Siebenundzwanzig

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Chloé

Ich starrte auf den ovalen goldenen Spiegel vor mir. Er hing mit einer Stange von der Decke runter und war mit einer weiteren goldenen Stange an dem marmorierten Tisch befestigt. Die LEDs des Spiegels leuchteten hell. Der Sessel auf dem ich saß, war altrosa. Und die Wände in einem schönen leichten Mint gestrichen. Immer wieder tauchten goldene Akzente in dem Raum auf, in dem wir waren. Die Lampen an der Wand, die Pendant Leuchten von der Decke, sowie die Regale. Inzwischen saßen wir in einem ziemlich angesagten Friseur Salon. Er war nicht besonders groß, aber wahrscheinlich ein Insider der Upper East Sider. Oder sie dachten es einfach nur. Trotzdem waren wir die einzigen Kunden. Ava hatte uns schnell noch ein Appointment als Komplettpaket gebucht. Von Haarstyling, über Make-up zu Mani- und Pediküre. Wahrscheinlich musste man nur genug Geld bezahlen um diese Privatsphäre genießen zu können. Und einen einflussreichen Namen haben. Wir genossen oft solche Privilegien. Ganze Läden wurden geschlossen, wenn wir uns ankündigten. In Restaurants bekamen wir den besten Tisch. Und während wir darauf warteten, dass die Maske in unseren Haaren einwirkte, starrte ich vor mich hin. Jetzt starrte ich mein Spiegelbild an. Ich verstand nun warum Ava darauf bestanden hat, dass wir uns stylen ließen. Zum einen konnte ich mal entspannen- zumindest es versuchen. Aber was viel wichtiger war, dass ich ziemlich schlimm aussah. Angefangen von den strohigen Haaren, denen man die vorherige Nacht definitiv ansah. Meine Locken hatten unendlich viele Knoten drin, als hätte ich sie eine ganze Woche weder gewaschen, noch gekämmt. Trotz meiner getönten Tagescreme sah man meine Pickel auf der Stirn und am Kinn. Auch der Concealer hatte es nicht mehr retten können. Über die Stunden hatte er sich verabschiedet, mal wieder kamen meine Sommersprossen raus. Was meiner blassen Haut aber auch nicht viel half. Sie wirkte dadurch nicht gerade gesünder. Die blauen Augen schauten mich nur leer an. Sie waren einfach nur müde und hatten jeglichen Glanz verloren. Aus meinem sonst so strahlenden himmelblau, blieb nur ein matter Schimmer. Mein Gesicht hatte jeglichen Ausdruck verloren. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. An mir war kaum noch was lebensfrohes. Vielleicht lag es auch daran, dass ich einfach nur müde war. Doch es war mehr eine Hülle, als das ich mich als mich selbst fühlte.
"Damn, hast du das Sex Tape von deinem best buddy Mason und Jen gewatched?" riss Avas angeregte Stimme mich aus meiner Trance. Mein Blick wanderte von dem Spiegel zu ihr. Ich versuchte so neutral wie möglich zu bleiben. Denn ich wusste, wenn sie was bemerken würde, wäre das fatal. Ich durfte keiner meiner Gefühle zeigen. Ich musste mich, uns schützen. Auch wenn ich mich versuchte dagegen zu wehren, spürte ich wie langsam wieder alles in mir hochkam. Die Wut, der Riss in meinem Herzen und die Eifersucht. Ungefiltert prasselte all das auf mich ein. Also hielt ich mich kurz. "Hm, ja." "Fuck, das war schon ziemlich hot. Ich gebe es nicht gerne zu, aber sie hat schon eine geile Figur. Die perfekt gemachten Titten und der Arsch. Sie ist ein richtiger Maneater." plapperte Ava schon drauf los. Doch ich hörte ihr nur halbherzig zu. Ich war damit eher beschäftigt mich zurückzuhalten. Meine Emotionen zu unterdrücken. Aber auch nicht den ganzen Laden zusammenzuschreien. "Ihr Körper ist auch nur perfekt, weil er künstlich ist. Mutter Natur hat ihn nicht so erschaffen. Alles nur fake," konnte ich mir dann trotzdem nicht verkneifen. Mir war bewusst, dass meine Stimme vor lauter Neid nur so triefte. "Trotzdem ist sie ein wahrer Männertraum. Kein Wunder bei diesem body, dem Face und dem Lächeln. Sie ist eine ganz schöne Konkurrenz für both of us. Immerhin hat sie den Hottie überhaupt an der Leine. Und nach all dem was ich gesehen habe, scheint es auch mehr als gut zu laufen. Also no worries, sie wird uns erstmal nicht in die Quere kommen" brachte sie an. Ja und genau das war der Punkt. Jen hatte Mason. Sie war mit ihm zusammen. Statt zu antworten, verdrehte ich nur meine Augen und zuckte unbekümmert mit den Schultern. Zumindest tat ich so, denn innerlich sah es ganz anders in mir aus. Innerlich kochte es in mir. Irgendwie schaffte ich es doch meine Gefühle etwas zu zügeln. Ich nahm das Glas Sekt, welches vor mir stand in die Hand. Und starrte ohne eine Miene zu verziehen geradeaus. Doch Ava hörte einfach nicht auf zu schwärmen. Ich war kurz davor ihn ihr über das Kleid zu schütten. Stattdessen nippte ich dran. "Ich wusste, dass Mason gut bestückt ist. Aber so gut. Perfect Match zwischen den beiden. Er weiß ganz genau wie er es einer Frau besorgen kann. Mit seinen fucking geilen Händen, dem dick game. Von seinem verdammten Mund müssen wir erst gar nicht anfangen. Und jetzt haben wir den Beweis." als ich das hörte, hätte ich mich fast an meinem Drink verschluckt. Das hatte Ava jetzt nicht wirklich von sich gegeben? "Wozu dieses Filmchen nur alles gut war. Ich habe es mir bestimmt hundert Mal angeschaut und hatte eine gute Zeit. Really good time. Glaub mir, wenn ich die Chance hätte würde ich mich auch von Mason ficken lassen." Es hörte einfach nicht auf. Ich wollte das ganze nicht hören. Ich wollte nicht hören, wie Ava über meinen Ex, meinen angeblich besten Freund, sprach. Wie sehr sie von ihm und seiner Neuen schwärmte. Doch ich konnte es auch nicht mehr ignorieren. Diese Worte gingen direkt in mein Ohr. Direkt in den Kopf. Mittlerweile hatte ich die Hände zu Fäusten geformt. Auch wenn meine Fingernägel nicht besonders lang waren, bohrten sie sich in meine Haut. Bestimmt hatte ich dort gleich Abdrücke. Gleichzeitig hatte ich Schwierigkeiten meinen Atem zu kontrollieren. Und vor allem fiel es mir schwer, meine Zunge im Zaum zu halten. Ich wollte Ava anschreien, dass sie endlich leise sein soll. Das ich ihren Scheiß nicht mehr hören wollte. Doch ich riss mich zusammen. Schließlich wollte ich vor den ganzen Mitarbeitern keine Szene machen. "Und du? Was ist mit dir? " meinte sie jetzt an mich gewandt. Leicht ertappt, zuckte ich zusammen und richtete den Blick wieder in ihre Richtung. "Was soll mit mir sein?" "Ihr seid BFFs. Würdest du ihn ficken? Oder hattest du schonmal das Vergnügen mit dem kleinen Mason?" Ich konnte nicht anders und starrte sie einfach nur an. Als wäre sie diejenige, die ihren Verstand verlieren würde und nicht ich. "Wenn du so besessen von ihnen bist. Warum fragst du ihn dann nicht selbst? Er wird dir eine passende Antwort geben." zischte ich sie sauer an, dabei war meine Stimme lauter als gewollt. Ich gab dabei mehr Preis als ich wollte. Sofort merkte ich wie mir die Tränen in die Augen schossen. Ob vor Wut oder Eifersucht oder doch weil es einfach zu sehr schmerzte, konnte ich nicht sagen. Schnell schaute ich wieder weg. "Wow, jetzt chill doch mal Chlo- Chlo. Es war doch nur eine Frage. Ich war doch nur neugierig. Calm down." versuchte Ava mich zu besänftigen. Im selben Moment legte ich meinen Kopf in den Nacken und blinzelte ganz oft. In der Hoffnung die Tränen würden schnell verschwinden. "Ich wusste ja nicht, dass du direkt so sensitive bist." "Können wir bitte über was anderes reden?" fragte ich sie stattdessen leicht genervt. Meine Stimme war etwas gefasster, trotzdem konnte ich Ava nicht ansehen. "Warum tickst du gleich so aus? Mason und du, ihr wart doch immer so close. Immer hattest ein rendezvous mit ihm. Hast ununterbrochen von ihm gesprochen. Und jetzt nimmst du noch nicht mal seinen Namen in den Mund. Ist schon weird." hakte Ava voller Neugierde nach. Doch ich zuckte mit den Achseln.  "Nichts ist halt für die Ewigkeit bestimmt." erwiderte ich daraufhin leicht zynisch. Damit umging ich ihre Frage irgendwie, doch beantwortete sie auch. Während ich sprach kniff ich meine Augen zusammen und fixierte Ava. Ich wollte nicht wirklich darüber sprechen, geschweige denn nachdenken. "Ach. Share your secrets. Irgendwas ist da doch bei euch beiden im Busch. Da läuft doch was zwischen euch. Ihr wart unzertrennlich. Und jetzt puff, hört nichts mehr von ihm." Mir war klar, dass sie weiterbohren würde. So war Ava einfach, sie konnte nicht locker lassen. Wahrscheinlich ahnte sie es eh. "Was verdammt möchtest du von mir hören?" rutschten mir diese Worte genervt raus. Meine Stimme war lauter als gedacht. "Fuck ja und wie. Jeden verdammten Tag denke ich an nichts anderes. Doch zwischen uns ist nichts. Nichts mehr." spuckte ich aus. Ich konnte es nicht mehr für mich behalten. Meine Gedanken mussten raus. Trotzdem wollte ich nicht wirklich mehr preisgeben als ich sowieso schon tat. "Wir waren zusammen, doch nie offiziell. Alles immer hinter geschlossenen Türen. Und ich würde mich nichts sehnlicheres wünschen als das wieder zubekommen. Ihn wieder bei mir zu haben. Stattdessen muss ich dabei zusehen wie er seine Alte vögelt." Ich ersparte Ava die Details, trotzdem erzählte ich das nötigste. Vielleicht war es falsch ihr das auf die Nase zu binden. Doch ich kannte Ava, sie hätte es eh irgendwann erfahren. Denn sie würde so lange nachforschen bis sie von uns wusste. Natürlich hatten wir immer alles dafür getan, das was zwischen uns war geheim zu halten. Dennoch hatten es auch andere Menschen geschafft, die Dinge über uns zu erfahren. Es war also egal ob sie es von mir wusste, oder ob sie es selber herausfinden würde. Tatsächlich hatte ich es geschafft. Ava schwieg. Zwischen uns herrschte eine angenehme Stille. Zwar dauerte diese nicht lange an. Prompt ertönte ihre Stimme wieder in meinen Ohren. Dennoch war sie für einige Sekunden still. Anscheinend hatte sie nicht wirklich damit gerechnet, denn sie zog überrascht ihre Augenbrauen hoch. Die braunen Augen wurden ganz groß und die Lippen formten sich schließlich zu einem wissenden Lächeln. "Girl! Du kleine Bitch. Du hast dir den Herzensbrecher gekrallt. You didn't even say a word. Fuck ist das geil." erwiderte sie lachend. Dabei griff sie nach meinem Arm und grinste mich an. "Spill the tea." forderte sie mich auf. Doch ich war nicht in der Stimmung dieses Thema zu vertiefen. Ich hatte schon zu viel gesagt. Außerdem wollte ich endlich diesen großen Kloß in meinem Hals loswerden. Dieses dumpfe Gefühl sollte verschwinden, wenn ich darüber sprechen musste. Schon hatte ich bereut, es ihr erzählt zu haben. "Zwischen uns läuft rein gar nichts mehr. Da gibt es nichts mehr zu reden. Das Thema ist für mich durch. Diese Beziehung hat alles kaputt gemacht. Wir sind noch nicht mal mehr Freunde." Zum ersten Mal sprach ich laut aus, dass zwischen Mason und mir keine Verbindung oder irgendeine Beziehung herrschte. Das wir mehr Bekannte waren als alles andere. Oder das ich diesen Gedanken überhaupt fasste. Diese Worte auszusprechen fiel mir mehr als schwer. Ich brachte sie kaum über die Lippen, jedoch wusste ich mir nicht anders zu helfen. Ich musste Ava und ihre Neugier einfach blocken. Auch wenn meine Gefühle in mir tobten, durfte ich mir nichts anmerken lassen. Der Schmerz durfte nach außen nicht durchblitzen. Die Tränen musste ich zurückhalten. Denn wenn ich das zulassen würde, würde ich mal wieder zusammenbrechen und in ein tiefes Loch versinken. Außerdem hatte ich sowieso schon zu viel durchblicken lassen. Ava hatte schon zu viel von meiner verletzlichen Seite gesehen, ich hatte ihr schon zu viel erzählt. "Ach komm. Ich wette deine Mutter Theresa Freundin, kennt all die kleinen schmutzigen Details." versuchte sie mich zu überzeugen. Langsam schüttelte ich den Kopf. "Das was zwischen uns war ist Geschichte. Ich kann einfach nicht darüber reden Ava. Es geht nicht. Ich darf es auch nicht." Das war noch nicht mal ganz gelogen. Ich hatte schon viel zu viel gesagt und sollte darüber auch nicht mehr reden.  Aber vor allem weil ich Ava nicht wirklich vertraute. Früher oder später würde sie so eine Information gegen mich verwenden. Ob öffentlich oder nicht. Daran änderte auch ihr genervtes Zungenschnalzen nichts. "Good for you, das andere Mütter auch fucking geile Söhne haben." zog sie mich nun grinsend auf. Natürlich fehlte Ava jedes Mitgefühl. Natürlich tat sie so, als hätte ich ihr nicht gerade von meiner großen verlorenen Liebe erzählt. Doch genau aus diesem Grund saßen wir beide hier zusammen. Ich wollte nicht mehr, dass die Menschen die ich liebe mich anders behandeln. "Stimmt." meinte ich und täuschte ein Lachen vor. Meine Stimmung war immer noch betrübt. "Und ein hotter Sohn wird es dir heute ganz besonders besorgen. Glaub es mir, Chlo-Chlo."

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