Zweiunddreißig

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Chloé

Während die schwarze Limousine am Straßenrand zum Halten kam, schaute ich durch die verdunkelten Scheiben und sah die vielen Menschen, die sich um das Gebäude herum bewegten. Doch viel Zeit zum Umschauen blieb mir nicht. Umgehend wurde die Tür von Außen auf gemacht nacheinander aus. Mark verließ gefolgt von meiner Mutter und Schwester der erste, der den Wagen verließ. Ich war die letzte von uns fünf die den Boden betrat und sich von der sicheren Umgebung ins Getümmel trat. Langsam wurde ich unruhig, da war erneut diese innere Anspannung in mir. Auch wenn ich in der letzten Stunde entspannter und deutlich besser gelaunt war, machte sich das Gefühl von Unbehagen in mir breit. Anscheinend spürte Brad es oder erinnerte sich daran wie nervenaufreibend es für mich war. Denn er lächelte mir aufmunternd zu und hielt mir geduldig seinen Arm hin. Sofort hakte ich mich bei meinem Bruder ein und gemeinsam kamen wir dem dem alten, aber ebenso imposanten Gebäude näher. Wir befanden uns vor der Gotham Hall, in der die Charity Gala mit gleichzeitigem Essen stattfand.  Wenn man direkt vor dem Haus stand, wirkte es etwas klein. Doch sobald man hochschaute, sah man die runden weißen Steinsäulen hinter denen sich drei riesige Fenster versteckten. Schon öfter war ich hier zu Events eingeladen wurden, doch immer wieder beeindruckt von der Architektur des Gebäudes. Es war an die römische Architektur angelehnt und einer der ältesten Gebäude, welches zuvor als Bank diente,  im Greenwich Village.  Ebenso großzügig ging es im Inneren weiter. Die ehemalige Bankhalle wurde zum glamourösen Ballsaal umfunktioniert, wobei sie ihren römischen Charme nicht verloren hatte. Die Kuppel über den Ballsaal bestand aus einzelnen Fenstergläser.
Wie zu erwarten war noch mehr Trubel um den kurzen roten Teppich, der auf dem Gehweg vor dem Gebäude lag. Obwohl der Teppich violett war, standen einige Reporter mit Kameras und Mikrofonen am Rand. Vor uns liefen einige bekannte Leute zum Gebäude, der ehemalige Bürgermeister von Manhattan mit seiner Familie, unter anderem auch einer der Erben der Vanderbilt. Ich beobachtete sie dabei wie sie über den Teppich durch das Blitzlicht Gewitter schritten. Ich hörte wie ihre Namen gerufen wurden. Zeitgleich hielt ich inne und blieb neben Brad stehen. Schließlich genoss ich den kurzen Moment in dem wir unentdeckt blieben. Als hätte ich es geahnt. Anscheinend wurden wir auch schon gesichtet, sofort wurde die Aufmerksamkeit auf uns gelenkt. Ich atmete die lauwarme Sommerluft tief ein, schloss dabei meine Augen und wünschte mir nicht hier zu sein. Als ich sie wieder öffnete, war sofort Brad in meinem Blickfeld. Er schaute mich erwartungsvoll an und forderte mich mit einem erneuten kleinen Lächeln auf, ihm zu folgen. Ich wusste, ich konnte mich davor nicht drücken. Ich musste einfach dadurch. Also setzte ich mich in Bewegung und augenblicklich blitzen sie mich mit ihren Kameras ab. Sie blendeten mich dabei so sehr, dass es mir schwer fiel meine Augen nicht zusammenkneifen zu müssen. Eigentlich sollte ich mich inzwischen dran gewöhnt haben, trotzdem dauerte es einen Augenblick bis ich mein Dauergrinsen auf den Lippen trug. Wenngleich ich mir die größte Mühe gab, dass es auch meine Augen erreichte. Ich hörte wie sie meinen Namen riefen. Zunächst dumpf, doch je näher ich ihnen war desto klarer waren die Stimmen. Lächeln. Winken. Nicht die Augen zusammenkneifen. Stehen bleiben. Posieren. Atmen. Aber nicht zu viel Atmen. Nicht zu viel Grinsen. Das und noch viel mehr ging mir durch den Kopf.

Hinter Brad passierte ich den Eingang ins Gebäude durch die große doppelte Türe. Sobald ich mich im Foyer befand, atmete ich kaum hörbar auf. Endlich hatte ich den anstrengenden Teil hinter mir. Ich hatte die ganzen Reporter, Fotografen und Fragen hinter mir gelassen. Für sowas hatte ich heute keinen Nerv. Das fühlte sich wie in einem Film an, bei dem ich nur Zuschauer war. Immer wieder fragte ich mich wann es normal für mich sein würde den roten Teppich ohne pochenden Herzen zu überstehen. Ohne Angst vor den Fragen zu haben, die ich diesmal zum Glück recht souverän gemeistert hatte. Fast mein ganzes Leben stand ich im Mittelpunkt, wurde ich von dem Blitzlicht genervt und musste Fragen beantworten. Aber ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt. Vor allem in letzter Zeit ist es schlimmer geworden. Je mehr Menschen meinen Namen kannte, desto schlimmer wurde es. Mason habe ich immer dafür bewundert wie spielend leicht er mit den Kameras umgehen konnte. Wie sehr sie ihn einfach liebten, wie einfach es für ihn war. Natürlich hatte er dieses Lächeln perfektioniert. Dieses Million Dollar Smile wie man so schön sagt.  Erneut schlich er sich unwillkürlich in meine Gedanken, er sollte nicht in meinem Kopf rum spucken. Ich musste ihn einfach los werden. Glücklicherweise wurde ich sofort abgelenkt. Eine kleine Hand griff nach meiner. Ich musste nicht nach unten blicken, um zu wissen das es Sophie ist. "Hey Große." flüsterte ich ihr leise zu und schaute gleichzeitig an meinem Arm herunter. Mich schauten ihre eisblauen Augen unsicher an. "Sind wir endlich fertig mit den Fotos?" fragte sie mich leise, ihre Stimme klang hoffnungsvoll und schüchtern. Erst jetzt wurde mir bewusst wie es für meine jüngere Schwester sein musste, wenn selbst ich kaum damit klar kam. Natürlich war sie scheu, wenn nicht sogar ängstlich. In den ersten Jahren war ich genauso überwältigt gewesen wie sie. Ich erinnerte mich noch gut daran. Meistens war es einfach nur schrecklich.  "Ja sind wir, Süße." erwiderte ich nur zuversichtlich und strahlte Sophie an. "Jetzt kommt nur noch der langweilige Teil und das Essen." "Gibt es Eis? Oder Kuchen?" fragte sie mich sehnsüchtig, woraufhin ich nur lachend mit den Schultern zuckte. "Wenn nicht, dann bin ich sauer. Der blöde Teppich und die blöden Menschen die irgendwelche Namen rufen." erwiderte sie daraufhin. Und ich grinste sie an. ""Falls es kein Eis geben sollte, geben wir dir eins aus. Wir kennen da ein ziemlich geniales Lokal das hat rund um die Uhr auf." ertönte die Stimme von unserem Bruder  vor uns. Er ist stehen geblieben und hatte sich zu uns rumgedreht. Grinsend zwinkerte er ihr zu. "Wo ist Mum?" meinte ich an Sophie gewandt. Doch diese zuckte nur mit den Achseln. Für einen kurzen Augenblick stutzte ich. "Bist du alleine gelaufen?" hakte ich nach. Zunächst wechselte ich einen Blick mit Brad, ehe ich wieder zu Sophie schaute. Er sah genauso ungläubig aus wie ich. "Nein, also ja.. ich habe Mama an der Türe verloren. Sie hat sich unterhalten und ich bin weitergegangen. Dann habe ich euch gesehen." Ich merkte wie mir die Wut in den Bauch stieg. Wie konnte sie unsere neunjährige Schwester aus den Augen lassen? Vor allem wenn so viele Menschen hier waren. Und sie musste gerade was von Verantwortung reden. Ich konnte nicht anders und stieß einen wütenden Laut aus. "Was? Wie konnte sie das nur tun?" meinte ich aufgebracht an Brad. "Ich verstehe es auch nicht, Chloé." "Das kann doch nicht wahr sein! Was wäre wenn sie uns nicht gefunden hätte? Fuck, es ist ihr verdammtes Kind. Aber das sieht ihr ja mal wieder ähnlich, Hauptsache Publicity." machte ich meinem Ärger Luft und merkte erst, wie unpassend es war so vor Sophie zu sprechen als sie mich mit glasigen Augen anschaute. "Nicht sauer sein, Chloé." sprach sie leise zu mir. "Sie hat es nicht extra gemacht. Ich habe einfach nicht aufgepasst." "Nein. Du hast nichts falsch gemacht." ich kniete mich vor ihr und zwang sie mich anzusehen. "Ich bin nicht sauer auf dich. Aber das was Mum gemacht hat, war nicht richtig. Es hätte dir was passieren können." fuhr ich fort, diesmal war meine Stimme sanfter. Normalerweise passierte mir es nicht, dass ich vor Sophie schlecht über unsere Mutter sprach. Doch für heute reichte es mir. Meine kleine Schwester hatte ein schlechtes Gewissen, suchte Entschuldigungen für sie obwohl sie Sophie verloren hatte. "Komm wir suchen sie." schlug Brad vor, der mittlerweile neben uns getreten ist. Und lenkte so vom Thema ab. Natürlich wollte er meinen Ärger schlichten. "Wir sprechen mir ihr, aber nicht hier. Ich werde ihr etwas dazu sagen." meinte er nun leiser an mich gewandt und ich nickte. Dabei versuchte ich meine Wut runterzuschlucken. Ich suchte die Eingangshalle mit den Augen ab. Doch hier befanden sich vielen Menschen, die darauf warteten in den Saal reingelassen zu werden. Die meisten unterhielten sich miteinander. Nach kurzer Zeit fanden wir sie. "Ich hab sie. Kommt wir gehen zu Mark und Mum." sagte ich an die beiden gerichtet und zusammen durchquerten wir den Raum. Doch meine Wut war nicht verflogen, ich konnte sie nicht runterschlucken. je näher wir kamen, desto wütender wurde ich. Es fiel mir schwer die Ruhe zu bewahren. Am liebsten hätte ich ihr meine Meinung gesagt. Doch kurz bevor wir bei den beiden ankamen, stellte sich eine junge Frau mir in den Weg. Ich musste anhalten, ansonsten hätte ich sie umgerannt. "Emily von Big Apple News, hast du kurz Zeit für ein paar Fragen?" sofort hielt sie mir ihr Mini Mikrofon unter die Nase. Ich konnte nicht anders und verdrehte die Augen. Das fehlte mir auch noch. "Ich dachte hier sind keine Journalisten zugelassen," erwiderte ich nur grimmig, mein Blick war immer noch hart. Obwohl ich weder von der Frau, noch von dem Magazin etwas gehörte hatte war ich mir sicher, dass sie eine Journalistin war. "Wir haben eine Genehmigung um exklusiv zu berichten. Wir sind ein Start-up Magazin. Brand neu." erklärte sie mir stolz. Während ich wenig beeindruckt eine Augenbraue hochzog.  "Also?" Zunächst wollte ich verneinen, doch meine Mutter kam in meinem Blickwinkel. Sie nahm mit mir Blickkontakt auf und nickte ermahnend. Ihr Blick war genauso starr wie meiner. Sie wusste es. Ich hätte es ahnen müssen.  Natürlich wollte ich ihr den Gefallen nicht tun, ich hatte es schon oft genug heute getan. Erst Recht nicht nach der Sache. Doch sie kam auf uns zu und umfasste meine Schultern. In diesem Moment wollte ich nichts lieber als ihre Hände abzuschütteln. "Selbstverständlich steht meine Tochter ihnen für ihre Fragen bereit." antwortete sie für mich lächelnd. Sie klang so verdammt freundlich. Also blieb mir keine andere Wahl als lächelnd zu nicken. "Liebend gerne." meinte ich nur ironisch. "Ich muss nur schnell noch meine kleine Schwester in Sicherheit bringen." Schnell nahm ich Blickkontakt zu Brad auf und überreichte ihm Sophie. Sobald ich mir sicher war, dass er unsere kleine Schwester in Empfang genommen hatte widmete ich meine Aufmerksamkeit wieder dieser Emily zu. Ich zog eine Augenbraue hoch und drehte den Kopf wieder zu ihr. "Wie ich gehört habe, hast du heute Geburtstag. Erstmal happy birthday. Warum bist du hier und feierst nicht deine eigene Party? Schließlich bist du ja jetzt süße 18. Und als das New Yorker It- Girl bekannt." auch wenn die Stimme herausfordernd klang, verlor sie ihr Lächeln nicht. Wir fangen also einfach an. "Nun ja, es gibt manchmal wichtigeres als die größte Party zu schmeißen. Immerhin sammeln wir hier Geld, viel Geld für einen guten Zweck ein. Dann kann das älter werden auch mal hinten anstehen. Ich denke, ich werde nach dem offiziellen Teil meinen Geburtstag noch feiern." Dann machte ich eine Handbewegung zu meiner Familie, die mittlerweile beieinander standen. "Außerdem verbringe ich ja einen schönen Abend mit meiner Familie." Dieser Satz war ironischer gemeint als er aussah. Jedoch war ich professionell genug um meinen Ärger nicht durchblicken zu lassen. Und es mit einem Lächeln zu kaschieren. Ich beantwortete eine Frage nach der anderen. Sie fragte mich über das Kleid aus, über meinen Dad der in London war und ob ich auch in seine Fußstapfen treten wollen würde. Immer wieder sah ich den prüfenden Blick meiner Mutter auf mir ruhen, doch ich ignorierte ihn gewisslich. "Momentan hast du keinen festen Freund, schon lange ist da niemanden an deiner Seite. Bist du bereit dich wieder zu verlieben?" ich schluckte gleichzeitig ahne ich was kommt. Und ich merkte wie sie alles in mir zusammenzog. Mein gesamter Körper spannte sich an. "Man sieht dich immer wieder in Clubs oder auf verschwenden Events mit Shawn Miller feiern. Wöchentlich lasst ihr zusammen die Sau raus dabei wirkt ihr oft ziemlich vertraut. Verschiedene Quellen haben euch beim rumknutschen gesehen, was ist da dran?  Wir haben sogar Aufnahmen von euch beiden gesehen." sie machte eine kurze Pause, ehe sie weiter bohrte. "Seid ihr ein Paar, stellst du ihn uns bald als deinen neuen Freund vor?" fuhr sie fort und mir entwich die Luft aus meinen Lungen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich nicht geatmet hatte. Denn ich hätte nicht gewusst, ob ich so entspannt geblieben wäre, wenn sie nach Masons statt nach Shawns Namen gefragt hätte. Nun lachte ich auf. "Nein." ich schüttelte den Kopf. "Wir sind nur Freunde, die zusammen gerne feiern gehen und Spaß haben. Wir sind nicht zusammen." wich ich Emilys Frage ein wenig aus. Doch es war nicht gelogen. "Laut Augenzeugen sieht man euch immer wieder mit viel Alkohol und verschieden illegalen Substanzen, was sagst du dazu?" fragte sie nach. Natürlich kam diese Frage. Nachdem wir auf Secrets immer mal wieder abgelichtet wurden, blieb das nicht aus. "Wir sind jung und naiv. Auch wenn es so aussieht, waren es nie unsere Drogen. Wir haben sie nie konsumiert. Wir haben uns nur mit Leuten abgegeben, die sie nehmen." ich leugnete es. Natürlich leugnet ich es, ich musste es tun. Auch wenn die Bilder etwas anderes sagen, aber ich konnte es ja schlecht zugeben. Schließlich musste ich den Ruf der Familie wahren, wie meine Mutter immer so schön sagt. Trotzdem wunderte es mich ein wenig. Denn ich hatte damit gerechnet, dass das Team der Rechtsabteilung meiner Mutter die Fotos schon löschen gelassen haben. An Emilys Gesicht erkannte ich, dass sie mir ebenso wenig glaubte wie ich die Wahrheit sagte. Doch das war nicht mein Problem, ich wollte das Ganze nur hinter mich bringen. "Sind wir fertig?" fragte ich ungeduldig. "Eine letzte Frage, Chloé. Du bist ja mit dem Schauspieler Mason Kingston befreundet. Von klein auf seid ihr die besten Freunde und euch wurde auch schon mal eine Affäre nachgesagt. Jetzt ist er mit Jenna Hamilton in einer Beziehung. Spill the tea. Wie läuft es zwischen den beiden?" Sie schluckte, dabei schaute sie mir prüfend ins Gesicht. Doch überraschenderweise regte ich mich nicht. Auch nicht als sie seinen Namen aussprach. "Denn laut Insidern zufolge, bist du nicht mehr mit Mason befreundet und Jenna soll der Grund sein. Man sieht euch nicht mehr zusammen in der Stadt oder auf Events. Du sollst eifersüchtig auf die beiden sein." ich war gerade dabei meine Haare zurückzustreichen und stockte in meiner Bewegung als sie das ausgesprochen hatte. Mit großen Augen schaute ich mein gegenüber an. Jetzt war ich doch entsetzt. Woher wusste sie davon? Wer hat geplaudert? Zweifellos wollte sie mich provozieren, mehr über das Thema wissen und alles aus mit heraus kitzeln. Jedoch hatte ich mir fest vorgenommen nichts preiszugeben. Schnell bekam ich wieder meine Fassung. Ich erhielt wieder mein aufgesetztes Lächeln. "Wie du in jeder Klatschzeitung lesen kannst, läuft es ziemlich gut zwischen den beiden. Wenn sie den Rest privat halten wollen, sollte man das auch respektieren." ich machte eine Pause um zu schlucken. Ich sagte diesen Satz nicht um sie zu schützen. Sondern um mich zu schützen. Ich wollte nicht darüber reden. Nicht hier, nicht jetzt, niemals.  "Wir konzentrieren uns auf unseren Abschluss da bleibt nicht mehr viel Zeit für Freizeit. Vor allem Mason hat viel zu tun. Wie du wissen solltest, hat er die Hauptrolle in dem neuen Marvelfilm ergattert und muss dafür üben. Es ist auch nicht immer so wie es aussieht." Inzwischen klang ich ziemlich genervt. Neben der Tatsache, dass sie Recht mit ihrer Vermutung hatte, wollte ich nicht mehr über Jen und Mason nachdenken. Sie sollten nicht mehr in meinem Kopf sein, erst Recht nicht wollte ich über sie sprechen. Mich nervte die ganze Sache sowieso schon. "Und ich wünsche den beiden alles Glück der Welt." wieder triefte der Satz nur vor versteckter Ironie. "Also versteh.." "Wenn du mich entschuldigen würdest, die Verleihung fängt an." ohne auf ihre Antwort abzuwarten, drehte ich mich um und ging davon. Von Brad, Sophie und den anderen war keine Spur mehr zu sehen. Anscheinend waren sie auch schon auf ihren Plätzen. Im allgemeinen hat sie die Lobby ganz schön geleert. Nur noch wenige Leute gingen umher, die sich auch auf den Weg in den Saal machten. Genauso wie ich. Als ich den großen Raum betreten hatte suchte ich meinen Platz. In der Mitte des schwachbelichteten Raumes standen in einem Kreis die gedeckten Tisch. Auf jedem Tisch standen Blumen und jeweils drei Lampen, drumherum standen acht Stühle. Sie waren rund, sodass jeder auf die Bühne schauen konnte. An der rechten Seite befand sich die Bar, gegenüber davon eine zweite. Ich schaute nach oben an die Decke. Mal wieder war ich von dem gigantischen Kronleuchter überwältigt, der von der Kuppel hing. An sich hatte dieser Saal etwas besonderes. Mir gefiel es hier sogar. Die Wände waren nicht tapeziert und waren aus den gleichen Steinmauern wie außerhalb. Durch die Kuppel mit den bunten Scheiben, verabschiedeten sich die letzten Sonnenstrahlen in verschiedenen Farben. Blaues Licht wurde an die oberen Wände projiziert. Die Steinsäulen um die Empore herum auf der zweiten Ebene. Wie gesagt, hatte dieses Gebäude seinen Charme. Als ich mich wieder auf die Menschen um mich herum konzentrierte, sah ich ihn. Natürlich musste ich ihn über den Weg laufen. Masons Perfektion strahlte mich nur so an. Ebenso seinen maßgeschneiderte schwarzen Anzug. Das weiße Hemd, bei dem er die ersten Knöpfe aufgeknöpft hatte, sodass sich einige Brustmuskeln abzeichneten. Warum musste dieser Kerl so perfekt sein? Ihm stand es so gut. Anscheinend hatte er sich die Haare frischen schneiden lassen. Denn sie waren kürzer als sonst, ordentlicher und standen nicht mehr in alle Richtungen ab. Stattdessen trug er einen Seitenscheitel. Er stand da mit den Händen in den Hosentaschen und unterhielt sich mit einem Mann, der mir nicht bekannt vorkam. Doch ich hatte eh nur Augen für Mason. Fuck, warum zog er mich immer noch so in den Bann? Vor allem nach dem was ich heute erlebt hatte? Mason lachte. Die strahlend weißen Zähne kamen zum Vorschein und die Mundwinkel hoben sich an. Seine kleinen Grübchen traten hervor. Das machte ihn noch attraktiver. Es dauerte nicht lange, da hatte er mich auch entdeckt. Für einen Moment lang hielten wir Augenkontakt. Sein Lächeln vertuscht für einen Moment als wir Augenkontakt hatten. Doch ich war wie erstarrt. Wie angewurzelt blieb ich stehen. Warum war das so verdammt komisch? Masons Blick veränderte sich. Zunächst musterte er mich besorgt, als müsse er sichergehen, dass es mir gut geht. Dann verzog er seinen Mund erneut zu einem Lächeln. Ich hörte mein Herz laut pochen. Und es wurde nur noch schneller als er sich in Bewegung setzte. Er wandte seinen Kopf ab, sprach zu dem Mann und klopfte ihm auf die Schulter. Ich beobachtete Mason dabei, wie er nun auf mich zukam. Erneut konnten wir die Augen nicht voneinander nehmen. In meinem Kopf ratterte es. Mir schossen so viele Sachen durch den Kopf. War er alleine? Wo ist Jen? Sind sie wirklich zusammen? Möchte Mason sich entschuldigen? Ich wollte seine Nähe spüren, ich wollte Mason bei mir wissen. Ich wollte ihn berühren. Meine Lippen leidenschaftlich auf seine legen. Und mir endlich diesen verdammten Geburtstagskuss abholen. Jetzt hatte ich diese Bilder in meinem Kopf.  Auf einmal war da diese Sehnsucht die ich spürte. Sie war größer als je zuvor. Mein Ärger war auf einmal wie weggeblasen. Ich wollte ihm verzeihen, einfach nur um seine Haut auf meiner zu spüren. Unsere Münder aufeinander. Sein Atmen auf meiner Hand. Die Finger, die sich miteinander verschränkten. Seine Arme, die sich beschützend um meinen Körper legten. Doch je näher Mason kam, desto klarer war mir das es falsch war. Ich konnte das einfach nicht. Denn das würde nie passieren, nicht vor all diesen Menschen. Ich konnte Mason nicht nahe sein ohne  ihn nicht berühren zu dürfen. Nicht vor diesen ganzen Menschen. Mittlerweile stand Mason keine zwei Meter von mir weg. Wir waren uns so nah, dass ich die Stoppeln seines Dreitagebart sehen konnte.  Doch ihm so nah zu sein war unerträglich. Erneut rauschte das Blut laut in meinen Ohren. Mein Herzschlag ging ins unermessliche und in meinem Kopf dröhnte es. Sofort wusste ich was das zu bedeuten hatte.  Ich musste weg. Weg von den Menschen, dem Lärm. Weg von Mason. Langsam setzten meine Füße sich in Bewegung. Ich konnte das nicht. Der Schmerz kam zurück. So sehr ich versuchte das alles zu unterdrücken gelang es mir nicht, diese Gefühle waren stärker als mein Wille. Obwohl ich spürte wie mir die Tränen runterliefen, konnte ich meine Augen nicht abwenden. Ich sah Mason kaum noch, der Blick war verschwommen. Trotzdem sah ich wie er mich verdutzt anstarrte. Er öffnete die Lippen um etwas zu sagen. Doch die Worte hörte ich nicht. Es ging alles relativ schnell. Anstatt zu meinem Platz zu gehen, schlug ich die andere Richtung ein. Lief ich aus dem Saal raus. Während ich durch die Tür ging, wischte ich mir die Tränen weg. Sobald  ich den Raum verlassen hatte, fiel irgendwie eine Last von mir ab. Ich war erleichtert. Denn ich  konnte mal wieder fliehen und konnte entkommen. Statt sich Mason, meinen Gefühlen und der Situationen zu stellen floh ich. Mal wieder. Ich schob es auf die Prinzipen meiner Mutter und das ich diese nicht brechen wollte. Ich wollte kein Aufsehen erregen. Vor allem nichts negatives. Natürlich war dem nicht so. Das wusste ich insgeheim auch. Im Grunde war es mir scheiß egal, was sie dachte. Ich war egoistisch und dachte nur an mich.   Als ich in der Lobby ankam, lief ich einem Paar in die Arme. Der Typ kam mir bekannt vor, zu bekannt. Shawn. Er hatte mir gerade noch gefehlt. Ziemlich schnell kam es mir in den Sinn, Shawn konnte doch ziemlich nützlich sein. Vielleicht sogar meine Rettung. "Hey." meinte ich atemlos zu ihm. Leider hörte sich meine Stimme brüchiger an als gewollt.  Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter, in der Hoffnung das die Tränen schon getrocknet sind. "Puppe." erwiderte er nur grinsend, dabei klang er nicht so spaßend wie sonst. Er schäkerte nicht. Meine Augen streiften kurz neben ihn und dann wurde mir klar warum Shawn nicht so war wie sonst. Umgehend sah ich seine Hand an dem unterem Teil ihres Rückens, die nun zur Hüfte fuhr. Shawn legte seinen Arm demonstrativ um sie herum. Sie standen dicht beieinander. Die junge Frau war zurecht gemacht mit ihrem dunkelblauen langen Kleid. Ich konnte nicht anders und musterte sie. Die Unbekannte hatte ein schönes Gesicht, die hohen Wangenknochen, die großen grünen Augen die durch die dichten Wimpern schauten und dazu die zierliche Stupsnase.  Die vollen Lippen zierte ein roter Lippenstift. Trotz der kleinen Grübchen war mir sicher, dass sie ein wenig älter ist als wir. Die langen vollen Haare rahmten das Gesicht ein. Sie trug Curtain Bangs mit einem Stufenschnitt. Die Sanduhrenfigur war nahezu makellos. Kurz gesagt man konnte nur neidisch auf sie werden. Meine Augen wanderten wieder zu Shawn. Er hatte ein Date. Mit ihr. Zwar wunderte es mich nicht, dennoch war ich überrascht damit hatte ich nicht gerechnet. "Ich brauch dich einen Moment." schoss es aus mir heraus. Statt auf seine Antwort zu warten, packte ich Shawn am Arm. Ein letztes Mal warf er der Brünetten einen Blick zu. "Warte am Platz auf mich, Baby. Ich komme nach." Dann ließ er sich mit mir ziehen. 


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