Kapitel 30 ~Liz~

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Ich sah Wincent sein schlechtes Gewissen an, doch ich war mir nicht sicher, was jetzt kommen würde. Ja, er hatte eben gesagt, dass er das zwischen uns nicht in den Sand setzten wolle, aber ich war so verunsichert, dass ich nicht wusste ob es der Wahrheit entsprach. Mühselig versuchte ich mich zu beruhigen und als Wincent mir seine Hand hinhielt, zögerte ich erst einen Moment. Wahrscheinlich würden einige meine Reaktion als übertrieben empfinden, aber das war nun mal ich.
Wincent lächelte mich zögerlich an, hielt mir aber weiter die Hand hin, die ich schließlich ergriff. Es kostete mich zwar meine ganze Überwindung, aber ich hatte ja schließlich eingewilligt, ihn zumindest zuzuhören.
Als Wincent sich dann auch noch bei mir entschuldigte, war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und wieder füllten sich meine Augen mit Tränen.
„Erklär mir einfach, warum der Abend so enden musste“, brachte ich nur leise hervor.
„Liz, bitte nicht weinen. Ich ertrag es nicht, dich so zu sehen“, sagte Wincent und ich sah ihm an, wie sehr auch ihn die Situation mitnahm.
Vorsichtig zog er mich in eine Umarmung, aber er schien sich selbst unsicher zu sein, wie er mit mir umgehen sollte.
„Wollen wir nach oben gehen?“, fragte er mich, nachdem er mich ein paar Minuten einfach nur festhielt.
Ich nickte, denn ich war mir nicht sicher, ob meine Stimme standhielt.
Wincent legte einen Arm und meine Taille und führte mich aus der Toilette raus, hinauf auf unser Zimmer.
Oben angekommen löste ich mich von Wincent und setzte mich in einen der Sessel. Ich wusste nicht warum, aber ich brauchte diese Distanz zu ihm grade. Wincent beobachtete mich und ich sah ihm an, dass er sich auch nicht sehr wohl in seiner Haut fühlte. Aber dies hatte er sich selbst zu zuschreiben. Hörbar atmete er aus und setzte sich mir gegenüber in den Sessel.
„Also, ich höre“, sagte ich kühl.
„Liz… es… scheiße, man. Ich wollte mit dir ein schönes, entspanntes Wochenende verbringen damit wir herausfinden, was das hier zwischen uns ist und nicht jetzt so ein scheiß Gespräch führen“, fluchte er und raufte sich die Haare.
„Tja, ist dir wohl nicht so ganz gelungen“.
„Liz, bitte sein nicht so. Ich weiß, dass ich dich mehr als verletzt habe“.
Ich atmete tief durch und sagte nichts.
„Ich weiß einfach nicht wie ich es dir erklären soll. Eigentlich haben wir uns schon darüber unterhalten, aber irgendwie bekomm ich das alles nicht aus meinem Schädel“.
Ich verstand nur Bahnhof und sah ihn fragend an. Als er nicht weitersprach, ergriff ich das Wort.
„Wincent, würdest du mir das bitte ein wenig genauer erklären. Ich komm nicht so ganz mit“.
Wincent seufzte.
„Erinnerst du dich an unser Gespräch nach der Bootstour?“, fragte er mich und ich nickte.
„Mir geht dieser Gedanke einfach nicht aus dem Kopf, dass man uns sehen könnte. Ich will einfach ein ganz normaler Kerl sein, der auch mal Händchen haltend durch die Stadt läuft. Aber ich kann einfach nicht aufhören, daran zu denken, dass wir gesehen werden könnten“ sagte er niedergeschlagen.
„Das ist aber noch lange kein Grund mich anzulügen. Warum sagst du mir nicht einfach was Sache ist?“, hackte ich nach. Ich konnte ihn ja irgendwie verstehen. Aber andererseits war er auch total verwirrend.
„Ich weiß“, sagte Wincent leise.
„Weißt du, ich verstehe es nicht so ganz. Du sagst, dass du dich bei mir nicht verstellen musst und es anders wäre mit mir. Aber im nächsten Moment ist dann alles wieder ganz anders und du bist total abweisend. Wince, jetzt mal ehrlich. Was sollte denn passieren, wenn wir gesehen werden? Erklär es mir. Ich verstehe es nämlich nicht“, sagte ich und kämpfte wieder gegen die Tränen an.
Wieder raufte Wincent sich die Haare.
„Scheiße, man. Ich weiß es doch auch nicht“, fluchte er und stand auf. Er ging zum Fenster und öffnete die Balkontür. Nachdem er rausgegangen war, atmete ich einmal kurz durch, ehe ich aufstand und zu ihm ging. Wincent sah auf das Meer hinaus und strich sich durchs Gesicht. Ich weiß nicht woher dieser plötzliche Sinneswandel bei mir kam, aber irgendwie hatte ich das Bedürfnis ihn in die Arme zu nehmen. Ich ging auf ihn zu und schmiegte mich an seinen Rücken.
„Wince, wovor hast du Angst? Ich stehe selbst in der Öffentlichkeit, zwar bin ich noch nicht so bekannt wie du, aber glaub mir, ich komme damit klar. Das habe ich dir schon nach unserer Bootstour gesagt und daran wird sich auch nichts ändern“, sagte ich und merkte, wie er sich unter meiner Berührung langsam entspannte.
„Man, ich will nicht, dass es so endet wie mit einigen Freunden von mir. Da waren schon einige unschöne Dinge bei und ich konnte einfach nichts dagegen tun. Irgendwann wurde es ihnen zu viel und sie haben sich von mir abgewandt“, gestand er.
„Hey, das wird nicht passieren. Glaub mir, so ein paar Teenies, die meinen sie wären im Internet der Hit, können das hier nicht ruinieren. Dafür bist du mir in so kurzer Zeit einfach zu wichtig geworden“, sagte ich sanft und schmiegte mich noch enger an ihn. Leise seufzte Wincent und drehte sich zu mit um.
„Weißt du, es fällt mir einfach nicht leicht zu zusehen, wie jemand der mir nahesteht, Hatenachrichten bekommt. Auch meine kleine Schwester bleibt nicht verschont davon“,
„Und deswegen möchtest du dich nicht mit mir in der Öffentlichkeit zeigen?“, hakte ich nach.
„Ja“, sagte Wincent nach ein paar Sekunden der Stille unsicher. Wow, das ganze scheint ihn ja echt Nahe gegangen zu sein.
„Wincent, ich bin aber nicht wie sie. Ich komm damit schon klar. Und wenn dem nicht so sein sollte, wo von ich nicht ausgehe, dann verspreche ich dir, dass ich sofort mit dir reden werde“ sagte ich und ich hoffte nur, dass ich ihn überzeugen konnte. Ich wollte einfach kein Versteckspiel. Ich wollte Wincent mit allem was dazu gehört und das sind nun mal auch die Schattenseiten seines Berufs. Ich hoffte nur, dass er irgendwie einlenken würde, denn ich glaubte fest daran, dass seine Ängste unbegründet waren.

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