Neunzehn

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Chloé

Eine kleine Ewigkeit später, schafften meine Beine es sich zu bewegen. Die ganze Zeit über hielten wir Blickkontakt. Keiner von uns wagte es noch einen Ton zu sagen. Masons Blick zwang mich, ihn anzusehen. Dabei bemühte ich mich nicht zu atmen, obwohl mein Puls anstieg. Seine Augen schauten mich fuchsig an. Sie erzählten mir alle seine  Emotionen, die er in den letzten Minuten durchlebte. Es war als würden seine Augen mich warnen. Doch ich wusste schon vorher was kommen würde. Ich konnte einfach nicht wegschauen. Auch nicht als ich die Treppe hoch stieg. Wie gefangen war ich von diesen Augen. Stufe für Stufe ging ich langsam hoch. Natürlich wollte ich mich nicht aus der Fassung bringen lassen. Doch das war leichter gedacht als getan. Mit wackeligen Beinen, die wie aus Pudding waren hatte ich den Vorplatz erreicht. Keine zehn Meter weiter stand Mason vor mir. Statt auf mich zu zukommen, blieb er an einem Fleck. Denn es gab sowieso keinen Weg an ihm vorbei. Das Herz pochte immer noch bis zum Anschlag. Ich wusste was kommen würde. Ich wusste, dass Mason etwas ahnte. Vor allem war mir bewusst, was das bedeuten würde. Trotzdem ging ich auf ihn zu. Ohne den Kopf zu bewegen, taxierten seine Augen mich. Statt den Kopf zu senken, hob ich ihn. Ich schaute ihn zwar nicht mehr an, aber ich wollte wenigstens ein bisschen Würde bewahren. Ich kam Mason immer näher. Sein Geruch wurde stärker, das Pochen des Herzens in meinen Ohren wurde lauter. Ich spürte ihn bis in die Fingerspitzen. Jetzt war ich ihm so nah, dass ich Masons geräuschvollen Atmen hören konnte. Dabei hob und sank er sichtbar seine Brust.  Ich sah die kurzen Stoppeln in seinem Gesicht. Wenn ich wollte, könnte ich die Hand ausstrecken und seine Wange berühren.  Ihm nah sein. Doch ich widerstand der Versuchung und stolzierte an ihm vorbei. Schon hatte ich es geschafft, ich war an Mason vorbeigegangen. Ich wog mich schon in Sicherheit. Doch im nächsten Moment griff er nach meinem Unterarm. Seine Reaktion kam so plötzlich, dass ich richtig ins Stocken geriet. Fast fiel ich über meine Füße. Als ich mich wieder gefangen hatte, wirbelte er mich rum. Nun war mein Gesicht von seinem nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Wieder starrten wir uns in die Augen. Doch diesmal war in Masons Blick nicht mehr so viel Wut. Die braunen Augen wurden weicher, sobald wir uns nahe waren. Erneut spürte ich diese Spannung zwischen uns. Eine Mischung aus Sehnsucht zueinander, Leidenschaft aber vor allem auch Frustration, fast schon Ernüchterung. Abermals hatte Mason mein zweites Gesicht kennengelernt, welches ich für lange Zeit erfolgreich verschlossen hatte. Und er gehofft hatte es nie wieder zusehen. Auf der anderen Seite, hatten sich meine Befürchtungen bestätigt. Mason würde früher oder später was mit Jen anfangen. Wie Jen ihn ansah war für mich Bestätigung genug. Ähnlich wie ich mich immer bei ihm fühlte. So sah man niemanden an, zu dem man keine Vertrautheit oder gar Verbundenheit hat. Ja, es war erdrückend sich in dem anderen getäuscht zu haben. 
"Vermisst dich deine Begleitung nicht?" ich war diejenige, die als erstes das Wort ergriff. Meine Stimme war schnippisch. Reiner Selbstschutz. "Jen kommt auch allein klar." antwortete er mir. Auch wenn Mason versucht ruhig zu bleiben, merkte ich ihm seine Wut an. Die Worte spuckte er zwischen den zusammengebissenen Zähnen nur so aus. Er war genauso angepisst. "Was hat der Pisser hier zu suchen?" fragte er mich. "Ach, dann musst du deine Perle also um Erlaubnis fragen?!" statt ihm zu antworten, schoss ich zurück. Irgendwie musste ich ja meinen Ärger ausdrücken. "Bist du jetzt ihr Chihuahua? Braves Schoßhündchen." setzte ich noch ironisch einen drauf. So leicht wollte ich es ihm doch nicht machen. "Das war keine Antwort auf meine Frage." Mason ignorierte einfach meinen bissigen Kommentar. Erstaunlicherweise blieb er ruhiger als gedacht. Doch ich schwieg. Er löste unseren Augenkontakt und schaute an mir runter. Als würde er so die Antwort auf seine Frage finden. "Also?" hakte er ungeduldig nach, diesmal war der Ton gereizt. "Ich wüsste nicht was dich das angeht." erwiderte ich nur. Damit wollte ich unser Gespräch beenden und auf dem Absatz kehrt machen. Doch als ich mich umdrehen wollte und an meinem Arm zog, ließ er nicht los. Stattdessen wurde der Griff wie eine Schlinge nur noch fester. "Vielleicht haben wir die gestrige Nacht nochmal neu auf leben lassen." provozierte ich ihn weiter. Fast alles war besser als der wahre Grund. "Shawn hat mich gepackt, mich gegen die Wand gedrückt und geküsst. Er hat mich überall berührt. Hier." meine freie Hand legte ich auf meinen Hals. "Hier." ich fuhr runter und berührte meinen Busen. "Und hier." nun fuhr meine Hand noch weiter runter, über den Bauch abwärts. Ehe sie unter die Gürtellinie kam, stoppte er mich. "Fuck, Chloé. Hör mit den verfickten Spielchen auf."  verärgert schrie er mich mit lauter Stimme an. Ziemlich perplex fuhr ich leicht erschrocken zusammen. Diesmal konnte ich meine Reaktion nicht verbergen. Selten habe ich Mason so wütend erlebt. Klar, haben wir uns in der Vergangenheit gestritten auch mal lauter. Und wir beide waren wütend. Wir provozierten uns auch gegenseitig, er ließ auch mal einen verletzenden Spruch los.  Aber ich hatte Mason selten so schreien gehört. Sonst war ich immer diejenige die ausrastete, er war der ruhigere Part. Vor allem wenn er nüchtern war. Trotzdem hatte ich mich ziemlich schnell wieder gefangen. "Find es heraus." erwiderte ich, nun war mein Ton zurückhaltender. Aber immer noch herausfordernd und schnippisch. Starr schaute ich in sein Gesicht, ehe mein Blick musternd auf die trainierte Brust fiel und dann wieder in das zornige Gesicht. Langsam lockerte Mason seinen Griff und seine Hand wanderte zu meinem Handgelenk. Er drehte unsere Hände um, sodass meine Handinnenfläche nach oben schaute. Anschließend hob er unsere verbundenen Arme und der Blick fiel auf meine Faust. Immer verkrampfter drückte ich die Faust zusammen. "Was hast du in deiner Hand drin?" fragte er mich. Obwohl er die Antwort schon kannte. "Was zum Teufel ist das, Chloé?" hakte er erneut nach. "Als ob das nicht schon längst wüsstest." meinte ich nur zu ihm. Jetzt war meine Stimme nicht mehr bissig, sondern ernüchternd. Er wusste was ich mit Shawn zu suchen hatte und ich wusste es. Wir beide wussten es. Trotzdem wollte ich nicht, dass er das Ausmaß sah. Ich musste ihn daran hindern, in meine Hand zu gucken. Also wurde mein Griff nur noch fester. Meine Nägel bohrten sich schmerzlich in das Fleisch. "Chloé." sprach er leise von sich, ganz sanft. Mason klang verzweifelt. "Bitte." Er hatte immer noch den Blick nach unten gesenkt und auf einmal ließ er sich mit dem Kopf nach vorne fallen. Mason lehnte sich an mich an, unsere beiden Stirnen aneinander gedrückt. Dann schloss er erschöpft seine Augen. Wieder sah ich die verletzliche Seite von Mason. Lange ist er stark geblieben, hat seine Rolle perfekt gespielt doch nun kam sie ins Bröckeln. Mein Gegenüber hatte keine Kraft mehr zu kämpfen- zumindest heute nicht. Auch ich fühlte ähnlich. Trotzdem musste ich mich schützen. Wenn ich jetzt nach geben würde, würde Mason die ganze Wahrheit erfahren. Vielleicht war seine Wut nicht ganz vergangen, doch die Verzweiflung und Sorge überwog. Ihm so nah in diesem Moment zu sein, tat mir gut. Für einen kurzen Moment schloss auch ich meine Augen.
Langsam entfernte sich Masons Kopf von mir. Ich spürte sein Gesicht nicht mehr auf meinem. Ehe diese Wärme komplett verschwand, hauchte er mir noch einen Kuss auf die Stirn. Zumindest bildete ich mir das ein. Obwohl sein Griff sich lockerte, hielt er mich immer noch mit einer Hand fest. Die andere fuhr zu meinen Fingern. Er legte seine Finger über meine und griff vorsichtig mit den Nägeln unter die Lücke zwischen meinen Fingerspitzen und der Handinnenfläche. Letztendlich konnte ich dem leichten Druck nicht standhalten, löste meine Finger und ließ es zu.  Ich hatte eh keine Chance mehr, es war zu spät. Mason nahm sich das kleine Tütchen und hielt es hoch. Währenddessen beobachtete ich ihm dabei. Ich konnte nichts tun. Stumm liefen mir wieder mal Tränen über die Wange. Nun hielt er den Beweis in den Händen wie kaputt ich eigentlich war.  Gleichzeitig fühlte ich mich gedemütigt. Er sollte das nie sehen. Nicht nochmal. Auch wenn das kein Geheimnis mehr war, Mason es natürlich auch geahnt hatte, rückte ich jetzt in einem ganz anderen Licht. An seinem Gesicht erkannte ich, dass er realisiert hatte was das bedeutete. All seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Mason schüttelte den Kopf, als könne er es nicht glauben. Er rang nach den Worten. "Du musst damit aufhören, Chloé!" sprach er eindringlich auf mich ein. "Dann sag mir wie? Wie kann ich damit leben? Das zwischen uns ist vorbei und das was bleibt ist eine einzige Katastrophe, Mason. Sieh doch." versuchte ich mich zu erklären. Trotzdem fehlten mir die Worte. "Aber der Scheiß macht es auch nicht besser, im Gegenteil." "Ich, ich kann nicht." gab ich flüsternd zu. Wieder lag sein Blick auf mir. Statt diesem auszuweichen, schaute ich direkt in das ehrliche Braun. Darin sah ich sein Misstrauen, als könnte mein Gegenüber nicht glauben was er in den Händen hält. Mehrmals blinzelte Mason und kniff dabei die Augen zusammen. Aber auch tiefes Mitgefühl, fast schon Mitleid traf mich. Er sah mich an wie ein rohes Ei, als würde ich jeden Moment zerbrechen. Doch vor allem blitzte die Enttäuschung durch. Natürlich hatte er sich das nie zu erträumen gewagt, dass wir beide nochmal in so einer Situation stecken würden. Das aus seinem Verdacht, die bittere Realität wurde. Seine Reaktion traf mich tief, auch wenn ich es mir schon gedacht hatte. Schließlich löste er seine Augen von mir und starrte hinter mir zum Gebäude. Auf einmal setzte Mason sich in Bewegung. Im Eilschritt lief er auf den Altbau, der hinter uns lag zu. Perplex ließ er mich stehen. Und es dauerte einen Moment bis ich begriff was er eigentlich vor hatte. "Mason." rief ich ihm hinter her. Dann rannte ich los, ihm hinter her. "Mason." rief ich wieder und immer wieder. Ich war verzweifelt. Doch er achtete nicht auf mich, stoppte nicht und drehte sich auch nicht um. Während ich rannte, kam ich immer wieder ins Wanken. Natürlich hatte ich nicht gerade das richtige Schuhwerk an, ständig drohte mein Knöchel umzuknicken. Doch mir war das egal, denn ich musste verhindern was er vor hatte. Zum Glück erreichte ich ihn, ehe er durch den Eingang schritt. "Mason, hör mir zu." rief ich ihn, diesmal leiser und flehend um kein Aufsehen zu erregen. Denn vor dem Veranstaltungsort stand ein Mann der uns die Tür aufhielt. Auch in der Eingangshalle waren einige Leute, überwiegend Personal des Veranstalters. Natürlich zogen wir deren neugierigen Blicke auf uns, doch ich achtete kaum auf sie. Wieder kam keine Reaktion. Stur ging Mason seinen Weg. Da ich keine große Szene vor den ganzen Leuten machen wollte, folgte ich ihm stumm, aber hektisch. In mir herrschte die reinste Panik, ich konnte einfach nicht ruhig bleiben. So sehr ich es auch versuchte. Meine Handinnenflächen fingen an zu schwitzen, die Knie waren wackelig und das Pochen meines Herzens hatte sich immer noch nicht beruhigt. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich war Mason so nahe, dass ich ihm mehrmals fast in die Hacken trat. Doch ich erreichte ihn einfach nicht richtig, immer war er mir einen Schritt voraus. Sobald wir das Foyer passiert hatten und uns in einem Flur- indem wir ungestört waren- befanden, griff ich nach Mason. Doch ich bekam nur ein kleines Stück seines Ärmels zu packen. Für einen kurzen Moment hielt er inne, blieb sogar stehen. "Bi.." setzte ich an. Denn ich ging davon aus, er würde sich nun zu mir umdrehen. Doch im Gegenteil. Mason zog an seinem Ärmel um mich abzuschütteln, doch ich blieb standhaft- so wie er zuvor. Für einen kurzen Augenblick verweilten wir in dieser Position. "Bitte, tu das nicht. Wir finden eine Lösung, Darling. Aber gib es mir, bitte. Ich verspreche dir, es nie wieder zu tun." meine Stimme war bettelnd. Denn ich ahnte, was Mason vorhatte und das musste ich unbedingt verhindern. Mason drehte den Kopf und blickte über seine Schulter, in meine Richtung. Durch die spärliche Beleuchtung konnte ich seinen Blick nicht erkennen. Anschließend schüttelte er den Kopf. Verständlicherweise glaubte er mir kein Wort von dem was ich sagte. Plötzlich setzte er sich wieder in Bewegung, gleichzeitig schüttelte er meine Hand ab. So sehr ich auch versuchte mich an ihn festzukrallen, er war stärker. Trotzdem blieb ich ihm auf den Fersen, denn es blieb keine Zeit darüber nachzudenken. Nun hatten wir sein Ziel erreicht. Er öffnete die Tür der Herrentoilette, ging rein und ich hinter ihm her. Einen kurzen Blick durch den Raum verriet mir, dass wir beide hier alleine waren- immerhin etwas. Zielstrebig ging Mason auf eine Kabine zu, mit dem Fuß trat er sie auf. "Mason! Nein, lass das!" schrie ich hysterisch hinter ihm her. "Bitte, ich werde die Finger davon lassen. Ich halte mich fern von dem Zeug." Mittlerweile hatte ich ihn erreicht, wieder stand ich hinter ihm, ich berührte seinen Rücken. Während er die Klobrille öffnete, zwang ich mich an ihm vorbei. "Sieh mich an, mach das nicht!" meine Stimme war laut und aufbrausend. Irgendwie versuchte ich mit meinen Händen sein Gesicht zu nehmen. Jedoch bekam ich es nicht wirklich zu fassen, meine Finger rutschten runter als er sich dagegen wehrte. Schließlich ließ ich meine Hände fallen. Deutlich hörte das Pochen des Herzens in meinen Ohren. Das Adrenalin pumpte durch meinen Körper. Irgendwie musste ich ihn doch aufhalten. Ich war in Panik, dass er den Inhalt des Tütchen so einfach vernichten würde. Dabei brauchte ich es doch. Ich brauchte das Zeug um diesen Abend zu überstehen. Ich griff nach seinem Arm, umschlang meine Finger um sein Handgelenk in der, er das kleine Tütchen festhielt und drückte kräftig zu. "Hör auf." zischte ich ihn an. "Nur noch dieses eine Mal, dann hör ich auf." machte ich ihm glaubhaft, auch wenn ich dieses Versprechen nicht halten würde. "Du hörst dich an wie eine Süchtige." erwiderte er nur leise. Sein Unterton war emotionslos. "Gib es mir. Jetzt!" da mein Flehen und betteln nichts gebracht hatte, wurde ich bestimmender. Langsam wurde ich wütend. Das war nun mal meine Pillen, für die ich bezahlt hatte. Erstaunlicherweise hielt Mason wieder inne, zumindest wehrte er sich nicht wieder gegen mich. Umgehend wirbelte sein Kopf in meine Richtung. Ich zwang mich ihn anzusehen. Doch in seinem Blick erkannte ich nichts als Mitgefühl und auch Schmerz gepaart. "Was? Damit du dich abschießen kannst? Das Highlife genießen kannst? Ohne Schuld und Rücksicht das nehmen was du möchtest? Das werde ich nicht zulassen, Chloé." er klang ruhig, dabei war die Situation am brodeln. Ich rollte mit den Augen. "Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt. Sonst scherst du dich doch auch einen Dreck um mich, auf einmal bist du besorgt oder was?" schoss ich wütend zurück. Was nahm er sich eigentlich raus? Wir hatten seit Wochen keinen Kontakt mehr und jetzt macht er sowas. Als wäre alles beim Alten. "Es sind meine Pillen, gib sie mir jetzt! Verdammt. Es geht dich nichts an." erklärte ich ihm wütend nach einer kurzen Pause. "Ich bin nicht der Feind. Chloé. Der steckt in dem Dope. Ich habe keinen Bock, dass du dir wegen dem Scheiß noch dein Leben versaust" "Was bist du jetzt meine Mutter oder wer?" lachte ich humorlos auf. Ich hatte seine Sprüche satt, ich brauchte keinen Vormund. Schließlich konnte ich meine eigenen Entscheidungen treffen. "Du möchtest doch nur dein schlechtes Gewissen rein waschen. Du möchtest doch nur den Helden spielen und mich retten. Doch wer hat mich denn dazu gebracht? Wer hat mich einfach so weggeworfen?" warf ich ihm sauer vor. Denn irgendwo hin musste ich ja mit meiner Wut. Und das war deutlich der einfachere Weg- wenn auch nicht der richtige. Ich ging auf Abwehr. Ich konnte einfach nicht anders, ich musste ihn angreifen.
Auf einmal wurde sein Blick traurig. Die braunen Augen schauten mich beschämend an. Selbst in dem dunkleren Licht sah ich das Glitzern, wie sich die Tränenflüssigkeit sammelte. Mason nickte leicht. "Du hast Recht, ich war nicht für dich da. Doch wie kann ich derjenige sein, der deine Tränen trocknet, wenn ich es bin der sie verursacht? Und glaub mir, es war verdammt schwer. Mitzubekommen wie du versucht hast deinen Schmerz zu betäuben und der Welt mitgeteilt hast wie beschissen es dir geht und nur dabei zu zusehen. Doch es ist besser wenn wir uns voneinander fernhalten. Es ist nicht gut wenn wir zusammen sind." Die Stimme klang gebrechlich und voller Reue. Mason fühlte sich sichtlich schlecht. Ich hatte seinen wunden Punkt getroffen. "Doch ich bin nicht derjenige, der dich rettet. Ich bin kein Held, Chloé. Doch ich möchte für diesen Moment das richtige tun, dich davor bewahren diesen fucking Scheiß wieder zu nehmen, auch wenn es vergebens ist. Denn ich weiß, dass ich dein Herz gebrochen habe. Du hast das alles nicht verdient. Und ich habe gehofft, dich nie wieder in dieser Lage zu sehen." sprach Mason weiter. Aus seinen Worten erkannte ich deutlich, wie sehr er es verabscheute. Ich zweifelte nicht an der Glaubhaftigkeit, noch an den Gefühlen. Und das machte das ganze nur noch schwerer. Ich erkannte daraus, wie weh ihm das tat. Vielleicht sogar noch mehr als mir. Doch wir konnten an unserer Situation nicht dran ändern. Jeder versuchte anders mit seinem Schmerz umzugehen, ihn zu betäuben. Jedoch verletzten wir uns damit gegenseitig. Wir steckten in einem verdammten Teufelskreis aus dem wir nicht raus kamen. "Ich brauche sie nur für heute Abend, bitte. Sonst überstehe ich es nicht. Ich kann euch beiden sonst nicht in die Augen schauen. Euch, vor allem ihr gegenüber stehen. Es macht mich fertig euch beide zu sehen, ich gehe daran kaputt wie glücklich du mit ihr bist. Alle Sorgen scheinen vergessen zu sein. Es scheint als hättest du mich vergessen. Ich kann das einfach nicht." erklärte ich ihm jetzt. Die Gefühle, diese verletzliche Seite die er mir gegenüber preis gab, besänftigte mich. Mason schüttelte abermals mit dem Kopf. "Das löst das Ganze aber nicht, eher im Gegensatz." mit diesem Satz hielt er seine Hand über die Kloschüssel und ließ das Tütchen zwischen seinen Fingern fallen. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich ihn. "Nein, Mason bitte nicht. Mach das nicht." flehte ich ihn erneut an. Ich war panisch. Dabei hatte ich mich ihm doch offenbart. "Nur noch heute Abend versprochen, dann rühr ich das Zeug nicht mehr an." Ungezügelt rüttelte ich ihm am Arm, in der Hoffnung er drückte den Abzieher nicht. Denn inzwischen hatte er seine Hand auf die Spülung gelegt und war jederzeit bereit diesen Schritt zu tun. "Ich kann damit aufhören, jeder Zeit. Nur ich brauche es nur noch einmal." Langsam wiederholte ich mich immer wieder, doch mir fiel nichts anderes ein. Mein Gehirn war wie blockiert. Zeitgleich versuchte ich irgendwie die Toilette zu erreichen, um es rauszufischen. Doch Mason hielt mich auf. "Nein, du brauchst Hilfe. Aber nicht von mir, ich kann nichts für dich tun. Du musst das selber wollen und solange du das nicht siehst kann ich nur versuchen, das schlimmste zu verhindern." Als ich seine harten Worte hörte war ich schockiert von der Aussage. Das meinte Mason doch nicht ernst, ich hatte kein Problem. Ich brauchte die Drogen nicht immer, sie bestimmen nicht mein Leben. Sie erleichterten es nur in einigen Situationen. Ich konnte es nicht fassen. Ich war nicht abhängig. "Du kannst nicht immer der Realität flüchten wenn sie dir nicht passt, wenn sie dir weh tut. Es tut mir leid für den Schmerz, den ich verursacht habe aber du darfst dem nicht immer entfliehen." ich hörte ihm nur noch halb zu. Mein Fokus war eher auf seinen Fingern fixiert. Im selben Moment drückte er die Spülung. Somit war die Hoffnung auf einen ausgelassenen Abend weggespült.

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