8 Kapitel - In Bedrängnis

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Donnerstagnachmittag. Die Mittagspause ist gerade zu Ende, und ich durchquere im Laufschritt den Kunstraum, weil ich gleich Physik habe.

Wenn ich schon wieder zu spät erscheine, lässt mich der Westler mein restliches Leben lang nachsitzen, denke ich, während ich mich zwischen den Tischen hindurchschlängle. Ich streife an einem Tisch vorbei, auf dem ein großer Stapel Achtklässler-Arbeiten liegt, und reiße aus Versehen ein paar Zeichnungen herunter, die fröhlich auf den Boden segeln.

Ich stöhne verzweifelt, bücke mich und lese die Bilder auf, so schnell ich kann. Dann richte ich mich auf, knalle die Blätter auf den Tisch zurück und streiche mir die Haare hinter die Ohren. Und plötzlich fahre ich so heftig zusammen, dass ich fast aus den Latschen kippe.

„Sag bloß, ich hab dich erschreckt?"

Ich stoße langsam die Luft aus und lege eine Hand auf mein Herz.

„Was zum Teufel machst du hier, Steve? Hast du sie noch alle? Du kannst dich doch nicht einfach so an andere Leute anschleichen, Mann!"

Steve Watts sieht irgendwie anders aus. Er lächelt nicht, wie sonst immer, und deshalb wirkt sein Gesicht finsterer als normalerweise.

„Tut mir leid, Jen, aber ich wollte dich unbedingt allein sehen. Du hörst mir ja nie zu, wenn andere Leute dabei sind."

Ich gehe bereits auf die Flügeltür zu, an Steve vorbei, und sage im Gehen: „Sorry, aber ich muss los, Steve. Ich kann nicht schon wieder zu spät zu Physik kommen. Du weißt doch, wie der Westler ist."

Steve streckt seine Hand aus und packt mich am Arm, sodass ich nicht weiterkann.

„Nein, warte. Ich muss mit dir über morgen reden. Wir müssen uns absprechen, wie wir das machen."

Ich greife nach der Türklinke, aber Steve ist schneller und lehnt sich gegen die Tür.

„Jetzt hör doch mal zu, Jen, du musst mir einfach zuhören ..."

Ich trete zurück. Irgendwas stimmt da nicht, das spüre ich genau. Er benimmt sich so komisch, ganz untypisch für Steve, und allmählich wird mir mulmig.

Seine Augen sind zu weit aufgerissen, und er lächelt immer noch nicht. Ich sehe mich im Kunstraum um, aber außer uns ist niemand da. Wir beide sind ganz allein.

Steve macht einen Schritt auf mich zu, sodass er nur noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ist. Jetzt lächelt er, aber seine Körpersprache wird immer bedrohlicher. Ich spüre, wie mein Herz vor Angst zu rasen anfängt.

„Also gut, ich hör dir zu", sage ich und starre auf den Boden. „Aber kannst du vielleicht ein bisschen mehr Abstand halten? Ich krieg sonst die Krise, verstehst du?"

Steve starrt mich weiter an, als ob er gar nicht gehört hätte, was ich gesagt habe.

„Also, wir treffen uns morgen um neun im Club - meine Schicht ist um elf zu Ende, und dann können wir ein bisschen Spaß haben ."

Er beugt sich noch weiter zu mir vor. Ich weiche gegen die Wand zurück und drehe mein Gesicht weg. Ich spüre, wie die Panik in mir hochsteigt, und ich kann nichts dagegen machen.

„Hör jetzt auf, Steve, okay? Geh weg. Ich hab gesagt, du sollst aufhören...."

Everything is possible - Verliebt in meinen Erzfeind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt