Zwanzig

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"Mach dir keine Gedanken, Chloé. Hauptsache dir geht es gut, der Rest ist Nebensache." brach Mark das Schweigen am Tisch. Zwischenzeitlich legte er sein Besteck Ordnungsgemäß hin und lächelte mir aufmunternd zu. Dann zeigte Mark mit dem Zeigefinger auf meinen Arm, der immer noch in seinem Verband war. Zusammen mit ihm und meiner Mutter saß ich beim Abendessen am gedeckten Tisch. Die Muscheln auf meinem Teller starrten mich an. Doch ich rührte sie nicht an. Ich hatte keinen Appetit. Brad hatte ein Date mit Sarah und Sophie war noch beim Ballett. Also hatte ich die Ehre alleine mit den beiden- vor allem mit meiner Mutter. Ich sah die zwei zum ersten Mal an diesem Tag. Als ich aufstand und mich in der Früh zur Schule fertig gemacht habe, waren sie schon auf der Arbeit. Trotz Kater schleppte ich mich durch den Tag. Den ganzen Tag über war von Mason weit und breit nichts zu sehen. Außer auf meinem Handy. Er schrieb mir mehrere Male. Ob es sei schlechtes Gewissen oder die Sorge um mich war, konnte ich nicht beurteilen. Doch ich antwortete auf keine seiner Messages. 
Den ganzen Tag graute es mir vor dem Abend. Doch es war Pflicht hier zu erscheinen, sonst traf mich ihre Wut nur noch schlimmer. Die letzten dreißig Minuten, die ich hier schon verbrachte, strafte sie mich schon mit Schweigen. Ledig ihren wütenden Blick widmete sie mir. Jetzt schaute ich zu dem Lebensgefährten meiner Mom rüber und zwang mich zu lächeln. "Ja.. danke, es geht schon. Zum Glück war die Wunde nicht so tief."  Anschließend nahm ich das Glas Weißwein vor mir in die rechte Hand und nippte daran, ehe ich es wieder an seinen Ort stellte. "Tze." stieß sie nur einen abfälligen Ton aus und schon richteten alle Blicke sich auf sie. "Charlotte, es war nur ein Tisch. Sei froh, dass deiner Tochter nichts weiteres passiert ist. Wie sagt man so schön, du hattest Glück im Unglück." versuchte Mark sie ruhig zu beschwichtigen. Sanft legte er eine Hand auf ihren Arm, der auf dem Tisch lag. Ich beobachtete diese Geste genau. Damit wollte er sie beruhigen. Ich schätze seine Bemühungen, auch seinen Versuch mich zu beschützen. Doch ich kannte Charlotte besser als er. Denn im nächsten Moment schüttelte sie seine Hand ab, indem sie nach der Weinflasche griff und sich neu einschenkte. Sofort nahm sie einen riesigen Schluck. "Ja, einen zwanzig Tausend Dollar Tisch aus Ägypten Handgefertigt. Ein Unikat." kommentierte sie abfällig. "Wenn es dir darum geht kaufe ich dir einen neuen Tisch, mein Liebling."  versuchte Mark immer noch die Wogen zu glätten. "Aber wie schon erwähnt. Wir sollten froh sein, dass es Chloé gut geht und der kleine Kratzer an ihrem Arm verheilt auch." Während mein Gegenüber sprach, schaute Mark meine Mutter an. Doch sie starrte nur stur geradeaus. Ich räusperte mich, ehe ich sprach. "Mom, sorry mit deinem Tisch. Es war nicht meine Absicht, nur es war so dunkel."  das war noch nicht mal gelogen. Mir tat es leid, dass ich in ihren Tisch gefallen bin. Doch das war auch das einzige an dem Abend. Auch wenn es nur einer der Dinge war, an denen ich mich nur noch schwammig erinnern konnte. Vielleicht war das auch besser so.  Während ich sprach, zwang ich mich erneut sie anzusehen. Schnell traf mich ihre fuchsigen Augen. Ihr blau war giftig und zornig zugleich. Am liebsten wollte sich mich wahrscheinlich umbringen, zu mindestens bestrafen. Zwar hatte ich keine Angst vor ihr und ich wusste auch, dass sie mir nichts tun würde. Abgesehen von den verletzenden Worten. Trotzdem konnte ich diesen Blick nicht lange standhalten. Schnell senkte ich meinen Blick und schaute auf meinem unberührten Teller. Daraufhin hörte ich meine Mutter trocken Lachen. "Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?" stellte sie diese rhetorische Frage. Doch ehe ich überhaupt nachdenken konnte, sprach sie aufgebracht weiter. "Ihr denkt, es geht hierbei um den verdammten Tisch? Nein, Mark. Es geht um das unverschämte Verhalten meiner Tochter, was absolut daneben ist." Im gleichen Moment knallte sie verärgert das Glas auf dem Tisch, sodass der edle Tropfen hin und herschwappte, sodass es jeden Moment überlaufen konnte. Ein Wunder, dass es nicht zerbrochen ist. Die Stimme war laut. Laut und aufgebracht. "Erst muss sie ihren Rausch ausschlafen, verpasst somit den Empfang. Und dann bricht der nächste Skandal über uns her. Weil es unserem Partymäuschen zu langweilig war, verschwindet sie einfach so von dem Event. Diese wichtige Spendengala. Du präsentierst mittlerweile nicht nur dich meine Liebe, sondern auch meine ganze Firma. Unsere ganze Firma! Weißt du wie es aussieht, wenn die Repräsentantin einfach einen Abgang macht? Du musstest nur diesen einen Preis übernehmen müssen, mehr nicht. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt oder doch?" "Hast du mich jemals danach gefragt ob ich das möchte oder nicht? Nein." argumentierte ich dagegen. Natürlich war das gestern nicht wirklich die feine englische Art von mir gewesen. Doch es ging einfach nicht anders. Ich konnte das nicht aushalten. Der Saal war zu klein, die Luft zu dünn und Mason mit Jen zu nah. Wieder lachte meine Mutter sarkastisch auf. "Denkst du ich wurde mein Leben lang gefragt ob ich das möchte?" Sie machte eine kurze Pause und schüttelte mit dem Kopf. "Wenn man in so eine gut situierte Familie reingeboren wird, muss man Verantwortung tragen. Und somit auch Pflichten erfüllen. Und ich hatte gedacht, dass du das mittlerweile kannst. Das du den Aufgaben gewachsen bist. Aber nein, zu guter Letzt flüchtest du dich in den nächsten Club und betrinkst dich, tanzt mit fremden Kerlen und machst mit ihnen rum. Wer weiß was du sonst noch genommen hast. Langsam reicht es mir mit dir echt! Weißt du überhaupt in welchem Licht wir wieder wegen Dir stehen? Goodwell hat ihre Tochter nicht im Griff oder Die Kronprinzessin New Yorks mit dem Drogenproblem, sind nur einige Schlagzeilen. Zuhause kommst du sturzbetrunken an und fällst hin. Vielleicht hättest du dir etwas tun sollen, dann hättest du den Ernst der Lage vielleicht auch begriffen. Ich dachte du bist bereit diese Verantwortung zu tragen... aber da habe ich mich wohl in dich getäuscht. Feiern und dich betrinken, ist das was du am besten kannst." je länger dieser Monolog ging, desto wütender wurde meine Mutter. Desto lauter schrie sie mich an. Desto härter und strenger wurde ihr Blick. Ich kannte ihre Ausraster, ich war es nicht anders gewohnt. Aber das übertraf einfach alles. Es dauerte einen Moment bis ich das alles sacken lassen konnte. Doch auch nach etlichen Sekunden, vielleicht sogar Minuten hatte ich meine Sprache nicht wieder gefunden. Es war nicht die abfällige Art wie sie mit mir sprach, die mich verletzte oder die Lautstärke. Sondern die Worte. Die Worte, die mir deutlich machten, dass sie mich nicht verstand. Mich auch nie verstehen wollte. Ich merkte, dass mein Blick glasig wurde. Ich nur noch verschwommen sah. "Charlotte, es ist jetzt genug. Guck Chloé, dir doch mal an. Denkst du nicht sie hat mit ihren Schmerzen, der Verletzung und dem Kater Buße genug getan? Wir waren alle einmal jung. Und haben Fehler gemacht, sind Feier gegangen und ja haben uns auch ausprobiert. Wie viele Skandale hast du schon als Jugendliche verursacht? Das gehört zum Leben dazu. Und wir leben nun mal in New York, die Stadt die niemals schläft. Kannst du es ihr verübeln?" wieder sprang Mark sich schützend vor mich. Wieder versuchte er mich vor dem bösen Wolf zu retten. Doch erfolglos, nun wurde auch er zur Zielscheibe. Schon traf ihn den bösen Blick von meiner Mum. "Halt dich daraus. Sie ist meine Tochter! Nicht deine." zischte sie ihn mit gesenkter Stimme gefährlich an. "Du kennst ihre Vergangenheit nicht. Du weiß nicht wie fragil Chloé ist. Sie ist anfällig für diese Rauschmittel. Sie endete schon einmal fast in der Sucht." nun war die Stimme etwas ruhiger, nicht mehr so angriffslustig, jedoch immer noch so gefährlich. Mark schluckte für einen Moment. Es wirkte, als dachte er darüber nach. "Dann sprich nicht so mit ihr als wäre sie deine Praktikantin, herrsch sie nicht so an. Sondern zeig Verständnis, hilf hier." Nun taten beide so als wäre nicht im Raum. Sie sprachen wie von einem kleinen Kind das nicht mitreden konnte. Sie beachteten mich auch kaum. Ich war nur Gegenstand in diesem Raum. Ich sah dem Geschehen zu. "Denkst du nicht ich hätte es nicht versucht? Wie oft habe ich mit Engelszungen auf Chloé eingeredet. Doch es hilft nichts. Sie bringt immer nur Probleme, immer wieder neue und neue. Da kann ich kein Verständnis mehr zeigen. Sie ist so verdammt dickköpfig und schüttelt jede Hilfe ab." wies sie jede Schuld von sich ab. Jetzt war ich diejenige die auf mit der Faust auf den Tisch haute. Erschrocken, drehte sie sich zu mir um. "Tue nicht so als wäre ich Luft, als wäre ich nicht in diesem Raum." schrie ich sie wütend an. Während ich aufgebracht schrie, liefen mir Tränen die Wange runter. Tränen der Wut und Tränen der Enttäuschung. "Du mir geholfen?" hakte ich ironisch nach. Jetzt war ich diejenige die versuchte ihren Blick zu erwischen, damit ich meiner Mutter ins Gesicht sagen konnte was ich dachte. "Das einzige was du in der Zeit gemacht hast, ist mich von den fucking Paparazzo abzuschotten. Mich einzusperren und verdammt nochmal bevormundet. Du hast dich einen Dreck um mich geschert. Dir war es nur wichtig was die Leute von dir halten, von deiner ach so tollen Familie. Was in den Medien steht. Brad war derjenige der mich in den Arm genommen hat. Dad hat sich um mich gekümmert, mir Essen gebracht und mich aufgemuntert. Er hat meine Kotze weggewischt. Und Mason war für mich da, hat mich getröstet, meine Ängste und Sorgen angehört. Nacht für Nacht haben Sarah und er bei mir geschlafen. Aber du? Du hast nur diese Show vor den Ärzten, den Leuten gemacht. Die fürsorgliche Mutter hast du gespielt, dabei hast du dich kaum blicken lassen." Jetzt platze mir der Kragen. In der Zeit war sie einfach nicht für mich da gewesen. Sie hat mich nicht einmal in den Arm genommen, mir gesagt, dass alles gut werden würde und ich wieder auf die Beine kommen würde. Stattdessen rannte sie nur von Arzt zu Arzt, wollte sich wichtig tun. "Weil ich es nicht konnte Chloé. Ich konnte einfach nicht dabei zusehen wie du abhängig bist, dich quälst." "Wen willst du eigentlich verarschen?" fiel ich ihr ins Wort, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Dann blickte sie auf ihren Teller. "Du hattest Recht, du hättest damals mit deinem Vater mit nach London gehen sollen. Du bist hier einfach fehl am Platz." Sie sprach leise, aber verständlich. Der Ton war nicht mehr angreifend, sondern eher düster. Wow, das saß tief. Ich hatte es immer geahnt. Geahnt, dass ich nur eine Last für sie war. Ich ihr nie genug war, sie mich nicht verstand und mich einfach nicht haben wollte. Aber diese Worte zu hören, traf mich doch härter als gedacht. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr aufhalten. Unkontrolliert liefen sie an mir runter. Als meine Mutter wieder aufschaute, sah ich ihr direkt in die Augen. Ihr Blick war unterkühlt, ohne Emotionen. Ich saß ihr verzweifelt gegenüber. Aus dem Augenwinkel sah ich Marks fassungslosen Blick. Dann sammelte ich mich. Atmete tief ein und stützte mich mit beiden Händen auf dem Tisch auf. Schließlich stand ich auf. "Dann tue ich mal das was ich am besten kann, ich bin ja eh nicht zu was anderem zu gebrauchen." meinte ich nur. Würdigte ihr keinen Blick mehr und lief zur Tür. "Chloé! Komm zurück." hörte ich ihre Rufe, mehrmals. "Charlotte... lass sie gehen, du hast genug für heute angerichtet." Mark redete auf sie ein. Die Stimmen der beiden wirkten ganz fern. Doch ich war wie ferngesteuert. Meine Füße trugen mich automatisch raus. Meine Hand holte mein Handy heraus. wählte eine Nummer. "Ava, hi." sprach ich in den Hörer sobald abgenommen wurde. 

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