36 Kapitel - Jahr 1993

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„Will'"

Die Tür zum Schlafsaal fliegt auf, und Ethan stürzt herein. Sein Gesicht ist gerötet, er lacht und fuchtelt mit den Armen. Er ist in Hochstimmung.

„Ich hab Jess gefragt, und sie hat ja gesagt, Will! Ja! Sie hat verdammt noch mal ..."

Das Strahlen in seinem Gesicht erlischt. Seine Arme sinken herunter, und er sieht völlig verwirrt aus.

Sein Gesicht verfinstert sich, als er die Szene vor sich aufnimmt.

Will kniet auf dem Boden, zwei Typen halten ihm die Hände hinter dem Rücken fest, und ein dritter reißt seinen Kopf zurück. Jack steht vor Will, den Rücken zur Tür, aber er hat sich halb umgedreht, als Ethan hereingekommen ist.

Jacks Gesicht ist hasserfüllt und böse. Will hat eine dicke Beule im Gesicht, und aus seinem Mund fließt Blut. Er schaut seinen Freund flehend an.

Eine Sekunde lang sieht Ethan den verängstigten kleinen Jungen vor sich, der ihm vor so vielen Jahren im Wald begegnet ist, als er um sein Leben rannte und einen Platz zum Verstecken suchte.

Dann erlischt das Bild, und er sieht wieder den erwachsenen Will, Jahre älter, mit demselben versteinerten Blick und immer noch verzweifelt auf der Suche nach einem Versteck.

„Was ist hier los?", fragt Ethan ins Zimmer, und seine Stimme zittert leicht.

Niemand antwortet.

Will bäumt sich auf, aber die anderen halten ihn unten und lachen. Er wehrt sich mit aller Kraft, stöhnt vor Anstrengung, aber er hat keine Chance gegen seine Peiniger, die in der Übermacht sind, und fällt wieder auf den Boden zurück.

Jacks Grinsen wird immer breiter, seine schwarzen Augen sind eiskalt.

„Ethan Banner. Gut, dass du da bist. Meine Kumpel und ich möchten dich was fragen ..."

Er geht einen Augenblick zu Will und beugt sich hinunter, sodass er ihm in die Augen sehen kann. Dann richtet er sich wieder auf.

„Du gibst uns doch sicher recht, dass der hier .."
, er zeigt verächtlich auf Will, der nur noch dumpf vor sich hinstarrt, „...nichts in der Armee verloren hat. Wir brauchen richtige Männer."

Dann spricht er Will direkt an.

„Und du bist kein Mann. Du bist ein Waschlappen. Ein Versager. Ein Klotz am Bein."

Die Worte hallen erbarmungslos in Wills Ohren wider, und er glaubt die Stimme seines Vaters zu hören.

Jack geht zu Ethan und stellt sich neben ihn. Die drei Typen, die Will festhalten, ziehen ihn hoch, schütteln ihn und lachen.

Will stöhnt.

Ethan steht da, wie gelähmt vor Entsetzen. Er kann nicht glauben, was hier abläuft.

„Also", sagt Jack und reißt Ethan aus seinen Gedanken, „die Frage ist jetzt, was willst du tun, Banner? Bist du auf unserer Seite, willst du ein richtiger Soldat werden? Willst du jemand sein, der seinen Mann steht und zählt, auf den dein Vater stolz sein kann? Oder stellst du dich gegen uns? Das wäre schade, weil wir dich dann leider auch ... hinauskomplimentieren müssten..."

Ethans Herz klopft wie verrückt. So viele Gedanken, so viele Erinnerungen schießen ihm durch den Kopf.

„Blutsbrüder."

Brüder.

„Ich gehe in die Armee."

Das Einzige, wovon ich je geträumt habe. Das ist meine Chance.

„Hab ich dir schon gesagt, was sie mir angedroht haben? Sie wollen mir die Beine brechen ..."

„Also, wie steht's?", fragt Jack und tritt zwischen Ethan und Will.

Alle schauen auf Ethan.

Will blickt auf, ein stummes Flehen in seinen Augen, und fragt sich, warum Ethan so lange zögert, warum er nicht an seine Seite stürzt, warum er ihm nicht hilft.

Ethan hört das Blut in seinem Kopf pochen. Alles verschwimmt vor seinen Augen. Er kann nicht mehr klar denken, er kann nicht richtig hören, er kann gar nichts machen.

Er starrt Jack an, dann die anderen, dann Will.

„Das Einzige, wovon ich je geträumt habe..."

Es geht einfach nicht.

Er kann keine Entscheidung treffen.

Das Letzte, was er sieht, bevor er kehrtmacht und aus dem Zimmer rennt, ist der verzweifelte Blick, den sein bester Freund ihm zuwirft.

Everything is possible - Verliebt in meinen Erzfeind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt