7 Kapitel - Jahr 1981

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„Peng! Peng, peng! Komm runter!"

Ein blonder Junge rennt durch den schattigen Wald, schießt zwischen den Bäumen hindurch und springt über Felsen, so schnell seine Beine ihn nur tragen.

Ethan kann nicht Älter als acht sein, aber er ist schon groß und hat etwas an sich, das ihn älter erscheinen lässt, als er ist. Mit seiner Kraft und Ausdauer, die er sich durch sein tägliches Training nach der Schule erworben hat, und der unermüdlichen Energie, die Kinder von Natur aus besitzen, kann er laufen ohne Ende - bis zum Abendessen, wenn es sein muss.

Während er in vollem Tempo durch die Waldschatten fegt, brüllt er Befehle in die Bäume hinauf und schwingt seine Waffe, einen langen dicken Stock, mit dem er auf die feindlichen
Bäume vorne schießt.

„Ladet eure Gewehre durch! Wir brauchen euch hier vorne!"

Der Pfad ist ungefähr fünfzehn Meter weiter vorne von einem umgestürzten Baumstamm versperrt, dem Feind Nummer eins.

Ethan beschleunigt sein Tempo, seine Arme und Beine wirbeln herum wie Trommelstöcke, dann setzt er zum Sprung über den toten Baum an.

„An die Gewehre, Soldaten! Los, los, los!"

Plötzlich schießt eine Gestalt aus dem Waldschatten auf der linken Seite hervor und stürmt direkt auf den laufenden Jungen zu. Die beiden Jungen prallen mit voller Wucht zusammen und stürzen zappelnd und strampelnd auf den erdigen Waldboden.

„He, was soll das? Aua! Geh runter von mir! Hast du sie noch alle? Aua!"

Der dunkelhaarige junge löst sich von dem anderen und will weglaufen, aber Ethan hält ihn auf.
„He, wer bist du?" Der Junge wirft einen Blick über die Schulter zurück.

„Will Anderson", sagt er schnell. „Ich wollte dich nicht umwerfen, es tut mir leid, aber ich muss weiter, ich muss sofort hier weg, lass mich los!"
„Warum?", fragt Ethan und legt neugierig den Kopf schief, ohne seinen Griff zu lockern. „ Wo willst du hin?"

Jetzt erst fällt ihm auf, wie verängstigt Will aussieht. Die Knie, die unter seinen Shorts hervorschauen, sind aufgeschürft, nicht von dem Sturz auf den Waldboden, sondern vermutlich auf Asphalt, und sein leichtes T-Shirt ist zerrissen. Wills schmächtiger kleiner Körper zittert leicht, und sein Ellbogen blutet.

„Vor wem läufst du weg?" Will wehrt sich jetzt nicht mehr, sondern schaut den fremden Jungen an. Er hat sehr helles Haar, selbst hier im Schatten, und ein eher unauffälliges Gesicht, aber etwas an ihm ist anders, etwas, das ihn älter erscheinen lässt, als er ist.

„Ein paar größere Jungen...", murmelt Will. „ Sie jagen mich schon seit einer Ewigkeit."

Der blonde Junge nickt. „ Hier", sagt er und zeigt auf den umgestürzten Baumstamm. „Geh da rein."

Will zögert einen Augenblick, aber dann hallt ein Ruf durch den Wald. Blitzschnell läuft Will um den Stamm herum und duckt sich in die hohle Mitte. Eine Sekunde später donnern vier jungen johlend und brüllend in die kleine Lichtung. Sie halten an, als sie den kleinen Jungen sehen, der lässig an einem Baum in der Nähe lehnt.

Die Verfolger sehen ungefähr wie zehn aus und sind viel größer als Ethan oder Will. Der Anführer der Bande, ein großer, rothaariger Angeber namens Ted, tritt vor.

„Haste zufällig 'n andren Jungen gesehn, so 'n Kleinen, Dünnen? Is der hier vorbeigekommen?"

Ethan zuckt mit den Schultern und sagt nichts. Die Burschen wechseln einen Blick miteinander, dann funkeln sie Ethan an. Ted macht wieder den Wortführer. „,He! Haste nicht gehört? Ob de den Jungen gesehn hast oder nicht?"

Wieder schüttelt Ethan ernst den Kopf und tippt mit dem Finger an sein rechtes Ohr, dann deutet er auf sich, schüttelt seinen Zeigefinger und deutet wieder auf sich. Die Jungen starren ihn verständnislos an. Schließlich stößt Ethan sich von dem Baum ab und macht den Mund auf.

„Ihh... ta-haaauuub ... " Er spricht mit einer hohlen, dumpfen Stimme, die sich anhört, als käme sie durch Watte. Endlich geht den vier Jungen ein Licht auf.

„Ach so, der is taub, was?", sagt Ted, und die anderen nicken. „,Okay. Der kann uns nich helfen, der is bekloppt. Los, wir drehn ab."

Die Jungen machen auf dem Absatz kehrt und stürmen aus der Lichtung, und Ethan verdreht die Augen. Er geht zu dem Baumstamm und beugt seinen Kopf hinunter. „Du kannst jetzt rauskommen, sie sind weg", sagt er.

Will kriecht aus seinem Versteck hervor und starrt den fremden Jungen an. „Danke", sagt er und wischt die Erde von seinem Hemd ab. „Wie heißt du? Und wie hast du das gemacht, Mann?" „Ich heiße Ethan. Mein Cousin ist taubstumm. Der spricht so, und alle schneiden ihn. Ich kann ihn verstehen, aber die meisten anderen Jungs nicht."

Er schweigt einen Augenblick, fragt sich, wie weit er Will vertrauen kann. Dann hellt sein Gesicht sich auf. Er hat sich zu einem Entschluss durchgerungen. „,Wenn ich groß bin", verkündet er, „dann gehe ich zur Armee." „Mein Vater will auch, dass ich zum Militär gehe. Er brüllt mich an und lässt mich exerzieren, weil er mich abhärten will, aber ich...." „Aber was?" Will schaut auf den Boden. „Ich hasse es." „Wenn du dableibst, bring ich's dir bei. Mein Dad war auch in der Armee. Ich will so sein wie er. Und deshalb mach ich das hier - Krieg spielen, meine ich. Spielst du mit?"

Er verstummt und mustert Wills Ellbogen. „Du bist verletzt."

Will schaut auf seinen Ellbogen und zuckt mit den Schultern. „Ist bloß ein Kratzer." Er nimmt einen Stock vom Boden hoch und hält ihn wie ein Gewehr. Er lächelt. Ethan ist in diesem ganzen Sommer der erste junge, der nett zu ihm ist, und diese Chance lässt Will sich nicht entgehen. Schon gar nicht wegen einem Kratzer und ein bisschen Blut. „Also los!", sagt er.

Everything is possible - Verliebt in meinen Erzfeind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt