15 Kapitel - Theaterprobe mit Anspannung

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Zehn Minuten später ist die ganze Truppe in der Aula versammelt. Die einen sitzen in kleinen Grüppchen auf dem Boden herum, die anderen üben ihre jeweilige Rolle. Chris und ich wurden gerade von der Walker und der Phillips (die zu jeder Probe zu spät kommt) auf die Bühne zitiert, um die Ballszene durchzugehen.

„Okay, Leute." Frau Walker reibt sich die Hände. „Ich will, dass Romeo mit der Zeile beginnt: Entweihet meine Hand verwegen dich, und ich will das Knistern spüren - also bitte nicht den Kuss auslassen."

Chris nickt unwillig und kommt auf mich zu. Ich schicke stumme Hass-Vibration in die Richtung von Frau Walker.

Das ist die Szene, in der Romeo und Julia sich zum ersten Mal begegnen - und ihren ersten Kuss tauschen. Und das heißt natürlich, dass ich ihn küssen muss. Chris. Ich schaudere, stimme mich aber auf Julia ein, als Chris zu sprechen beginnt.

„Entweihet meine Hand verwegen dich,
Oh Heil 'genbild, so will ich's lieblich büßen.
Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,
Den herben Druck im Kusse zu versüßen."

Dann bin ich dran:

„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden
Für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß.
Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden,
Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuss."

Chris hebt seine Hand, und ich mache dasselbe, sodass unsere Handflächen sich berühren. Es prickelt, als ich seine Haut auf meiner spüre. Dieses Gefühl ist anders. Mein Atem wird flacher, als wir noch enger zusammenrücken und uns tief in die Augen sehen.

Chris spricht wieder:

„Hat nicht der Heil'ge Lippen wie der Waller?"

Dann ich:

„Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller."

Ich bin jetzt nahe genug, dass ich Chris' Geruch wahrnehme - ein bisschen Hugo Boss, ein Hauch von frisch gebrühtem Kaffee. Ich bin aufgeregt - ein starkes, prickelndes Gefühl, wie wenn man zum ersten Mal einem Fremden begegnet. Der Typ vor mir ist nicht Chris Banner, sondern ein gut aussehender Fremder, dem ich zum ersten Mal auf einer Party begegne. Ich gehe noch näher, ohne zu merken, dass ich immer noch spreche.

„Du weißt, ein Heil'ger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht."

Dann spricht Chris, unglaublich sanft, und er schaut mir dabei so tief in die Augen, dass ich zu atmen vergesse.

„So reg dich, Holde, nicht, wie Heil'ge pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht."

Ich gehe noch näher; so nahe, dass ich seine Wärme spüre und beinahe seinen Herzschlag hören kann. Ich schaue auf, und er nimmt meine Wange in seine Hand führt sie an sein Gesicht. Ich schließe die Augen, warte auf die Berührung seiner glatten, makellosen Lippen .

Was zum Teufel mache ich da? Chris und ich weichen beide zurück, bevor unsere Lippen aufeinandertreffen, und dann halten wir so viel Abstand wie nur möglich.

„Was war das denn?", fragt die Walker fassungslos. „Wenn ihr nicht fähig seid, meine Anweisungen zu befolgen, dann muss ich eure Rollen neu besetzen. Ihr stehlt mir meine Zeit."

Ich trete von einem Fuß auf den anderen und reibe mir verlegen den Nacken. „Tut mir leid, ich bin nur ... äh, nervös geworden, weil alle zugeguckt haben, und ..."

Ich verstumme hilflos, aber zum ersten Mal seit Menschengedenken kommt Chris mir zu Hilfe.
„Ja, genau,... vielleicht können wir irgendwo anders üben?"

Die Walker schaut uns beide an und schüttelt in komischer Verzweiflung den Kopf. „Okay", sagt sie und zeigt auf die linke Seite. „Dort hinten ist ein leeres Klassenzimmer. Da könnt ihr reingehen und diese Szene üben, bis ich euch holen lasse. Und wehe, ihr streitet euch wieder", fügt sie schnell hinzu.

Everything is possible - Verliebt in meinen Erzfeind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt