Kapitel 28 ~Liz~

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Wincent schien sich wirklich Gedanken gemacht zu haben um mich nicht zu überfordern. Es fühlte sich richtig toll an, dass er so rücksichtsvoll war. Aber wie sollte ich ihn zeigen, wie dankbar ich ihm war und wie wichtig er mir jetzt schon geworden ist? Außerdem wusste ich nicht, wie ich meine Gefühle zu ihm einordnen sollte. Es war einfach alles neu für mich.
Nachdem wir beide uns im Bad nacheinander kurz frisch gemacht hatten, gingen wir nach unten ins Restaurant. Wie Wincent hatte nun auch ich einen riesigen Hunger entwickelt. Ganz gentlemanlike rückte Wincent mir den Stuhl zurecht, was mich wieder erröten l.ieß. Ja, ich weiß, es waren nur Kleinigkeiten, aber diese Kleinigkeiten reichten mir vollkommen. Nie zuvor war jemand so aufmerksam mir gegenüber. Deshalb war es einfach nicht selbstverständlich für mich.
„Danke“, sagte ich, als Wincent sich mir gegenübersetzte.
„Gerne“, sagte er, sah mich aber ein wenig verwundert an. Ich wollte ihn grade fragen, warum er mich so ansah, als der Kellner zu uns kam und uns die Speisekarte brachte.
„Achte bitte nicht auf die Preise und bestell dir das, was du gerne essen möchtest“, sagte Wincent noch bevor ich die Karte überhaupt geöffnet hatte.
„Wince…“.
„Bitte Liz. Ich bin die nächsten Wochen total eingespannt, da wird es schwierig mir zwischen durch ein paar Tage frei zu schaufeln. Daher lass es mich so einfach ein wenig ausgleichen“, unterbrach er mich sofort.
„Wince, ich weiß, dass es dein Beruf mit sich bringt, dass du einfach längere Zeit unterwegs bist. Aber wozu gibt es Facetime? Du musst mir hier nichts beweisen oder irgendwas ausgleichen dafür, dass du deinem Job nachgehst“.
„Ich weiß, aber…“
„Kein aber, wie hast du eben zu mir gesagt? Hier wird kein Trübsal geblasen. Also lass uns einfach das hier und jetzt genießen“, sagte ich und lächelte ihn an.
„Da hat sie einfach meinen Spruch geklaut“, lachte er und auch ich stimmte nun mit ein.
Nachdem wir nun die Speisekarte durchgegangen waren, entschieden wir uns beide, Fisch zu bestellen. Schließlich waren wir ja an der See, da muss man meines Erachtens einfach Fisch essen. Wir unterhielten uns beide beim Essen wieder über Gott und die Welt und ich merkte, wie ich immer mehr runterkam. Wincent hatte einfach etwas Beruhigendes an sich.
„Wollen wir noch ein wenig an der Promenade spazieren gehen?“, fragte ich schließlich, nachdem der Kellner unser Geschirr abräumte.
Wincent antwortete nicht und sah aus dem Fenster.
„Alles okay?“, fragte ich und hoffte, dass er mir antworten würde.
„Hmm, ja. Alles okay. Was hältst du davon, wenn wir ne runde ins Schwimmbad hier gehen?“, stellte er mir eine Gegenfrage.
„Was spricht denn gegen einen Spaziergang am Strand?“.
„Grundsätzlich nichts, aber es ist schon ganz schön frisch. Nicht das wir noch krank werden“.
„Wincent, draußen sind bestimmt noch 20 Grad“.
„Liz, ich…ich möchte einfach nicht, okay“, sagte er ziemlich patzig und stand auf.
„He“, sagte ich und lief ihm nach. Als ich ihn eingeholt hatte, stellte ich mich ihm in den Weg und sah in einfach nur an.
„Wincent, ich wollte dich keineswegs verärgern“, sagte ich unsicher. Wincents Mine wurde weicher. Er schüttelte kurz den Kopf, bevor er mich in eine Umarmung zog.
„Denk bitte niemals, du könntest mich verärgern“, sagte er und strich mir sanft über den Rücken. Sofort hatte ich eine Gänsehaut am ganzen Körper.
„Aber, was ist es dann?“, hackte ich nach.
„Nichts, ich möchte nur einfach nicht nach draußen gehen“, sagte er, doch ich wusste, dass er mich grade anlog. Er konnte mich einfach grade nicht dabei ansehen, als er sprach. Aber warum? Was verheimlicht er vor mir? Wieder machte sich die Unsicherheit in mir breit und ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte. Entweder ich ließ es einfach auf sich beruhen und nahm es in Kauf, dass er mich anlog oder ich stellte ihn zur rede und ruinierte damit wohlmöglich alles. Andere Möglichkeiten sah ich nicht. Aber wollte ich eine Beziehung zu ihm aufbauen, die jetzt schon auf Lügen basiert? Ich wusste es nicht. Ich wusste einfach nicht, was die richtige Wahl war und bevor ich einen riesengroßen Fehler begann, entschied ich mich aus der Situation zu flüchten.
„Wincent, ich müsste mal zur Toilette“, sagte ich und schob ihn ein wenig unsanft von mir weg.
„Okay“, sagte Wincent, doch bevor er noch mehr sagen konnte, war ich schon in der Damentoilette verschwunden. Schnellen Schrittes öffnete ich die Kabinentür, ging hinein und schloss hinter mir ab. Wincent sollte mich jetzt so auf gar keinen Fall sehen, denn ich merkte, wie mir die Tränen kamen. Warum um alles in der Welt log er mich an? Lag es an mir? Habe ich etwas Falsches gesagt oder gemacht?
All die Selbstzweifel, die ich hatte, zerrten extrem an mir. Es kam mir so vor, als wenn hier, hinter verschlossenen Türen, alle Dämme brachen. Ich kam aus dem Schluchzen einfach nicht mehr raus. Egal wie sehr ich mich auch um Fassung bemühte, es klappte einfach nicht. Ich konnte mich einfach nicht beruhigen.
Diesen Bären, den Wincent mir aufbinden wollte, stürzte mich in ein emotionales Loch und die Mauer, die er eigentlich schon fast überwunden hatte, wuchs wieder ins unermessliche.
Eigentlich hatte Wincent sie sogar zum einstürzten gebracht, doch jetzt war ich mir gar nicht mehr so sicher. Vielleicht hatte ich es mir ja auch nur eingebildet.
Plötzlich machte alles keinen Sinn mehr für mich. Was wollte ich eigentlich noch hier, wenn Wincent mich eh anlog. Am Liebsten hätte ich einfach meine Sachen gepackt und wäre gegangen, doch wie soll ich nach Hause kommen? Schließlich sind wir ja zusammen hergekommen. Ich konnte mir ein weiteres Schluchzen nicht verkneifen. In was bin ich hier nur reingeraten?
Mit einmal öffnete sich die Tür und ich war mucks Mäuschen still.

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