Kapitel 42 ~Liz~

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Wincent und ich hatten eine einigermaßen zufriedenstellende Lösung gefunden. Auch, wenn ich mir eigentlich etwas anderes vorgestellt hatte. Aber es war besser als gar nichts.

Leider schlich es sich die letzten Tage ein, dass wir mehr schrieben, als dass wir telefonierten und ich hatte mittlerweile schon wieder vier Tage nichts mehr von ihm gehört. Es machte mich verrückt. Auch wenn es mir natürlich bewusst war, dass ich ihn längere Zeit nicht sehen werde. Das war in seinem Job nun einmal so. Aber er reagierte schließlich nicht mehr auf meine Nachrichten. Das schlimme an der Sache war, dass er meinen Chat noch nicht mal öffnete obwohl er online war. Lag es an mir? Habe ich etwas falsch gemacht? Hab ich ihn mit meinen ganzen Nachrichten genervt? Wincent schaffte es leider, dass ich in einigen Situationen ganz stark an mir zweifelte. Innerlich machte es mich fertig, doch nach außen versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen.

Als ein weiterer dieser Tag an mir vorbeizog, ohne dass ich ein Lebenszeichen bekam, nahm ich mir vor ihn heute Abend anzurufen. So wie das ganze hier grade lief konnte es einfach nicht weitergehen. Auch wenn das noch nichts Festes zwischen uns war, man kann doch wenigstens mal kurz schreiben, dass es grade nicht passt oder ähnliches.

Es war bereits 19 Uhr und ich beschloss ihn jetzt einfach mal anzurufen. Es läutete ein paar Mal, bis er endlich abnahm.

„Hey, Liz. Du grade ist schlecht. Ich bin grade am Fahren. Kann ich dich zurückrufen?", sagte Wincent.

„Ähm, ja klar", sagte ich niedergeschlagen.

„Alles okay bei dir?".

„Ja, ja alles besten. Ruf mich einfach an, wenn du Zeit hast", sagte ich und legte auf.

Ich war den Tränen nahe. Statt uns anzunähern hatte ich das Gefühl, dass er mir immer weiter entglitt. Ich hatte mir das ganze einfach anders vorgestellt und wenn Wincent mich zurückrufen sollte, würde ich es ihm auch so sagen.

Um mich abzulenken nahm ich mir ein Buch und setzte mich auf meinem Balkon. Ich genoss den Ausblick auf die Elbe, über der langsam die Sonne unterging. Ich war so im Buch vertieft, als ich durch das Klingeln an der Tür zusammenschreckte. Ich stand auf und sah auf die Uhr. Es war 20.40 Uhr. Wer um alles in der Welt könnte das sein?

„Hallo?", fragte ich durch die Gegensprechanlage.

Es kam keine Reaktion.

„Wer ist da?".

Diesmal klopfte es an der Tür. Völlig genervt machte ich die Tür einen Spalt auf.

„Hallo schöne Frau".

„Oh mein Gott, Wincent", schrie ich fast und schlug mir die Hand vor dem Mund. Er lächelte mich an und sah mir kurz in die Augen. Dann wandte er seinen Blick jedoch ab. Erst jetzt bemerkte ich, dass er einen Blumenstrauß in der Hand hielt.

„Wow, der ist wunderschön", sagte ich und betrachtete ihn. Der Strauß war durchmischt mit den verschiedensten Blumen, jedoch alle in orangen Tönen. Meiner Lieblingsfarbe.

„Ich hoffe, dass reicht als kleine Wiedergutmachung", sagte Wincent und ich ließ in eintreten.

„Was hast du denn wiedergutzumachen?", stellte ich mich dumm. Verlegen strich Wincent sich durch die Haare.

„Naja, ich weiß, dass ich nicht auf deine Nachrichten geantwortet habe. Es war einfach so viel zu tun, dass ich da leider kein Kopf für hatte", sagte er und wich meinem Blick aus.

„Soll das jetzt immer so laufen? Wir sehen uns nicht und du findest noch nicht mal Zeit mir zu schreiben?".

Erschrocken sah er mich an.

„Liz, ich weiß, dass das dir gegenüber nicht fair war. Aber wenn ich auf Tour bin, ist mein Tag echt durchgetaktet. Ich bin froh, wenn ich mal aufs Klo kann oder mich mal hinlegen kann".

„Wince, ich verstehe es ja und kann auch damit leben dich eine längere Zeit nicht zu sehen. Auch wenn es mir schwerfällt. Aber wenn ich sehe das du online bist und mir dann noch nicht einmal kurz antworten kannst. Da fühle ich mich schon echt verarscht von dir. Was sollen diese Spielchen? Wir hatten doch was abgemacht".

Ungläubig sah Wincent mich an. Meine Worte schienen ihn getroffen zu haben.

„Ich verlang ja gar nicht, dass du mir einen Roman schreibst, Wincent. Aber ein kurzes, mir geht's gut, hätte mir schon gereicht. Ich hab mir echt Sorgen gemacht", gestand ich.

Wincent legte die Blumen auf den Schuhschrank und kam zu mir. Sanft strich er mir über die Wangen. Wann hatte ich angefangen zu weinen?

„Liz, nicht weinen. Bitte. Nicht wegen mir", sagte er und nahm mich in den Arm. Sofort schmiegte ich mich an ihn und sog seinen Duft in mir auf.

„Es wird nicht wieder vorkommen, versprochen. Sobald ich wieder eine freie Minute habe schreiben wir oder ich ruf dich an, wenn es nicht zu spät sein sollte. Du bist kein Spiel für mich und bitte denk sowas nie wieder von mir", sagte er und küsste mich auf den Haaransatz.

„Okay", sagte ich knapp.

„Liz... fuck man. Du bist mir echt wichtig, dass musst du mir glauben. Ich wäre jetzt nicht hier, wenn dem nicht so wäre. Ich hab gemerkt, dass das alles nicht so lief, wie wir uns das vorgestellt hatten".

Ich löste mich vorsichtig von ihm und sah zu ihm rauf.

„Nun schau mich bitte nicht so traurig an", sagte er und zog mich wieder an sich. In mir herrschte das reinste Chaos, da ich nicht genau wusste wo wir jetzt standen. Ja, er war hier. Ja er versucht mir zu zeigen, dass ich ihm was bedeute. Aber reichte das aus?

„Wincent? Ich... wo stehen wir jetzt? Ich verstehe das ganze hier einfach nicht mehr", sagte ich und sah ihn wieder an.

„Naja, du bedeutest mir echt viel. Mit dir ist es anders. Ich bin anders. Meine Band ist schon total genervt von mir, weil ich nicht mehr mit dem schwärmen von dir aufhören kann"

„Du hast aber eine komische Art das zu zeigen", sagte ich und löste mich von ihm.

„Liz, bitte. Du musst mir glauben. Du bist mir echt wichtig".

Wortlos ließ ich ihn stehen und ging ins Wohnzimmer.

„Scheiße, Liz, bitte", kam er mir flehend hinterher.

„Wincent, wie soll das klappen, wenn das schon an solchen Kleinigkeiten scheitert?".

„Ich verspreche dir hoch und heilig, dass es nie wieder vorkommen wird. Sobald ich eine freie Minute habe, schreib ich dir sofort. Bitte Liz, wirf das hier nicht einfach so weg".

„Ich versuch's ja, aber du machst es mir echt nicht leicht", seufzte ich.

Wincent kam vorsichtig näher, stellte seine Tasche ab und kramte in ihr. Ich drehte mich zum Fenster und sah hinaus. Ich war echt verletzt und das zeigte ich ihm auch. Er musste einfach merken, dass er nicht alles mit mir machen kann.


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