Kapitel 9 ~Wincent~

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Nachdem ich Amelie beim Flughafen abgesetzt hatte, fuhr ich weiter Richtung Heimat.  Ich freute mich darauf, dass ich ein paar Tage wieder zu Hause sein würde. Doch irgendwie stimmte es mich wehmütig. Nach dem Interview stellte ich mir die ganze Zeit die Frage, wo ich Zuhause sei. Im Moment war ich es nirgends so richtig. Auch wenn ich bei meiner Familie war, hatte ich nicht das Gefühl mich dort heimisch zu fühlen. Irgendwas fehlte. Dieses Gefühl hatte ich schon länger. Überall wo ich war, war es nur ein kurzes Gastspiel. Ich blieb nie länger als ein paar Wochen. Schlimmer noch. Ich blieb noch nicht einmal drei Tage, so wie Amelie es eigentlich geplant hatte.
Nachdem ich Shayenne von einer Freundin abends eingesammelt hatte, fuhr ich nun also nach Hause oder besser gesagt zu meiner Familie.
„Wie lange bleibst du?“, fragte mich Shayenne hoffnungsvoll und riss mich aus meinen Gedanken.
„Leider nur zwei Tage. Am Donnerstag geht morgens mein Flieger“, antwortete ich ihr.
„Hmm, okay“, sagte sie und blickte aus dem Fenster.
„Shay, ich weiß das ist kacke. Aber ich steck grade völlig in der Planung für die Tour“, verteidigte ich mich.
„Ja, kein Ding. Ich weiß ja, dass ich mitdarf sobald ich Ferien habe“.
So lief es immer, wenn ich über die Sommermonate auf Tour war. Mom bekam einfach nicht so viel frei und Shay würde sich nur langweilen. Deswegen hatten wir diese Vereinbarung getroffen, dass sie mitnehmen würde. Diesmal hatte ich sogar was Cooles für sie geplant.
„Hey, hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass du einen Ferienjob haben wirst?“, fragte ich sie aufgeregt.
„Ne, echt jetzt? Winnie ich arbeite ganz bestimmt nicht für dich“, maulte sie.
„Naja wenn man’s genau nimmt arbeitest du nicht für mich. Du hilfst nur einer Firma die ich engagiert habe“.
„Okay, nun rück schon raus mit der Sprache“.
„Du wirst Tom bei den Lichteffekten unterstützten. Natürlich nur wenn du willst“.
„Wow, wie cool“, sagte sie und sah mich freudestrahlend an. Das hätten wir also auch geklärt und meine Schwester wäre beschäftigt.
Es war Abend und meine Mom hatte meine Großeltern und Marco, meinen besten Kumpel zu essen eingeladen.  Nach einem kleinen Smalltalk ging ich mit einem Bier in der Hand zusammen mit Marco in den Garten.
„Alles gut bei dir?“, fragte er mich.
„Ja, alles bestens“.
„Das seh ich. Irgendwas beschäftigt dich. Los raus mit der Sprache“.
„Du kennst mich einfach zu gut“, lachte ich unsicher.
„Haben Freunde so an sich. Also hau raus. Was ist passiert?“.
Ich erzählte ihm die ganze Story von Liz. Dass sie eine Autopanne hatte und ich ihr meinen Hoodie gab, weil sie fror. Dass sie am nächsten Tag auf einmal beim Radiosender vor mir stand in meinem Hoodie und dass sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf ging.
„Es ist irgendwie anders bei ihr“, beendete ich die Story.
„Wow, das seh ich. Du bist ja völlig hin und weg von ihr“, stellte er fest.
„Kann schon sein“, gab ich zu. Vor Marco konnte ich es eh nicht verbergen.
„Und was hast du vor?“.
„Erstmal gar nichts“, sagte ich und trank mein Bier aus.
Am Dienstag passierte nicht viel. Ich pennte bis zwei Uhr mittags, ich ging laufen und abends war ich mit Marco verabredet.
Ich fuhr zu ihm und wir zocken ein paar Runden. Nachdem wir zum gefühlten 100ten Mal verloren hatten sah Marco mich grinsend an
„Das Mädchen hat dir ganz schön den Kopf verdreht, mhm“, fragte er mich.
Ich schwieg und starrte auf mein Handy. Mir war bewusst, dass er recht hatte, aber ich Volldepp hab‘s mal wieder vermasselt und die Chance verpasst, sie nach ihrer Nummer zu fragen. Geschweige denn fand ich sie auf Instagram.
„Ruf sie doch mal an“, schlug er vor
„Würde ich ja gern, wenn ich ihre Nummer hätte“, sagte ich genervt und warf mein iPhone auf die Couch.
„Wie, jetzt?! Du hast sie nicht nach der Nummer gefragt?“.
„Nein, ich Depp hab‘s vergessen“
„Wow“, lachte er mich aus.
„Ja doch. Ich weiß, dass ich der größte Vollidiot bin“, sagte ich etwas lauter als beabsichtigt und strich mir durch die Haare.
„Naja, sie arbeitet beim Radio, ruf da doch einfach mal in der Sendung bei ihr an“, schlug Marco vor.
„Ja genau…Am besten sage ich dann, Hallo hier ist Wincent Weiss, ich würde gern die Nummer von der netten Dame aus der Morning Show haben.  Merkst du selber oder? Das würde nur wieder beim Promiflash landen und ich würde mich zum Gespött der Nation machen. Wenn das alles so einfach wäre“, seufzte ich.
„Wenn du da nicht anrufen willst, mach ich es. Mich kennt kein Schwein“, versuchte mich mein bester Kumpel aufzumuntern.
„Ach, lass gut sein. Ich hab’s vermasselt“, sagte ich und stand auf, „Ich geh mal an die frische Luft“.
Genervt stand ich im Garten und starrte in den Himmel. Ich wusste, dass ich es vergeigt hatte. Ich hätte sie locker nach ihrer Nummer fragen können. Doch so locker und offen wie ich auf der Bühne war, war ich im Umgang mit Frauen nicht. Da war ich einfach nur der verlegene, schüchterne Dorftrottel, der jetzt hier dumm rumstand und sich über sich selbst ärgerte.

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