Kapitel 4 ~Wincent~

212 12 0
                                    

Wir saßen schon wieder eine Weile im Auto, doch ich hing immer noch meinen Gedanken hinter her. Dieses Mädchen, nein diese Frau, ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Vor allem als sie meinen Hoodie nahm und sich ihn überzog, das war schon verdammt heiß. Ich seufzte.
„Was los?“, durchbrach Amelie die Stille.
„Ach nichts“, sagte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße.
„Wince, ich seh doch das dich was beschäftigt. Es ist die Frau von eben, hab ich recht?“, grinste sie.
„So offensichtlich?“, fragte ich und schmunzelte.
„Naja, du hast deinen Lieblingshoodie verschenkt, da liegt das schon nahe“.
„Fuck, ey…du hast recht. Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“.
„Tja, es war eine nette Bekanntschaft“, sagte Amelie gähnend und sah aus dem Fenster.
„In 10 Minuten sind wir im Hotel. Steht für heute irgendwas an?“, fragte ich sie und hoffte, dass sie nein sagte.
„Lass mich mal den Terminplaner checken“, sagte sie und meine Hoffnung schwand. Lachend sah Amelie mich an.
„Nein, für heute ist nichts mehr geplant, du kannst also heute tun und lassen was du willst. Aber unter einer Bedingung“, sagte sie.
„Und die wäre?“.
„Du bist morgen pünktlich um 7 beim Frühstück. Und glaub mir, wenn ich pünktlich sage, dann mein ich das auch so. Es sei denn du willst meinen ewigen Zorn auf dich ziehen“.
„Daran würde ich nicht mal im Traum denken“, lachte ich und fuhr in die Tiefgarage vom Hotel.
„Winnie, ich meine es ernst. Wenn du morgen früh nicht pünktlich bist, muss ich für die nächsten Termine den Zeitplan ändern. Das heißt im Umkehrschluss, weniger Freizeit für dich", sagte sie und sah mich dabei wieder an.
„Ja okay. Ich hab's verstanden“, grummelte ich. Darauf hatte ich nun wirklich kein Bock. Ich brauchte ab und zu mal zwei Stunden für mich, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich parkte das Auto und wie stiegen aus.
„Lass uns einchecken und dann erstmal was essen", schlug ich vor.
„War mir klar“, lachte Amelie und nahm ihre Tasche aus dem Kofferraum. Ich tat es ihr gleich, schoss das Auto zu und folgte ihr zum Fahrstuhl.
„Morgen steht ein Radio Interview an, richtig?“, fragte ich Amelie.
„Ähm, ja. Warum?“.
„Weil ich da nicht aufs Aussehen achten muss. Meinen Lieblingshoddie kann ich ja jetzt nicht mehr anziehen“, lachte ich. Amelie stieg in mein mit Lachen ein.
„Kannst ja noch shoppen gehen", schlug sie vor.
„Wenn es hier in der Nähe einen Adidas Laden gibt, sollte ich es vielleicht in Erwägung ziehen", scherzte ich.
„Du weißt schon das Hamburg eine Großstadt ist und es an jeder Ecke davon hagelt, oder?“.
Ich lachte und zog Amelie in eine Umarmung.
„Ist ja was ganz neues", lachte ich immer noch und verwuschelte ihr die Haare.
„Arsch“, lachte nun auch sie wieder.
Wir stiegen aus dem Fahrstuhl und gingen zur Rezeption um einzuchecken.  Die Dame die dort saß, sah mich erst ungläubig an dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie erklärte uns einiges und flirtete was das Zeug hält. Nur hatte es auf mich absolut keine Wirkung. Wie sie da saß mit ihren Augen klimperte war einfach nur billig. Vor allem glaubte ich nicht, dass ich der einzige war, bei dem sie diese Show schon abgezogen hat.
„Sind wir hier fertig?“, fragte ich genervt.
„Nimm schon mal die Taschen“, sagte Amelie, die es an meiner Stimme merkte, dass mir das hier grade ziemlich auf den Zeiger ging. Ich ging ein Stück zur Seite und nahm auch Amelies Tasche in die Hand.  Als diese endlich unsere Schlüsselkarten in der Hand hielt, atmete ich erleichtert aus.
„Endlich, ich dachte schon wir kommen hier nie weg".
„Ach komm schon. Sie hat sich doch richtig ins Zeug gelegt um dir zu gefallen“, lachte Amelie und machten den Augenaufschlag nach. Ich stieg in ihr Lachen ein und hielt mir den Bauch.
„Bitte mach das nie wieder. Das sieht einfach nur falsch aus".
„Och schade“, scherzte sie und klimperte wieder mit den Augen. Ich liebte solche unbeschwerten Unterhaltungen, auch wenn diese meistens auf meine Kosten gingen.
„Winnie? Bist du mir böse, wenn ich mich ne Runde aufs Ohr haue? Ich bin echt fix und fertig“, fragte sie mich schließlich.
„So ein Quatsch. Ruh dich aus und wie sehen uns sonst morgen“.
„Danke“, sagte sie und wir fuhren in den dritten Stock hoch.
„Okay, wenn ich dich vor irgendjemanden retten soll, lass es mich wissen, ich hab die 307“, sagte Amelie und schloss ihre Tür mit der Karte auf.
„Das sollte eigentlich mein Part sein“, sagte ich ein wenig niedergeschlagen.
„Tja, mein Lieber...vergiss es“, lachte sie, „Bis morgen und stell keine Dummheiten an“.
Wir lachten und schließlich ging ich auch in mein Zimmer.  Ich schloss die Tür hinter mir und sah mich erst einmal in Ruhe um.
„Nicht schlecht“, murmelte ich und nahm mein Handy aus der Hosentasche. Ich stöberte ein wenig auf Instagram rum und hätte mir am liebsten in den Hintern gebissen, weil ich mein Skateboard nicht mitgenommen hatte. Hier in Hamburg gab es bestimmt auch ein paar coole Spots zum Skaten.
„Naja, dann halt beim nächsten Mal“, dachte ich und beschloss erstmal etwas zu essen. Ich sah auf die Uhr. Es war erst kurz vor sechs, aber dank Amelie waren wir in so einem 24 Stunden Hotel, in dem man rund um die Uhr ein- und auschecken konnte. Nur was das essen anging musste ich noch bis um 7 warten.  Ich seufzte und zog schließlich meine Schuhe aus und legte mich aufs Bett. Meine Gedanken waren irgendwie immer noch bei der Blondine von heute Morgen. Irgendwas strahlte sie aus, was ich aber nicht beschreiben konnte. Wäre dieser blöde Pannenservice nicht gekommen, hätte ich mir den Wagen mal angesehen. Auch wenn ich jetzt kein Profi war, ein wenig hätte ich schon gewusst.
Irgendwann muss ich wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute war es schon 14 Uhr.

Irgendwie andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt