien. 

„Guten Morgen, Yenge.", Adas unschuldige Augen blicken mich freudig an, sodass ich meine Gesichtszüge lockere. „Setz dich bitte." 

Nickend setze ich mich neben Samet und schmiere mir ein Brot. Dabei höre ich den Gesprächen zu , die wieder angefangen wurden. Samet redet dabei mit Tunc abi. „Yenge, wir sind heute auf eine Hochzeit eingeladen. Du kommst doch mit, oder?", fragt mich auf einmal Ada, weshalb ich in ihre Augen schaue. Am liebsten würde ich Nein sagen, aber Adas braune Augen schauen mich bittend an, weshalb ich zustimmend nicke. Samet würdige ich keinen Blick, der mich mit seinen blauen Augen anblickt. Eine Hochzeit würde mir jetzt gut tun. 

Nachdem Frühstück räumen wir den Tisch auf und setzen uns ins Wohnzimmer. Da ich noch türkischen Kaffee in der Küche gesehen habe, mache ich 5 Tassen davon und serviere es den anderen. Ada gebe ich eine Tasse Tee, da Kaffee nicht gut für ihr Baby ist. Größtenteils halte ich mich aus den Gesprächen heraus und höre lieber zu, auch wenn es wieder über die Schwangerschaft geht. 

Irgendwann stehen Meltem teyze und Ipek abla auf, um zu sich nach Hause zu fahren. 

„Seid pünktlich im Saal, sonst ziehe ich euch die Ohren lang.", droht uns noch Meltem teyze, ehe sie durch die Haustür verschwindet.
„Wir sollten uns langsam auch fertig machen, Yenge.", sagt Ada zu mir, weshalb ich nickend folge. Die Männer bleiben unten sitzen. Ada geht in ihr Schlafzimmer und ich in meins, wo ich erst einmal einen Anzug und eine Krawatte für Samet heraushole. Dann gehe ich ins Bad und dusche mich kurz ab. Zum Glück gibt es ein Bad im Zimmer. Nach der Dusche trockne ich mich ab und wickele mich in Handtücher, ehe ich wieder ins Zimmer zurück gehe. Als erstes ziehe ich mir rote Unterwäsche an, da ich noch meine Narbe eincremen muss. Gerade als ich das machen wollte, wurde meine Tür ruckartig aufgemacht. Erschrocken schaue ich hoch und sehe in Adas Gesicht, die etwas sagen wollte, jedoch verstummte, als ihre Blick auf meine Narbe fiel. „Yenge, was ist passiert?", fragt sie mich erschrocken und starrt wie gebannt auf meinen Bauch. „Ich...hatte einen Unfall in Deutschland." 

Natürlich erzähle ich ihr nicht die Wahrheit, denn anscheinend hat sie keine Ahnung. Sie soll jetzt auch keine Angst bekommen. Das ist das letzte, was ich möchte. Panik und Trauer würden dem Baby schaden. „Das wusste ich nicht. Gute Besserung. Kann ich etwas für dich tun?" 

Dankbar schüttele ich den Kopf und schmiere die Salbe auf meinen Bauch. Dann klebe ich wieder ein  Pflaster drauf. „Wolltest du mir etwas sagen, Ada?"

„Ich wollte nur fragen, ob du alles hast. Sonst kannst du dich an meinem Schrank bedienen.", sie nimmt ihren Blick von meinem Bauch und schaut mir unsicher in die Augen. Ich hoffe, sie glaubt meine Geschichte mit dem Unfall. 

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